Tichys Einblick
Pensionslasten

Die tatsächliche Staatsschuld ist mehr als doppelt so hoch wie die explizite

Die steigenden Pensionslasten sind schon jetzt größer als die offizielle Staatsschuld. Obwohl die Entwicklung seit Jahrzehnten vorhersehbar war, haben Bund und Länder nicht ausreichend vorgesorgt.

Schuldender des Bundes der Steuerzahler am 28. Juli 2021 – die Pensionslasten fehlen da

IMAGO / Jens Schicke

Der deutsche Staat war zum Jahresende 2019 formal mit 1,899 Billionen Euro verschuldet. Zu diesen expliziten Schulden bei Kreditgebern, die das Bundesministerium der Finanzen  meldet, kommt allerdings noch eine implizite oder verdeckte Schuld. Das sind Zahlungsverpflichtungen, die nicht aus Krediten und Anleihen herrühren, sondern Pensionszusagen an Bundes- und Landesbeamte. Zu den eigentlichen Pensionsausgaben kommt noch die Beihilfe zur Krankenversicherung der pensionierten Beamten hinzu. Die Versorgungslasten des Staates für die Pensionäre sind sogar noch höher als die Schulden im engeren Sinne. Das IW Köln hat in einer aktuellen Studie Pensionslasten von 1,230 Billionen Euro für die Bundesländer und 809 Milliarden Euro für den Bund (Stichtag 31.12.2019) berechnet. Da die Länder für die große Mehrheit der Polizei und die Schulen und Universitäten zuständig sind, haben sie besonders viele Beamte zu versorgen. Insgesamt haben Bund und Länder also explizite und implizite Schulden in Höhe von 3,938 Billionen Euro zu tragen. Dazu kommen noch die Pensionslasten auf kommunaler Ebene. Insgesamt dürften es also weit über vier Billionen Euro sein.

Allein auf Bundesebene sind diese impliziten Schulden der Pensionslasten in zehn Jahren um 88 Prozent gestiegen. Und sie werden in absehbarer Zukunft noch weiter steigen, wie die Ökonomen des IW Köln erwarten, da in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen, von denen ein im Vergleich zu früheren Jahrgängen höherer Anteil als Beamte im Staatsdienst war. Anders gesagt: Die Expansion des Staatsapparates seit den 1970er Jahren schlägt nun verstärkt auf die Staatskasse durch.

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Vorsorge wurde dafür kaum getroffen, wie die Studie des IW Köln feststellt: „Die öffentlichen Haushalte sind dabei nicht ausreichend auf die Ausgabensteigerungen eingestellt. Zwar haben viele Länder und auch der Bund in der Vergangenheit Rücklagen und Fonds aufgelegt, die das Ausgabenplus abfedern sollen. Allerdings belaufen sich die Deckungsquoten oder der Ausfinanzierungsgrad dieser Fonds auf einen relativ kleinen Teil der tatsächlich anfallenden Ausgaben. Vielmehr sind die Zuführungen zu den Rücklagen in einigen Fällen sogar noch gekürzt worden oder der Fonds ist gleich ganz aufgelöst worden (Hentze, 2015; Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz, 2017). Im Umkehrschluss heißt das, dass die steigenden Pensionsausgaben aus den laufenden Haushalten finanziert werden müssen.“

Die Studie lässt erwarten, dass die steigenden Ausgaben für die Versorgung der Ex-Beamten auf Kosten der staatlichen Investitionen gehen könnte. Höhere Steuern und/oder noch weiter steigende explizite Staatsschulden mit einem Verstoß gegen die grundgesetzliche Schuldenbremse könnten die Folge sein. Mit expliziten Schulden würden dann also implizite Schulden bezahlt.

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