Eine Gesprächsrunde hat das Gerücht um ein Ende der Ampelkoalition befeuert: Kanlzer Olaf Scholz (SPD), CDU-Chef Friedrich Merz und die beiden Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD, Niedersachsen) und Boris Rhein (CDU, Hessen) berieten über den Umgang mit der unkontrollierten, illegalen Einwanderung. Die läuft komplett aus dem Ufer und lässt Landräte und Bürgermeister um Hilfe rufen – auch welche von der SPD oder den Grünen.
Die illegale Einwanderung gehört zu den Punkten, bei denen Scholz mit den Grünen keine vernünftige Lösung finden kann. Ideologisch getrieben haben sie auch schon bei anderen Themen auf stur geschaltet und sich rücksichtslos gegen SPD und FDP durchgesetzt: etwa beim Atomausstieg oder der Finanzierung von privaten Schleppern. In den Fragen Beteiligung am Ukraine-Krieg und Umgang mit China sind sich Scholz und die Grünen auch nicht einig. Allerdings ist es dem Kanzler in diesen Fragen bisher gelungen, auf Zeit zu spielen.
Nun denkt Scholz aber nicht in Inhalten, sondern in taktischen Manövern. Aus seiner Sicht wäre die große Koalition ein enormer Vorteil. Der Kanzler könnte sich selbst stärker profilieren und hätte es mit einem elastischeren, weniger Ideologie getriebenen Partner zu tun. Zudem könnte er Merz als Juniorpartner einspannen. Das würde Merz – paradoxerweise – einerseits öffentlich einrahmen und gleichzeitig zum natürlichen Kanzlerkandidaten der CDU machen. Angela Merkel (CDU) hat auf diese Weise 16 Jahre lang ihre Kanzlerschaft abgesichert.
Für Merz wäre die Koalition als Scholz‘ Juniorpartner ein vergiftetes Geschenk. Einerseits macht es ihn zum Vizekanzler, Minister und designierten Kanzlerkandidaten der Union. Andererseits sähen seine Chancen in zwei Jahren gegen Scholz schlecht aus. Falls er das so sieht. Denn ob Merz in die Koalition mit Scholz einsteigt, hängt davon ab, wie er die Erfolgsaussichten seiner Mitbewerber einschätzt.
Die Union müsste die Folgen der rot-grün-gelben Chaospolitik mittragen: Selbstbestimmungsgesetz, Cannabis-Legalisierung, Erhöhung des Bürgergelds innerhalb eines Jahres um 25 Prozent, Kindergrundsicherung … Das alles könnten die genannten Parteien von Rechts genussvoll attackieren. Ob Merz dann mit der Union bei 29 bis 31 Prozent stehenbleibt, ist fraglich.
Eine vorgezogene Bundestagswahl hätte aus Sicht von Scholz und Merz den Vorteil, dass Bündnis Deutschland, Wagenknecht-Partei oder Maaßen-Partei kaum Zeit hätten, sich vorzubereiten. Das kann aber genauso gut ein Glück für sie sein. Oskar Lafontaine will zum Beispiel die Gründung der Wagenknecht-Partei so nahe an eine bedeutende Wahl legen wie möglich. Davon erhofft er sich einen größeren PR-Effekt. Zwei Jahre Zeit zur Vorbereitung würden für die Wagenknecht-Partei auch zwei Jahre Zeit für Kritik bedeuten, die Wagenknecht-Partei sei organisatorisch schlecht aufgestellt. Zeitdruck würde solche Beschwerden als Entschuldigung von Anfang an ausschließen.
Das ist die größte Gefahr, die sich aus einer Koalition Merz und Scholz für die beiden ergibt. Sie würden von links (Grüne) und rechts (AfD) gleichermaßen in die Zange genommen. Eine AfD, die bei 23 Prozent bleibt und Grüne, die wiedererstarken, könnten für eine Sperr-Majorität sorgen. Dann käme es 2025 zu einer Koalition mit Grünen, die zwei Jahre lang die reine Lehre propagiert und die Medien hinter sich haben – und das aus einer Opferrolle heraus. Mit ihnen dann zusammenzuarbeiten, würde in noch größeres Chaos führen.
Eine Koalition von Merz und Scholz jetzt wäre also etwas, das kurzfristig angenehm ist, aber langfristig verheerende Folgen mit sich bringen könnte. Klingt nach einer Lösung, die der Kanzler bevorzugt.