Bundeskanzler Scholz trat am späten Freitagnachmittag gemeinsam mit NRW-Ministerpräsident Wüst und Berlins Regierender Bürgermeisterin Giffey vor die Presse und präsentierte die Ergebnisse des Coronagipfels. Giffey lobte vor allem die schnelle Einigkeit der Runde – doch der Einheitskurs in der Pandemie erscheint zur Zeit unsicher wie lange nicht mehr. Insbesondere bei der schon sicher geglaubten Impfpflicht gibt es immer mehr Widerstand. Nicht nur zeigt das Beispiel Österreich die zahlreichen Hindernisse bei der tatsächlichen Umsetzung einer solchen Impfpflicht auf (mehr hier), sodass erste Experten gerade in Hinsicht auf Omikron den Ausstieg aus der Zwangsmaßnahme nahelegen. In Deutschland ist Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, bislang Corona-Hardliner, plötzlich zum Impfpflicht-Kritiker mutiert (TE berichtete) – ausgerechnet der Ministerpräsident, der wie kaum ein anderer stetig die Trommel für Impfpflicht und harte Maßnahmen rührte.
Doch in der heutigen Konferenz, so versichert Scholz, seien alle einer Meinung gewesen: Die 16 Ministerpräsidenten und auch er stünden weiterhin zu der geplanten Impfpflicht, betont der Bundeskanzler. Er selbst wolle nach wie vor auch im Bundestag dafür stimmen. In ihren Glaubenssätzen scheinen die Regierungschefs von Bund und Ländern unverwüstlich – auch wenn die Realität sie längst überholt. Nicht ohne Grund mahnte Karl Lauterbach jüngst dringend zur Eile: Man müsse die Impfpflicht beschließen, bevor sie „überflüssig“ werde.
Es scheint paradox: Einerseits wollen Scholz und die Ministerpräsidenten die Omikron-Welle über das Land rollen lassen – weichen mit der 2G-Plus-Regel gleichzeitig vom Mythos ab, für Geimpfte sei die Pandemie ja schon vorbei. Andererseits wollen sie die Impfpflicht auf den Weg bringen, die ja auf dem Versprechen beruht, so könnte die Pandemie beendet werden. Anders als in vorangegangenen Konferenzen vor vorangegangenen Wellen wird gar nicht erst versucht, die Welle zu brechen – dafür muss Scholz sich auch eine Menge kritischer Fragen von einbahnkritischen Journalisten gefallen lassen.
Doch Omikron dürfte die Pandemie de facto beenden. Das zumindest ist die Erwartungshaltung in vielen anderen europäischen Ländern (TE berichtete). Selbst Christian Drosten erwartet eine solche Entwicklung: „Dieses Virus wird zu einem Erkältungsvirus wie viele andere auch“, meinte der Charité-Virologe vor gut einer Woche im ZDF. Omikron werde wegen hoher Übertragbarkeit bei wenig schweren Verläufen Immunitätslücken in der Bevölkerung schließen – das sei „gut“, meint der Regierungsberater. Mit Omikron stehe möglicherweise doch gar kein so großes Problem vor uns.
Neue Daten des Robert-Koch-Instituts zur Omikron-Infektionen unter Doppelt-Geimpften zeigen derweil, dass eine Impfpflicht wohl ohnehin sinnlos wäre. Was die Infektionen angeht, scheint die Wirkung von zwei Impfdosen gegen 0 zu gehen:
Eine Impfpflicht würde also, wenn überhaupt, nur inklusive weiterer Auffrischungen Sinn machen – diese vorzuschreiben, dürfte aber noch weniger mehrheitsfähig sein. Die entscheidende Abstimmung im Bundestag findet im Februar statt, wenn die Omikron-Welle ihren Höhepunkt wahrscheinlich bereits überschritten hat. Dann allerdings dürfte die Bereitschaft für einen solchen Beschluss in die sinkenden Zahlen des Frühlings hinein noch geringer sein.