Die Justiz des Freistaates Bayern hatte lange einen sehr guten Ruf. Hatte? Mittlerweile beschleicht immer mehr Freistaatler der Verdacht, dass diese Justiz politisch besonders korrekt und auf Linie sein will. Zumindest in einzelnen Gerichten und Staatsanwaltschaften. Zum Beispiel fällt das Amtsgericht Bamberg auf. Eine Richterin namens Monika Englich ordnet dort Hausdurchsuchungen an, weil jemand etwas in Richtung „Hass und Hetze“, „rächts“ und so gepostet hat. TE hat aktuell davon berichtet.
Bei TE am 13. November ging es um die Hausdurchsuchung bei einem Unterfranken, der ein Meme weiterverbreitete, in dem die bekannte Shampoo-Werbung der Fa. Schwarzkopf mit dem Konterfei von Robert Habeck in Verbindung gebracht und „Schwarzkopf“ in Wort und Bild mit „Schwachkopf“ assoziiert war. Anordnende Richterin: Monika Englich (Amtsgericht Bamberg).
Bei TE am 18. November ging es um die Hausdurchsuchung ebenfalls eines Unterfranken, der die Aussage von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), AfD bedeute „Albtraum für Deutschland“, mit den angeblich verbotenen drei Wörtern toppte: AfD heiße „Alles für Deutschland“. Anordnende Richterin: Monika Englich (Amtsgericht Bamberg).
Am 7. November berichtete NIUS von einer Hausdurchsuchung in Würzburg – in Abwesenheit der Bewohnerin. Handy und Laptop ihres Sohnes wurden beschlagnahmt. Angeordnet vom Amtsgericht Würzburg (zugehörig zum Gerichtsbezirk des Oberlandesgerichts Bamberg). Der Grund: Ein von der Frau geteiltes satirisches Bild, das amtlich als üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens gewertet wurde. Es ging namentlich um Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner, Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck. Gepostet hatte die Frau zugespitzte und nicht ganz 1:1 wiedergegebene Zitate. So wurde etwa Baerbock mit den Worten zitiert: „Egal was die Wähler wollen, auch wenn sie auf die Straße gehen und kein Geld mehr haben, wir stehen zur Ukraine.“ Diese Aussage bezieht sich auf eine tatsächliche Rede Baerbocks in Prag, in der sie sagte: „Egal, was meine deutschen Wähler denken, aber ich will den Menschen in der Ukraine liefern.“
Staatsanwaltschaft und Amtsgericht Würzburg sahen in der Verbreitung des Memes eine mögliche Straftat. Der Durchsuchungsbeschluss stützte sich auf die Begründung, dass die Falschzitate geeignet seien, „das politische Wirken der Geschädigten erheblich zu erschweren und sie in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen“. Trotz anfänglicher Überlegungen, den Fall vor Gericht zu bringen, akzeptierte die Frau letztlich eine Geldstrafe von 900 Euro. Ihr Anwalt riet ihr dazu, da der Staatsanwalt offenbar ein Exempel statuieren wollte: „Selbst wenn wir vor Gericht gewinnen, könnte es unangenehm werden.“
Woher die bayerische, insbesondere die nordbayerische Justiz all das weiß? Vielleicht demnächst noch verstärkt über den „trusted flagger“ „REspect!“– ein Denunziationsportal, das mittlerweile von der Bundesnetzagentur (untersteht dem mit über 800 Beleidigungsanzeigen führenden Wirtschaftsminister Habeck) staatlich empfohlen wird. Zumindest sind „REspect!“-Plakate mittlerweile in den Gerichtsgebäuden bayerischer Gerichte angebracht. TE hat am 13. Oktober darüber berichtet.
Söder versus Gerald Grosz
Söder ist nicht Habeck, Söder ist nicht Baerbock (beide: „grün“). Deshalb rangiert der bayerische CSU-Ministerpräsident im Anzeige-Ranking (noch?) nicht oben. Aber spaßen lässt er mit sich nicht. Vor allem den österreichischen Ex-FPÖ-Politiker Gerald Grosz hat er im Visier. Grosz hatte beim politischen Aschermittwoch der AfD am 22. Februar 2023 im niederbayerischen Osterhofen Söder „Södolf“, „Corona-Autokrat“ und „Landesverräter“ genannt: Die Staatsanwaltschaft Deggendorf ermittelte dann auf Antrag Söders vom 9. März 2023 gegen Grosz wegen Beleidigung. Das Amtsgericht Deggendorf hat Grosz schließlich in erster Instanz am 8. April 2024 zu einer Geldzahlung von 90 Tagessätzen zu je 165 Euro (insgesamt also 14.850 Euro) verurteilt. Zuvor hatte Grosz einen Strafbefehl über 36.000 Euro erhalten, gegen den er Einspruch eingelegt hatte. Auch gegen das Gerichtsurteil ging er in Berufung. Grosz hatte seine Äußerung vor Gericht als Satire bezeichnet.
Nach Eingang des Strafbefehls sagte Grosz in einer österreichischen Fernsehsendung über Söder: „Ich leg noch einmal 36.000 Euro drauf und sag noch einmal, dass es der größte Trottel ist, der mir je in meinem ganzen Leben begegnet ist.“ Das wiederum und der nahende „Politische Stammtisch“ vom 2. September 2024 dürften der Anlass gewesen sein, dass Söders Staatskanzlei wegen des Vorwurfs der Beleidigung Strafantrag bei der Generalstaatsanwaltschaft München am 26. August 2024 gegen Gerald Grosz stellte. „Das stinkt nach vorauseilendem Gehorsam oder gar einer Weisung und unerlaubter Einflussnahme auf die Justiz“, teilte Grosz daraufhin mit. Beim „Politischen Stammtisch“ beim Gillamooser Volksfest am 2. September 2024 sagte Grosz dann bei der AfD-Veranstaltung über Söder: „Ich glaube mittlerweile, dass es sich um eine besonders obsessive Leidenschaft handelt, die der Söder mit mir verbindet. Ich glaube, der steht auf mich.“ Und: „An dieser Stelle richte ich aus: Ich stehe nicht auf ältere, ausgefressene Herren.“
Nun ja: Man muss solche Sätze nicht teilen, und sie sind auch nicht für jedermann ein Schenkelklopfer. Aber bislang galt auch juristisch der Grundsatz: Je prominenter jemand ist, desto mehr muss er auch an Kritik aushalten.
TE jedenfalls wiederholt eine Lehre aus der Geschichte: Nichts fürchten Autokraten mehr, als wenn man ihnen widerspricht oder sie lächerlich macht. Besonders bedenklich wird es, wenn in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat im Geltungsbereich eines Grundgesetzes mit Artikel 5 (Meinungs- und Zensurfreiheit) die Justiz all zu brav auf der Seite der Regierenden steht.