Tichys Einblick
Pressekonferenz im Kanzleramt

Orbán zu Merkel: Wir sind die Grenzkapitäne auch für Deutschland

Orbán: „Es ist unmöglich, dass irgendjemand die Einhaltung von Gesetzen umgeht und Ungarn betreten kann. Als Deutsche können sie dessen sicher sein, das wir als eine Art Grenzkapitäne nicht nur Ungarn, sondern zugleich auch Deutschland schützen.“

Omer Messinger/AFP/Getty Images

Merkel: Die Bundeskanzlerin betont den exzellenten und stetig wachsenden wirtschaftlichen Austausch. „Unsere Wertschöpfungsketten, gerade auch im Bereich der Automobilindustrie, aber nicht nur da, sind eng verbunden. Wir kommen auf ein Handelsvolumen von etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr, das ist viel, wenn man die Größe Ungarns auch mit in Betracht zieht. (…) Ungarn ist ein sehr attraktiver Investitionsplatz auch durch seine steuerlichen Regelungen.“

„1989 hat in Ungarn etwas stattgefunden, was Deutschland nie vergessen wird, das war die Öffnung der Grenze zu Österreich. Für uns ein prägendes Erlebnis.“

„Wir haben natürlich auch über die Migrationsfragen gesprochen. Hier ist die Sichtweise zwischen Deutschland und Ungarn doch sehr unterschiedlich. In den Aspekten die sozusagen das Innere des Schengenraumes anbelangt. Über die Verantwortlichkeit der Verteilung und anderes. Wir arbeiten gut zusammen im Bereich Frontex. Wir arbeiten gut zusammen im Bereich der Entwicklungshilfe. Hier machen Ungarn und Deutschland gemeinsam Projekte in Nordafrika um hier bei der Fluchtursachenbekämpfung auch zu helfen. (…) Und in sofern würde ich sagen, ist die Unterhaltung wichtig gewesen.

„Leider sieht der Ministerpräsident die Empfehlungen der Venedig-Kommission – was auch in Richtung Rechtsstaatlichkeit geht – nicht so, wie wir uns das vorstellen würden, aber hier gibt es ja dann auch Kontakte zur europäischen Kommission. Alles in allem ein wichtiger Besuch, lieber Viktor, und ich glaube auch bei unterschiedlichen Meinungen ist es wichtig, dass man im Austausch bleibt ,und gerade was auch die Verbindungen der Menschen zwischen unseren Ländern anbelangt, gibt es ja intensive Kontakte, wir haben grad darüber gesprochen, viele Touristen sind an den Balkansee – äh Plattensee – zurückgekehrt (Versprecher führt zu großer Heiterkeit in der PK) und sehen Ungarn wieder als eine Destination für den Urlaub und das ist gut, ich setze sehr auf die menschlichen Kontakte zwischen unseren beiden Ländern.“

Orbán:

„Wir haben ein intensives Gespräch hinter uns. Die Tonlage war freundschaftlich. (…) Dreißig Jahre sind viel Zeit. Auch wir freuen uns, dass es einen Augenblick gab, wo Deutsche und Ungarn im Interesse von ganz Europa im Interesse einer guten und wichtigen Sache ein Bündnis geschlossen haben und die Teilung Europas beendet haben und die Wiedervereinigung des Kontinents in die Wege geleitet haben. (…) Was die Wirtschaft anbelangt: Es ist sicher auch hier in Deutschland bekannt, dass wir auf eine auf Arbeit basierende Wirtschaft bauen und das Ziel besteht in der Erreichung der Vollbeschäftigung. (…) Die Investitions- und Handelszahlen der beiden Länder sind fantastisch.“

Viktor Orbán erwähnt im Gegensatz zu Merkel eine Vereinbarung der Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie und eine Modernisierung der ungarischen Armee mit deutscher Hilfe.

„Ich habe Frau Bundeskanzlerin darüber informiert, dass es ein einziges Land in der nicht deutschsprachigen Welt gibt, wo ein Kind nach der Geburt vom Kindergarten bis zur Universität deutsch lernen kann. Und dieses Land ist Ungarn.“

„Und es war natürlich auch von Migration die Rede. Ich kann Ihnen darüber berichten, dass klar geworden ist, was wir auch bislang gewusst haben, dass die Frau Bundeskanzlerin und ich, Deutschland und Ungarn, die Welt anders sehen, aus einem anderen Blickwinkel. (…) Dennoch streben wir eine enge Zusammenarbeit an. Die Meinungsunterscheide können uns also nicht daran hindern, Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen und ich bin auch bereit zusammenzuarbeiten, auch auf diesem Gebiet mit der Frau Bundeskanzlerin. Ich habe Frau Bundeskanzlerin versichert, dass die ungarische Südgrenze geschützt ist. Migranten kommen da weder nach Ungarn, noch nach Österreich, noch nach Deutschland. Und diese Grenze werden wir auch zukünftig schützen.“

Orbán bedankt sich dafür, dass auf dem EU-Gipfel die HotSpots außerhalb Europas ein gesamteuropäisches Einvernehmen geworden sind. Das hätte ohne die Frau Bundeskanzlerin nicht zustande kommen können. „Das war eine alte Bestrebung Ungarns, wir freuen uns, dass sich das nun bewahrheitet hat.“

Journalistenfrage

„Ist Ungarn bereit Flüchtlinge aus den geplanten Transitzonen zurückzunehmen?“

Merkel:

„Aus Ungarn kommen ja sehr, sehr wenige Flüchtlinge, die in Ungarn registriert sind.“ Die Ungarn würden diesen Sachverhalt aber so sehen, dass es sich hier vornehmlich um nicht registrierte Flüchtlinge aus Griechenland handelt. „Und deshalb fühlt sich Ungarn auch gar nicht verantwortlich für die Bearbeitung der Asylverfahren. Nichtsdestotrotz haben wir gesagt, wir können sprechen. (…) Aber insgesamt haben wir das Problem, dass sich Ungarn gar nicht im Sinne der Dublin-Verordnung für zuständig hält, auch wenn es die Registrierung vornimmt.“

Orbán:

„Der Standpunkt von Ungarn in Sachen Migration ist seit Jahren unverändert. Diese Meinung pflegen wir auch ehrlich und offen zu sagen. Manchmal sind das Sätze, die streng klingen, aber über ernste Sachen lohnt es sich nur ernst zu reden. Und wir sagen auch immer den Deutschen – weil wir Freunden Ehrlichkeit und offene Formulierungen schulden – was wir über Migration denken: Ungarn hat einen Zaun an den Südgrenzen gebaut, um die Kontrolle wiederzuerlangen über das eigene Staatsgebiet. Es ist unmöglich, dass irgendjemand die Einhaltung von Gesetzen umgeht und Ungarn betreten kann. Als Deutsche können sie dessen sicher sein, das wir als eine Art Grenzkapitäne nicht nur Ungarn, sondern zugleich auch Deutschland schützen. Wir nehmen Deutschland eine immense Last von den Schultern dadurch, dass wir niemanden Ungarn betreten lassen.“

Es gilt das gesprochene Wort.

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