In einem macht der Landkreis Ostprignitz-Ruppin (Autokennzeichen „OPR“) im nordwestlichen Brandenburg keine Ausnahme: Auch hier braucht es dringend neue Unterkünfte für Flüchtlinge und Asylbewerber. In diesem Fall fiel die Wahl auf den Flecken Zechlin, der trotz seinem historischen Status als Marktgemeinde nur 700 Bewohner aufweist. Dort soll allerdings schon seit Anfang 2022 ein neues Migrantenheim für 150 Personen entstehen, in einem ehemaligen Hotel, das heute den Bildern zufolge dem Verfall preisgegeben ist. Einige Bürger des Dorfes Zechlin sind seitdem mittelmäßig engagiert und interessieren sich für den Fortgang der Geschichte. Der ist, wie eine Langzeitrecherche der Berliner Zeitung erweist, ein schleppender. Und das ist den Einwohnern vielleicht gar nicht mal unrecht. Denn in Zechlin wie anderswo stellt sich die Frage, ob ein so kleiner Ort ohne jede Infrastruktur überhaupt in der Lage sein wird, mit den zugewiesenen Migranten klarzukommen.
Asyl im Ostprignitz-Kreis: Unternehmer scheffeln seit Jahren Millionen
Ein Landkreis im Nordwesten Brandenburgs lässt nach einer Zeitungsrecherche staunen. Millionenbeträge fließen in leerstehende Migrantenheime. Zwei Unternehmer scheffeln weitere Millionen, während Bürger und Presse aalglatte Antworten bekommen oder von der Rechtsabteilung eingeschüchtert werden.
Im brandenburgischen Zechlin stellen sich aber noch andere Fragen, die mit der Finanzplanung des Landkreises zusammenhängen. Denn die Kosten des immer noch leerstehenden Objekts sind schon jetzt enorm: Schon vor zwei Jahren zahlte der Kreis eine halbe Million Euro für Umbauten an die Eigentümer. Noch einmal 500.000 Euro gingen seitdem für die Bewachung drauf. Und die Miete kostete den Kreis 420.000 Euro. Nun steht das Haus noch immer leer und baufällig in der Gegend herum. Kein einziger Asylbewerber wohnt darin. Es flossen bisher also schon 1,4 Millionen Euro an unterschiedliche Anbieter – doch im Grunde für nichts.
Das ist nicht nur ein erstaunliches Ergebnis von zwei Jahren Reden und Warten, sondern eigentlich ein Skandal. Ein Immobilienberater meint: „Die Immobilie ist nichts wert, aber der Vertrag mit dem Landkreis macht sie zur Goldgrube: Mietdauer zehn Jahre, eine Million obendrauf, ich würde sofort unterschreiben. So ein Vertrag heute, das riecht nach Korruption.“
Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin mit „sehenswerten“ Orten wie Fehrbellin, Temnitz und Neustadt ist dabei nicht wirklich reich. Der Gesamthaushalt des Kreises belief sich 2022 auf rund 300 Millionen Euro. Rund ein halbes Prozent des Jahreshaushalts verschwand also in diesem dunklen Kanal. Nun kann sich jeder ausmalen, was sich mit 1,4 Millionen Euro in einem strukturschwachen Kreis anstellen ließe. Die Sportförderung des Kreises ließe sich so für fünf Jahre verdoppeln (ca. 250.000 pro Jahr), oder man könnte eine zusätzliche Buslinie einrichten. Viele andere Projekte wären denkbar. Und das sind ja noch nicht die Gesamtkosten der Migration für diesen kleinen Landkreis. 2020 lebten laut dem Neuruppiner Landratsamt 4.400 Ausländer im Kreis, davon 1.700 Asylbewerber – also zehn Mal so viele wie in dem alten Hotel Platz finden sollen. Inzwischen dürften noch mehr hinzugekommen sein.
Mangel an demokratischer Kontrolle im brandenburgischen Outback
Doch auf kritische Einwände wie diesen bekommen die Bewohner von Zechlin nur „aalglatte Antworten“ von der Verwaltung. Was die Berliner Zeitung berichtet, erinnert an eine Karibik-Insel mit natürlich etwas schlechterem Wetter, aber einer genauso gleichgeschalteten Presse. Die Märkische Oderzeitung und der RBB mieden das Thema ohnehin von Anfang an, vielleicht weil es nicht zur redaktionellen Linie passt, die zumindest im Falle des öffentlichen-rechtlichen Senders eigentlich „ausgewogen“ sein sollte. Nachdem der Landkreis gegen die aufkommenden Berichte von Focus und Märkischer Allgemeinen gerichtlich vorging, zog sich auch die MAZ aus der Berichterstattung zurück. Kommentar: „Wir mussten aus dem Thema aussteigen. Wir legen uns da mit Institutionen an, die ganze juristische Abteilungen haben, das konnten wir nicht mehr leisten.“ Es scheint einen absoluten Mangel an demokratischer Kontrolle in dieser Weltgegend zu geben. Auch die Oppositionspolitiker im Kreistag bekommen schlicht gar keine Antwort.
