Deutschland hat seinen Weltmeister-Titel souverän verteidigt. Keiner der 37 Industriestaaten in der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) knöpft einem alleinstehenden Durchschnittsverdiener so viel Steuern und Abgaben ab wie der deutsche. Selbst der langjährige Spitzenreiter Belgien kann da nicht mehr mithalten. Aber das ist noch nicht einmal die wichtigste Nachricht aus der alljährlichen OECD-Studie „Taxing Wages“. In der Presseberichterstattung sind die deutschen Regierenden, die diese traurige Spitzenposition zu verantworten haben, dennoch relativ glimpflich davongekommen. Denn die konzentrierte sich eben ganz auf die Steuerbelastung für kinderlose Durchschnittsverdiener.
Viel brisanter ist die Belastung der unterdurchschnittlich verdienenden Alleinerzieher. Und das ist gerade für ein Land, dessen politmediale Klasse den Anspruch auf Solidarität und soziale Gerechtigkeit so sehr betont, blamabel.
Wer den deutschen Staat für besonders effizient oder sozial oder gerecht hält, der findet in den sehr gut aufbereiteten Online-Statistiken der OECD reichlich Gelegenheit, sich vom Gegenteil zu überzeugen. Eine Vergleichszahl gibt es da in der OECD-Statistik, die eigentlich für jeden Sozial- und Steuerpolitiker gerade der SPD oder der Linken ein dauernder Stich ins links schlagende Herz sein sollte.
Die Zahl, die die OECD für die Länder berechnet, nennt sich „Steuerkeil“. Der misst die Differenz zwischen den Arbeitskosten des Arbeitgebers und dem Nettoverdienst, der dem Arbeitnehmer bleibt, also nach Abzug aller direkten Steuern und Abgaben und zuzüglich Vergünstigungen und Transfers.
In Deutschland zahlt jene Krankenschwester oder jener Busfahrer von seinem deutlich unterdurchschnittlichen Gehalt trotzdem noch 28.1 Prozent Steuern und Abgaben. In Kanada aber zahlt er Minus 17.9 Prozent. Ja richtig: Er zahlt per Saldo gar keine Steuern und Abgaben, sondern erhält 17.9 Prozent seines Lohns obendrauf. Und da ist Kanada nicht einmal Spitzenreiter. In Neuseeland erhält er sogar 18,1 Prozent seines Lohns zusätzlich. In Australien erhält der imaginäre alleinerziehende Busfahrer zwar nichts oben drauf, muss aber auch nur läppische 1,2 Prozent Stern und Abgaben zahlen. Auch in Irland zahlt er immerhin nur
Das sind angelsächsische Staaten mit traditionell wenig ausgebautem Sozialstaat und vergleichsweise niedrigen Zahlungen für Arbeitslose. Aber auch im EU-Mitgliedsland Irland zahlt der alleinerziehende Geringverdiener nur 1,3 Prozent, also so gut wie gar nichts. Und ausgerechnet im von Konservativen (unter deutschen Linken gar nicht geschätzten) EU-Mitgliedsland Polen zahlt ein nur zwei Drittel vom Durchschnitt verdienender Alleinerziehender mit zwei Kindern unterm Strich keine Steuern und Abgaben, sondern erhält einen Zuschuss von 3,4 Prozent seines Bruttolohns. Was soziale Gerechtigkeit betrifft muss sich die PiS-Regierung in Warschau wahrlich nichts von deutschen Sozialdemokraten vormachen lassen.
In der Schweiz zahlt derselbe gering verdienende Alleinerzieher zweier Kinder auch nur nur 4,4 Prozent, in Großbritannien 9,2. In Frankreich, oft als besonders steuerfreundlich für Eltern angesehen, sind es immerhin schon 17,3 Prozent – immerhin noch sehr viel weniger als ein Vergleichsfall in Deutschland
Bei solchen Zahlen wundert man sich nicht mehr, warum in Deutschland einerseits so wenige Kinder geboren werden und andererseits für viele Menschen in prekären Verhältnissen die Attraktivität von Hartz-IV-finanzierter Arbeitslosigkeit deutlich größer sein kann als die eines gering bezahlten Jobs.
Das steuergünstigste OECD-Land ist übrigens Chile (Den Sonderfall Kolumbien mit seiner Null-Besteuerung für Alleinstehende wollen wir außer Acht lassen, da dort andere Zahlungen für Versicherungen verpflichtend sind, die die Vergleichbarkeit verhindern). In Chile jedenfalls macht es allerdings kaum einen Unterschied für den Steuerkeil, wie viel man verdient, oder ob man Kinder hat. Die Belastung variiert in dem südamerikanischen Land nur zwischen 6,1 Prozent für den alleinerziehenden Geringverdiener mit zwei Kindern und 8,3 Prozent für den kinderlosen Besserverdiener (167 Prozent des Landesdurchschnitts).