Tichys Einblick
SPD

Olaf Scholz – der Kanzlerkandidat in engen Bandagen

Die linke SPD-Führung um Saskia Esken macht den Pragmatiker Olaf Scholz zu ihrem Kandidaten - doch angesichts der Vorgeschichte und der zeitgleichen Verkündung, notfalls auch einen grünen Kanzler zu unterstützen, wird klar, wer die Programmatik vorgibt.

imago Images/photothek

Während die Sozialdemokraten demoskopisch schon lange die Nase nicht mehr vorne haben, sind sie jetzt in der Sommerhitze zumindest mit dem ersten Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl vorgeprescht. Bundesfinanzminister Olaf Scholz, den das Gespann Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans – mit tatkräftiger Unterstützung des  Bundestagsaspiranten Kevin Kühnert – im Dezember 2019 als Parteivorsitzenden noch erfolgreich verhindert hatten, wurde jetzt einstimmig vom Parteivorstand zum Zugpferd der SPD ausgerufen.

Wenn die Not groß ist, scheut sich eben auch eine links tickende Partei nicht, ihren derzeit populärsten Politiker ins Rennen zu schicken. Dass Esken und Walter-Borjans noch am Wochenende vor der einstimmigen Vorstands-Kürung ihre Vorliebe für ein rot-rot-grünes Bündnis nach der Bundestagswahl formuliert hatten – notfalls sogar unter grüner Führung, so Esken – , belegt allerdings anschaulich, dass die SPD ihrem Kanzlerkandidaten programmatisch enge Bandagen anlegen will.

Trotzdem wird der nicht unerwartete SPD-Coup Konsequenzen haben:

  1. Das Machtvakuum in der Union wird noch sichtbarer. Denn weder ist klar, wer künftig die CDU als Vorsitzender führt, noch wer als gemeinsamer Kanzlerkandidat der Unionsparteien fungiert. Der Druck auf eine rasche Entscheidung wird zunehmen und damit auch die Versuche von Markus Söder durchkreuzen, die Kanzlerkandidatur ins nächste Frühjahr zu vertagen.
  1. Die Grünen werden jetzt zusätzlich unter Druck geraten, eine Frau oder einen Mann als Kandidat für das Kanzleramt zu benennen. Als demoskopisch zweitstärkste Partei lässt sich ein Verzicht darauf kaum begründen, zumal wenn eine SPD-Vorsitzende auch in eine grün-rot-rote Bundesregierung als SPD-Juniorpartner einzutreten bereit scheint.
  1. Um den Bundesfinanzminister und frisch gebackenen Kanzlerkandidaten gegen die Wirecard-Affäre zu immunisieren, rechnet man in Berlin mit einem baldigen Bauernopfer. Die Ablösung von BaFin-Chef Felix Hufeld steht unmittelbar bevor.
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