Aber es kommt noch schlimmer: Von den lächerlich hohen Ausgaben des Kreises profitierten bisher immer wieder dieselben zwei Unternehmer. Mehr als zwölf Millionen Euro sollen so bereits an Jens C. und Marko L. geflossen sein, sei es als Miete oder als direkter Zuschuss. Dazu kamen 2,1 Millionen Euro an Ablösen – also Abfindungen, wenn wieder ein langjähriger Mietvertrag geplatzt war, weil der Kreis keinen Bedarf mehr hatte oder umdisponierte. Das sind reine Kulanzzahlungen, denn der Kreis hätte sie vermutlich dank seiner Rechtsabteilung vermeiden können. Ebenso verdienten die Unternehmer am An- und Verkauf von Immobilien. Durch die Umwandlung in Asylheime gewannen die Häuser enorm an Wert, weil sie nun wieder eine Nutzung hatten – knapp vier Millionen Euro sprangen so beim Verkauf von zwei Heimen für die „Investoren“ heraus. Doch solche Investitionen kann fast ein jeder erfolgreich vornehmen – solange der Landkreis mit hoher Sicherheit bezahlt. Auch im Fall des seit zwei Jahren leerstehenden Hotels war das nicht anders. Inzwischen gehört es nicht mehr Marko L., der durch den Weiterverkauf mehr als zwei Millionen Euro verdiente.
Zum Landrat des OPR-Kreises wurde 2018 Ralf Reinhardt (SPD) für weitere acht Jahre bestimmt. Wegen eines Patts im Kreistag fiel die Wahl per Losentscheid. Damals trieb ihn das „Verlangen nach weiterer Umsetzung“ dessen, was er damals schon „angearbeitet“ hatte, wie die MAZ etwas ergeben berichtete. Vor allem ging es ihm um Infrastrukturprojekte, etwa bei der Bahn, oder die Zukunft von Medizinischer Hochschule und den Ruppiner Kliniken. In Reinhardts Händen „kribbelte“ es. Dass dabei einiges an Geld fließt, versteht sich vielleicht. Dass es so einseitig fließt, nicht.
In Berlin fließt mehr als ein Prozent des Haushalts in Asyl-Unterkünfte
Sind das nun „Einzelfälle“, die ja ärgerlich sein mögen? Kaum. Das an diesem Fall offengelegte Geschäftsmodell funktioniert überall in der Republik. Für die Landkreise und Gemeinden scheint sich ein vielfacher Nutzen zu ergeben: Leerstand wird gefüllt. Dank der Unterstützung aus Bundes-Steuergeldern füllen sich die örtlichen Kassen wieder etwas. Die Asylbewerber kaufen zudem auch einmal etwas ein. Und dann sind da noch private Investoren, die sich direkt an das Staatssäckel hängen und so ihre „Gewinne“ erwirtschaften.
Auch in der näheren Nachbarschaft von Neuruppin ist die Lage nicht viel anders. Das Land Berlin gibt jeden Tag mehr als 1,1 Millionen Euro für die provisorische Unterkunft in Tegel aus. Nur damit dann die Mitarbeiter von Sicherheitsfirmen Aggressionen gegen kurdische Neuzugänge zulassen, vielleicht anheizen. Die enormen Kosten von – überschlagen – fast 428 Millionen (427.854.653) Euro im Jahr stehen den übertriebenen Zahlungen in der Ostprignitz ganz sicher nicht nach. Das ist als mehr als ein ganzes Prozent des Berliner Haushaltes. Und hinzu kommen noch weitere Migrantenheime in Berlin (TE berichtete).
Zu erwarten ist, dass jede deutsche Stadt, jede Gemeinde einen ähnlichen Anteil ihrer jährlichen Ausgaben so einsetzt. In Berlin gibt es derzeit mehr als 10.000 Unterbringungsplätze für Asylmigranten und Ukraine-Flüchtlinge. Für die Jahre 2024 und 2025 plant der Senat fast eine Verdoppelung um weitere 8.000 Plätze. Damit werden dann logischerweise auch die Kosten in die Höhe schießen. Werden es dann etwas drei Prozent des Landeshaushalts sein? Zu erwarten ist inzwischen alles, zumal weil das Ausgabenfeld „Asyl“ fast undurchdringbar ist. Die Integrationskurse und Sozialpädagogen kommen ja noch hinzu.
Insgesamt herrscht hier der moralische Imperativ, nach dem nur ein Unmensch an solch einer humanitär bedeutsamen, menschen- und fremdenfreundlichen Stelle kürzen kann. Das schafft Gelegenheit für Diebe, wie die Beispiel Ostprignitz und Berlin mehr als deutlich zeigen.
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