Wie die SPD die Folgen ihrer Politik mit Geld zuschütten will
Redaktion
Die „Wärmewende“ trifft die Klientel der Sozialdemokraten weit stärker als die der Grünen. Ihre Politiker versprechen deshalb gewaltige Staatshilfen für Normalverdiener. Die Kosten dafür bleiben bisher noch im Dunkeln.
Innerhalb der Ampel bilden SPD und Grüne den linken Teil der Koalition. Ihre jeweilige Wählerschaft unterscheidet sich allerdings sehr deutlich voneinander: Während die Habeck-Partei ihre Unterstützer vor allem im urbanen, meist besserverdienenden Milieu findet – mit einem großen Anteil öffentlicher Beschäftigter –, muss die SPD immer noch um die Stimmen von Facharbeitern und Angestellten in Dienstleistungsberufen werben. Die Karte der Wahlergebnisse in Berlin zeigte auf einen Blick das Problem der Kanzlerpartei: In den Innenstadtbezirken räumten die Grünen ab. An der Peripherie, dort, wo die Menschen eher nicht auf dem Lastenrad zum Biomarkt fahren, holte die CDU ihre Stimmen. Und die SPD verbuchte in der Hauptstadt ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950.
In der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl sieht es nicht besser aus: Laut Dimap-Erhebung vom 14. April kommt die SPD nur noch auf 19 Prozent. Die Grünen mit 17 Prozent liegen dagegen immer noch über ihrem Wahlergebnis von 2021 – die SPD weit darunter, und 10 Prozentpunkte hinter der Union. Mit dem „Gebäudeenergiegesetz“ verschärft sich das Problem der Sozialdemokraten noch einmal erheblich. Denn die von Robert Habeck ausgerufene „Wärmewende“ mit Zwang zu Wärmepumpe und Sanierung trifft vor allem viele Facharbeiter und Mittelverdiener an den Stadträndern und in ländlichen Gegenden hart, die oft Jahrzehnte für ein bescheidenes Wohneigentum sparten. Viele Eigentümer bringen dort selbst bei staatlicher Förderung – mitfinanziert aus ihren Steuergeldern – die nötigen Mittel für den Hausumbau nicht auf. In Gegenden abseits der Ballungszentren übersteigen die notwendigen Investitionen nicht selten den Wert der Immobilie.
Die SPD befindet sich also in der misslichen Lage, zum einen die „Wärmewende“ mitbeschlossen zu haben, zum anderen damit aber die eigenen potenziellen Wähler wesentlich stärker zu vergraulen als die Grünen. Aus dieser Klemme sucht sie einen Ausweg, der geradezu bizarr wirkt: Sie spielt Regierungs- und Oppositionspartei gleichzeitig. Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Matthias Miersch etwa wettert mit Arbeiter-Faust: „Wir lassen es nicht zu, dass sich Wohlhabende jede Klimasünde leisten, während Auto und Heizung für Normalverdiener unbezahlbar zu werden drohen.“
Damit tut er so, als hätten er und seine Fraktionskollegen mit den Lasten, die Hauseigentümern aufgebürdet werden sollen, überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil: Er empfiehlt die SPD als Schutzmacht – gegen die Auswirkungen der eigenen Politik. Mierschs Vorschlag läuft auf einen Fonds hinaus, der Hausbesitzern mit kleinerem Einkommen zusätzlich helfen soll. Aber selbst dann blieben ihnen immer noch gewaltige Lasten. Und diese Hilfen stammen – wie erwähnt – auch aus ihrem Steuergeld – unter anderem aus dem Aufkommen der gerade erst erhöhten Grundsteuer.
Auf eine Frage der AfD beteuerte auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Diedenhofen, die „Wärmewende“ geschehe natürlich „sozial gerecht“: Es gebe eine „ordentliche Förderkulisse“, und: „Wir werden keinen zurücklassen.“
So argumentiert auch die SPD-Fraktion insgesamt: „Zuschüsse“ sollen Hausbesitzer mit Normaleinkommen vor den Folgen der Koalitionspolitik retten.
Auf das Problem dieser Politik, zum einen für Belastungen zu sorgen, sie aber auf der anderen Seite durch den massiven Einsatz von Staatsgeld wieder zu mildern, weist der Chef des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest hin: Fördermaßnahmen können bestenfalls punktuell helfen. Sie sprengen den Haushalt, wenn plötzlich eine große Zahl von Bürgern zu Beihilfeempfängern wird, die vorher ihr Haus ohne Staatsgeld erhalten konnten.
Ohnehin soll die Umstellung auf Wärmepumpe zusammen mit den Umbaumaßnahmen schon für alle mit 40 Prozent der Kosten gefördert werden. Für Geringverdiener kämen also noch Extrahilfen dazu. Für die Kosten der Operation Wählerberuhigung gibt es bisher noch keine genauen Zahlen.
Zu den politischen Folgen gerade für die SPD auch noch nicht – allerdings einen ungefähren Trend. Bei den anstehenden Wahlen in Flächenländern mit etlichen Hausbesitzern könnten noch mehr potenzielle Wähler der Kanzlerpartei zu Hause bleiben oder anderswo ankreuzen als ohnehin schon. Nach einer Umfrage des Hessischen Rundfunks vom 14. März für die kommende Landtagswahl liegt die SPD dort bei mageren 20 Prozent. In Bayern prognostizierte ihr Insa Anfang April 10 Prozent.
Ginge es von diesem Niveau durch das Heizungsgesetz noch einmal deutlich abwärts, gerät die Truppe, die sich selbst als Schutzmacht der kleinen Leute etikettiert, womöglich in einen Abwärtsstrudel, der bis zur Bundestagswahl 2025 anhält.
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