Am Dienstag warnte der WDR: „Ab einer Außentemperatur von 25 bis 30 Grad steigt unsere Körperkerntemperatur – Arzt Heinz-Wilhelm Esser empfiehlt dann: von 13 bis 18 Uhr möglichst eher drinnen bleiben.“ Einen Tag vor dem „Hitzeaktionstag“ bereitete der öffentlich-rechtliche Sender demnach die Tonlage vor. Selbstauferlegter Lockdown bei einer relativ milden Sommertemperatur von 26 Grad? Man braucht keine allzu zynischen Gedanken zu bemühen, um darauf zu kommen. Vielleicht ist auch das Lesen eines Buchs auf einer Parkbank bald bei über 25 Grad ein Akt der Rebellion.
Am selben Tag trat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vor die Bundespressekonferenz. Er kündigte die gemeinsame Erarbeitung eines nationalen „Hitzeaktionsplans” an. Zwar steht Frankreich als Vorbild Pate. Jedoch hat Lauterbach eindeutig auf die Initiatoren des deutschen Hitzeschutzprojektes verwiesen. Zu ihnen gehört Martin Herrmann. Auf der Bundespressekonferenz betonte er die Wichtigkeit des Hitzeaktionstages. „Hitzeschutz kann nur funktionieren, wenn an allen Stellen Menschen lernen die Hitzegefahren zu erkennen und aktiv werden. Der Hitzeaktionstag ruft deshalb bundesweit zu Aktionen und Informationsveranstaltungen des Gesundheitssektors auf.“
Herrmann ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). Die KLUG war es auch, die zusammen mit der Bundesärztekammer den „Hitzeaktionstag” ins Leben gerufen hat.
Keine Frage: eine überalterte Gesellschaft, wie sie Europa kennzeichnet, hat ein größeres Problem mit Hitzetoten als eine jüngere Gesellschaft. Dazu bräuchte es nicht einmal einen Klimawandel. Dass man deswegen zum Beispiel Pflegeheime mit besseren Klimaanlagen ausrüstet, oder dafür sorgt, das ältere Patienten nicht in stickigen oder aufgeheizten Räumen vegetieren, wäre ein Ansatz, der durchaus lobenswert wäre.
Doch es gibt einen faden Beigeschmack, wenn man sich auf der Webseite der KLUG genauer informiert. Denn ein Blick auf die Förderer verrät: hinter der KLUG steckt die Öko-Lobby, die schon bei der Agora-Affäre auftauchte. Namentlich die European Climate Foundation und die Mercator Stiftung tauchen dort als Förderer auf – es sind genau diese beiden Stiftungen, die auch die Agora Energiewende aus der Taufe gehoben haben und seit Jahren fördern.
Auch das Umweltbundesamt, das in der Vergangenheit sowohl in der DUH- wie auch der Agora-Affäre eine bedeutende Rolle als Geldgeber und personelles Scharnier einnahm, taucht neuerlich auf. Von 2019 bis 2022 ist es als Förderer des Vereins ausgewiesen. Auf der Webseite des Umweltbundesamtes findet sich schnell eine Verbindung zur KLUG. Von 2019 bis 2021 förderte das Amt das Projekt „Klimawandel und Gesundheit: Bildung für transformatives Handeln“ der KLUG mit einem Betrag von 115.000 Euro. Der Lobbyregistereintrag, der erst die Vergütungen ab 2022 umfasst, stellt fest, dass in diesem letzten Förderjahr noch 50.000 bis 60.001 Euro in Form einer „Verbändeförderung“ flossen. Im selben Zeitraum überwies die Deutsche Bundesstiftung Umwelt 160.000 bis 170.000 Euro.
Dass Lobbyregister behauptet, die KLUG hätte sonst keine Spenden oder Zuwendungen von Dritten über 20.000 Euro erhalten. Woher diese Sicherheit stammt, ist unklar. Denn allein die Mercator Stiftung hat für den Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis zum 30. Juni 2024 eine Fördersumme von 210.000 Euro bewilligt. Weitere 1,44 Millionen Euro stellte Mercator ab dem Jahr 2021 zur Verfügung zum Aufbau des KLUG Think Tanks „Center for Planetary Health Policy“. Von 2019 bis 2022 flossen 320.000 Euro an den im Oktober 2017 gegründeten Verein. Ab 2023 stellt Mercator weitere 750.000 Euro in Aussicht. Das sind insgesamt rund 2,7 Millionen Euro vonseiten Mercators. Die ECF-Zahlungen sind dabei nicht enthalten.
Millionenbeträge, die an ein Kooperationsprojekt von Mercator und ECF vergeben werden? Das kommt bekannt vor: Genau so war es auch bei der Gründung der Agora Energiewende.
