Sind zwei Prozent wirklich zwei Prozent? Seitdem ideologische Narrative die Binarität von Geschlechtern dekonstruiert und zwei plus zwei doch fünf sein kann, sind Naturwissenschaft und Mathematik Auslegungssache. In dem Zusammenhang gibt es offenbar auch gute zwei Prozent und schlechte zwei Prozent.
Das muss man zumindest konstatieren, stellt man die Aussagen von Wirtschaftsminister Robert Habeck nebeneinander. Der prognostizierte, dass mit dem neuen Energiesparprogramm zwei bis zweieinhalb Prozent des deutschen Energieverbrauchs eingespart werden könnten. In diesem Fall sind zwei Prozent eine Leistung der Bundesregierung und damit lobenswert.
Mit derselben Begründung könnte man sich im Umkehrschluss auch die Energiesparmaßnahmen sparen. Ferdinand Knauß hat die Causa schon vor drei Wochen thematisiert:
Nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck erst kürzlich feststellte, dass es sich nicht lohne, die Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus laufen zu lassen, weil man damit den Gasverbrauch nur um maximal zwei Prozent senken könne, erfahren wir jetzt aus seinem Ministerium, dass die von Habeck forcierten Sparmaßnahmen, mit denen er den Unternehmen und Bürgern zu Leibe rücken will, ein Einsparpotenzial von zwei Prozent hätten. Ja, richtig gelesen. Aber, so ergänzt ein Ministeriumssprecher vor der Bundespressekonferenz, letztere seien „ganz wichtige zwei Prozent“. Womit uns Habecks Mannschaft wohl weismachen will, dass es auch beim Energiesparen vor allem um die richtige, also dem Anti-Atomkraft-Dogma der Grünen folgende Moral geht.
Stammleser dürften bereits erraten, wer dem Abgeordneten antwortet: richtig, Staatssekretär Patrick Graichen. Der ehemalige Agora-Direktor mit dem Hang zur Familienpolitik im Wirtschaftsressort bemüht sich neuerlich, Holm zu antworten. Vorab: Etwas hat sich im Stil Graichens geändert.
In der Vergangenheit meldeten sich mehrere Abgeordnete bei TE, sie seien in einer sehr ähnlichen Weise wie Holm „abgebügelt“ worden mit verkürzten, arroganten „Antworten“. Diesmal gönnt sich der Staatssekretär dagegen drei Seiten. Vielleicht, weil es sich herumgesprochen hat, dass manch kritische Anfrage es in diesen möglicherweise bald ungeheizten Zeiten in reichweitenstarke Medien schafft, und die Antworten auf einen zurückfallen.
„Eine Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken steht demgegenüber in einem völlig anderen Risiko- und Nutzungszusammenhang. Es ginge hier nicht in erster Linie, wie bei den beiden oben genannten Verordnungen, um die Einsparung von Endenergie, sondern um die – mit eigenen Risiken behaftete – Umwandlung von Energie. Bei ihr muss es daher auch eine andere Risiko- und Nutzenabwägung geben als bei den oben genannten Verordnungen.“
Da ist es wieder: die „Hochrisikotechnologie“ und der Atomtod vor der Türe. Man habe die entsprechende Prüfung „eingehend und sorgfältig vorgenommen und der Öffentlichkeit präsentiert“, das Ergebnis sei „bekannt und hat Bestand“. Dass die Prüfung selbst freilich zu einem anderen Ergebnis kam als von Habeck verkündet, steht auf einem anderen Blatt. Dann folgen Worte, die sich jeder TE-Leser für die Zukunft merken sollte. Es sind Beschwörungsformeln im Habeck-Ritus: „Es ist weiterhin sehr unwahrscheinlich, dass es zu Krisensituationen und Extremszenarien kommen wird und wir ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, um die Versorgungssicherheit vollumfänglich zu gewährleisten.“
„Wenn die Bundesregierung wirklich ‚alle notwendigen Maßnahmen‘ ergreift, um ‚die Versorgungssicherheit vollumfänglich zu gewährleisten‘, führt am Weiterbetrieb der letzten drei Kernkraftwerke kein Weg vorbei.“ Holm fordert eine Verlängerung für die nächsten fünf Jahre. „Leider ist zu vermuten, dass Robert Habeck und sein dunkelgrüner Staatssekretär Patrick Graichen eher bereit sind, unser Land vollständig zu deindustrialisieren, als dass sie sich für Kernkraft entscheiden.“