Tichys Einblick
Zwischen den Zeilen gelesen

Olaf Scholz, der redselige Nichtssager

Der Kanzler ist auf Tournee: Einem Medium nach dem anderen gibt er Interviews, stellt sich vermeintlich zufällig ausgewählten Fragestellern in Bürgergesprächen. Auch sonst redet er viel. Doch um etwas über seine Politik zu erfahren, muss man hören, was er nicht sagt.

IMAGO / Metodi Popow

Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt sich viel. Er ist vielleicht sogar der redseligste Kanzler der bundesrepublikanischen Geschichte. Er absolviert Talkshow-Auftritte, Pressekonferenzen und Regierungserklärungen mit einer routinierten Professionalität. Gerade ist er auf großer Tournee: Bürgerdialog in Erfurt, Interview mit der Thüringer Allgemeinen, Interview im MDR, ZDF-Sommerinterview in Potsdam, ARD-Sommerinterview in Berlin.

Olaf Scholz redet viel. Sehr viel. Das ZDF-Interview dauert 20 Minuten. Der Bürgerdialog dauert 106 Minuten. Das ARD-Interview dauert 30 Minuten. Stundenlang kann man dem Kanzler zuschauen. Und trotzdem sagt Olaf Scholz fast nichts.

Interview in Thüringer Allgemeine
Scholz und das giftige Verhältnis zur AfD
Was man über seine Politik lernt, das lernt man vor allem im Nichtgesagten. In Erfurt fragt eine Friseurmeisterin, ob die Politik auch die Lage der Betriebe in den Blick nehme, wenn sie den Mindestlohn erhöht. Denn: Die steigenden Mindestlöhne treiben auch die Preise nach oben. Und das hält die Kunden aus dem Geschäft. Scholz grinst sein zufriedenes Lausbubengrinsen und spricht davon, wie wertvoll der Mindestlohn für die Arbeitnehmer ist. Dass er sechs Millionen Beschäftigten eine Gehaltserhöhung verschafft hat, als der Mindestlohn eingeführt wurde, und weiteren sechs Millionen eine weitere Gehaltserhöhung verschaffte, als er den Mindestlohn per Gesetz auf 12 Euro pro Stunde steigen ließ.

Was Olaf Scholz nicht anspricht: die Schwierigkeiten für die Unternehmen, diese höheren Mindestlöhne zu bezahlen. Er versucht das Thema abzubügeln: Weil der Mindestlohn ja alle Friseure trifft, müssten ja alle Friseure die Preise erhöhen, und der Wettbewerb bliebe bestehen. Auch redet Scholz über Sozialversicherungsbeitrags-Senkungen für Menschen, die wenig verdienen. Also, weniger als 1.600 Euro, weniger als einen Vollzeit-Mindestlohnjob von 1.920 Euro. Dem Gesicht der Fragestellerin sieht man an: Die SPD hat einen Wähler verloren.

In der Thüringer Allgemeinen interviewt man den Kanzler zu dritt. Womöglich sollen zwei Redakteure den Kanzler festhalten, während der dritte die Fragen stellt. Aber auch so schafft Scholz es, den Fragen konsequent auszuweichen. So zum Beispiel der Frage danach, ob man mit der AfD auf kommunaler Ebene zusammenarbeiten müsse, wenn man sie für die Mehrheit braucht.

Scholz weicht aus. Man brauche die AfD ja nicht, weil selbst wenn die AfD einen guten Antrag einbringe, könne man diesen ja einfach ablehnen und dann einen eigenen Antrag mit denselben Zielen einbringen und beschließen.

„Aber wenn die Stimmen der AfD für die Mehrheit benötigt werden?“, will die Thüringer Allgemeine wissen. Das, so der Kanzler, ist dann ja keine Zusammenarbeit. Frei nach seinem Wirtschaftsminister möchte man sagen: Man arbeitet nicht zusammen, man stimmt nur gemeinsam ab. Und macht vielleicht ein paar Deals, um die Zustimmung der AfD zu sichern. Aber man arbeitet nicht zusammen. Die Brandmauer auf kommunaler Ebene gilt eben nur für manche. Nicht aber für die SPD, deren Vertreter der CDU gerne Kollaboration mit den „Faschisten“ der AfD vorwerfen.

Im ZDF wird er auf die Energieversorgung in Deutschland angesprochen. Seine Antwort: Es gibt kein Stromproblem. Im Winter habe Deutschland Strom nach Frankreich geliefert, weil dort Atomkraftwerke ausgefallen seien. Also sei es ja kein Problem, dass in Deutschland die AKW abgeschaltet werden. Und außerdem: Man baut nun die Wind- und Solarkraft kräftig aus. „In den dreißiger Jahren“ (sic) würden dann auch Gaskraftwerke mithelfen, den Strombedarf zu decken, wenn Wind und Sonne nicht ausreichten. Was bis dahin passiert: Darauf hat er keine Antwort.

Der Internationale Währungsfonds warnt, dass Deutschland in die Rezession rutschen wird. Die Weltwirtschaft wächst, die Eurozonen-Wirtschaft wächst. Und die deutsche Wirtschaft schrumpft. Olaf Scholz meint im MDR: Alles halb so wild, es werde schon nicht so schlimm werden wie in Ostdeutschland in den neunziger Jahren. Dann geht er dazu über, über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu sprechen, und dass dies die „Rahmenbedingungen“ für die Exportwirtschaft verbessert. Über Energiepreise, Bürokratie und Abgabenlast spricht er nicht. Das Unausgesprochene klingt lauter als das Gesagte, wenn der Kanzler spricht.

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