Über die eigene Finanzierung sagt KLUG: „Die finanziellen Mittel für unsere Arbeit erhalten wir zum einen von zahlreichen privaten Spender:innen und unseren über 500 Mitgliedern, zum anderen von privaten Stiftungen und aus öffentlichen Fördermitteln.“ Der Finanzbericht zeigt dagegen: die rund 27.000 Euro Mitgliedsbeiträge spielen im Jahresbericht 2021 eine untergeordnete Rolle. Von den rund 500.000 Euro Jahreseinnahmen stammen rund 433.000 Euro aus „privaten Spenden“. Kurz: der Verein hängt am Tropf zweier Stiftungen mit klarer Agenda und an öffentlichen Geldern.
Freilich, es stimmt: die Welt der „Klimaexperten” ist klein. Und Hitzetote sind ein Problem. Doch täte es der Seriosität solcher Anliegen gut, wenn dahinter nicht immer dieselben Geldgeber stünden, die schon in der Vergangenheit eine mehr als fragliche Agenda verfolgten. Der Gedanke liegt nah, dass nach der „Energiewende” die klimatisch korrekte „Gesundheitswende” kommt – und altbekannte Rezepte wieder zum Einsatz kommen. Vielleicht denken Sie nächstes Mal daran, wenn Sie auf einer Parkbank bei 26 Grad ein Buch lesen.
Zu düster gedacht? Bleiben wir für einen Moment beim Center for Planetary Health Policy, eben jener neuer Think TANK des KLUG, für den Mercator 1,44 Millionen hingeblättert hat. Auf deren Webseite kann man lesen, wie das Gesundheitswesen Deutschlands in Zukunft aussehen soll. Das CPHP nimmt dabei Bezug auf ein im Koalitionsvertrag vorgedachtes „Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit“. Dieses soll für Kommunikation und gesundheitliche Aufklärung, für sogenannte Public-Health-Aktivitäten sowie die Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) zuständig sein – so die Ampel-Regierung.
Doch dem Think Tank geht dies offenbar nicht weit genug. Zitat:
„Ohne eine wegweisende Verfassungsänderung droht ein neues Bundesinstitut ein zahnloser Tiger ohne spürbaren Mehrwert für die Länder und Kommunen zu werden. Denn aktuell sieht das Grundgesetz für den Gesundheitsbereich vor, dass die Umsetzung von Bundesgesetzen Ländersache ist, wenn nicht konkret bestimmte Bereiche wie zum Beispiel „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren“ (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG) betroffen sind. Auch eine Berufung auf die Pflicht zur öffentlichen Fürsorge würde dem Bund keine allgemeine Zugriffsmöglichkeit auf die Ausgestaltung des Gesundheitswesens auf Länderebene geben (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, 2019).“
Der Gedanke wird nicht weiter ausformuliert, er muss aber zwingenderweise lauten: wenn das Bundesinstitut ein voller Erfolg werden will, dann müssen all diese Bremsklötze weg. Das Dogma der Denkfabrik lautet: Planetare Gesundheit. Hinter dem großen Wort steht neuerlich die große Transformation. Wieder CPHP:
„Um Gesundheit innerhalb planetarer Grenzen zu schützen und zu fördern, braucht es die natürlichen Systeme und Prozesse auf der Erde, die günstige Lebensbedingungen für menschliches Wohlergehen und Gesundheit schaffen, sowie politische, soziale und ökonomische Systeme, die Chancengerechtigkeit ermöglichen. Durch eine Transformation hin zu planetarer Gesundheit werden ökologische Belastungsgrenzen nicht mehr überschritten, während allen Menschen ein gesundes, würdevolles Leben in Sicherheit durch effektive und nachhaltige politische, soziale und ökonomische Systeme ermöglicht wird.“
Für einige Ohren klingt es wie eine Utopie; für andere wie eine Dystopie. Chancengerechtigkeit – oder doch eher eine Absenkung des Lebensstandards auf ein und dasselbe Niveau? Und ist ein „gesundes, würdevolles Leben in Sicherheit“ nicht eine Botschaft, die auch in den letzten Jahren bemüht wurde, aber die Kehrseite besaß, dass dafür Freiheitsrechte als Privilegien, ja sogar Egoismen gebrandmarkt wurden? Man könnte „Planetare Gesundheit“ auch mit dem Slogan zusammenfassen: ihr werdet nichts besitzen und gesund sein.
Auch das mag übertrieben klingen. Doch die Lockdown-Philosophie, obwohl nie offen ausgesprochen, klingt bei CPHP mit, wenn nicht die Heilung, sondern die Prävention im Vordergrund steht. Genau das aber ist ein Kernelement jenes Think Tanks, der von KLUG gegründet wurde und von Mercator finanziert wird:
„Für alle Akteure im Gesundheitswesen gilt das Prinzip des ‘Nicht-Schadens’, das im Anthropozän erweitert werden muss: Schaden an der Umwelt muss für Gesundheit vermieden und Prävention statt Krankheitsbehandlung priorisiert werden.“
Der Lockdown ist nicht weg. Er heißt jetzt nur anders. Mit einer solchen Prämisse ist im Namen des Klimas so gut wie alles erlaubt.