Vor Monaten sorgte ein Strategiepapier des Bundesinnenministeriums (BMI) aus dem Jahr 2020 für Aufruhr. Es war eine Kampfschrift für massive staatliche Eingriffe: Selbst von zentralen Quarantänecamps ist im Papier die Rede. Worst-case-Szenarien werden ausgebreitet, die man „der Bevölkerung vor Augen führen müsse“. So heißt es an einer Stelle beispielsweise: „Kinder werden sich leicht anstecken (…) Wenn sie dann ihre Eltern anstecken und einer davon qualvoll zu Hause stirbt, [werden] sie das Gefühl haben, Schuld daran zu sein“. Das Papier redete einer harten „ZeroCovid“-Politik das Wort – einer Politik, die sich in Schanghai und anderen chinesischen Städten gerade selbst entzaubert.
Jetzt gibt Kölbl offen zu: Er ließ sich durch die chinesische KP bezahlen. Der Linguist, der vor seiner Zeit in Lausanne an der polytechnischen Universität im chinesischen Xi‘an war, unterstützte die Regierung in Peking wohl immer wieder gegen Geld. Er sei gegenüber der Partei zu Geheimhaltung verpflichtet, sagt er. Der Welt am Sonntag verrät er nur so viel: „Ich habe immer wieder mal kleinere Aufträge angenommen, wo es darum ging, die Sicht der chinesischen Regierung einem westlichen Publikum zu erklären.“ Der Linguist, der Forderungen einer harten „ZeroCovid“-Politik für das Innenministerium schrieb, tat also genau das schon lange vorher: autoritäre Politik im Stile Chinas für den Westen aufbereiten.
Seine Tätigkeit für China habe sein Wirken im BMI nie beeinflusst, versichert Kölbl – aber seine Übereinstimmung mit der chinesischen Politik ist offenkundig. Heute hätte selbst er als Linguist wohl Schwierigkeiten, die chinesische Politik im Westen „schmackhaft“ zu machen – die Bilder vom Lockdown in Schanghai sprechen deutlicher als jedes theoretische Papier.