Tichys Einblick
Gewöhnung an Massenzuwanderung

Obergrenze: Wie eine Zumutung zur Norm wird

Jetzt haben wir es sogar amtlich: Bei der Zuwanderung wird die „rechtsstaatliche Ordnung der Bundesrepublik  außer Kraft gesetzt“. Bei der Sondierung spielt das keine Rolle - SPD will noch mehr Migranten.

© Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Merkeldämmerung nun auch beim Spiegel? Zwar hat man in Hamburg „Die Story“ links liegen lassen, hat in der aktuellen Ausgabe exklusiv zur Verfügung stehende Papiere, den Willen des EU-Parlaments, Deutschland zum dauerhaften HotSpot der Zuwanderung zu machen, schamvoll auf einer Drittelseite verwurstet, aber nun tippt der stellvertretende Chefredakteur Dirk Kurbjuweit in einem Morgengruß Folgendes in die Tasten:

„Nehmen wir einmal den Prototypen des vernünftigen, pragmatischen Bürgers, nicht voreingenommen, nicht ideologisch. Er ist prinzipiell bereit, mit Merkel mitzugehen, in die eine wie in die andere Richtung. Aber er will gute Argumente hören, will widersprechen können, will überzeugt werden. Dieser Bürger, es gibt viele davon, wird komplett im Stich gelassen von der Bundeskanzlerin.“

Eigentlich ja eine passende Umschreibung, die erklärt, warum trotz der Lage im Land immer noch annähernd die Hälfte der Bürger bereit wären, den GroKo-Parteien ihre Stimme zu geben, aber doch schon wahrnehmend, dass diese Zustimmung keine ungebrochene mehr ist. Und selbst im Refugee-SPIEGEL wächst ein Unbehagen ob der Wirklichkeitsferne.

Spiegel-Pegel Null
DER SPIEGEL Nr. 3: EU-Parlament will Zuwanderung nach Deutschland ausweiten
Denn der selbe Dirk Kurbjuweit titelt heute „Eine verdächtige Zahl von Flüchtlingen“, meint damit aber noch nicht die EU-Parlamentsempfehlung an den Rat, sondern bezieht sich auf die Pressekonferenz, die der Innenminister Thomas de Maizière für heute anberaumt hat und auf der er laut Spiegel wahrscheinlich für 2017 eine Zahl von 220.000 Zuwanderern angeben wird. – „Nur“ das bedeutet eine Zuwanderung von der Größenordnung aller Bewohner Kassels; im kommenden Jahr von Oberhausen, 2020 von Mainz. Die Frage ist nur: Wer baut diese Städte? Die Schulen? Krankenhäuser? Straßen? Wohnungen? Aber wir haben uns ja irgendwie an diese Zahl gewöhnt; sie wurde so lange als „Obergrenze“, „atmender Deckel“ und Begrenzung verkauft, bis sie sich als Normalfall in den Köpfen festgebrannt hat. Und jetzt gilt sie laut Sondierungsvertrag als Dauerzustand, der sich halt fortschreibt. Eine Zumutung an die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft wird zur Norm erhoben, und Normen werden bekanntlich immer weiter ausgedehnt.

Und siehe da, es ist eine Zahl, die verdächtig nah an der in der Sondierungsvereinbarung genannten Obergrenze läge. Eine Zahl, muss man anfügen, die aus SPD-Sicht gar keine Vorgabe ist, sondern wohl nur so etwas wie eine Bestandsaufnahme der letzten Jahrzehnte ohne Bedeutung für die Zukunft. Es können auch mehr sein. Gerne. Wie auch, könnte man fragen, angesichts besagter Pläne des EU-Parlaments für eine neue Massenzuwanderung nach Deutschland.

Die SPD in Gestalt ihres größten Zuwanderungsbefürworters Ralf Stegner spricht jetzt sogar von einer „Intrige der CSU“, bestimmte Punkte zur Zuwanderungsbegrenzung seien „definitiv vorher nie verhandelt“ worden. Ursprünglich hätte man sich verständigt, Asylsuchende künftig „in zentralen Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen“ unterzubringen. In einer frühen Fassung des 26 Seiten umfassenden Sondierungspapiers hieß es nämlich noch, es solle „Residenzpflicht“ herrschen und das „Sachleistungsprinzip“ gelten. Der Spiegel erklärt, das bedeute: „Flüchtlinge sollen kein Bargeld erhalten und das Aufnahmezentrum nicht verlassen dürfen.“

Also eine Rückkehr hin zu den jahrzehntelang geltenden konsequenten Vorgehensweisen bei Zuwanderung und Asyl. Pikanterweise wurde das Sondierungspapier auf dem Laptop des CSU-Generalsekretärs Scheuer geschrieben, so als wäre man in den Sondierungen nicht einmal in der Lage gewesen, dafür einen neutralen Rechner zu beschaffen. Schriftführer Scheuer mag es recht gewesen sein.

Eine Unglaublichkeit nach der anderen
Zuwanderung, Chaos oder Irreführung
Andererseits will man auch nicht glauben, dass bei der Schlussfreigabe ausgerechnet die SPD bei den paar Zeilen zur Zuwanderung gepennt hätte. Stegner spricht jetzt aufgebracht von einer „Methode Scheuer.“ Also nicht unbedingt ideale Bedingungen für die Zusammenarbeit in einer kaum noch großen Koalition. Und die Erkenntnis: Es geht hier offensichtlich nur noch um Worte für das Protokoll. Um den Willen, Verantwortung später, wenn nach ihr gefragt werden wird, nicht mehr identifizieren zu können bzw. der Union zuzuschanzen. Die SPD weiß also heute schon in Gestalt von Ralf Stegner, wo die ärgsten Lippenbekenntnisse verortet sind. Wo man bereits weiß, dass eine zweite Massenzuwanderungswelle unmittelbar bevorsteht?

Dazu passt dann auch ein Papier des Ministeriums der Justiz aus Rheinlandpfalz, „Landesrecht Online“, dass jetzt erst viral wurde, das vom OLG Koblenz 1. Senat für Familiensachen stammt mit Entscheidungsdatum 14.02.2017. Dort nämlich heißt es zum Thema unerlaubte und strafbare Einreise in die Bundesrepublik Deutschland: „Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt und die illegale Einreise ins Bundesgebiet wird momentan de facto nicht mehr strafrechtlich verfolgt.“

GroKo-Sondierung
Massenzuwanderung durch Narrativ-Korrektur
Wie noch mal befand der stellvertretende Spiegel Chefredakteur über „den Prototypen des vernünftigen, pragmatischen Bürgers“? Der werde „komplett im Stich gelassen von der Bundeskanzlerin.“ So allerdings, und dass unterlässt Dirk Kurbjuweit noch, wäre zu prognostizieren, dass sich der Bürger abwendet nicht nur von der Kanzlerin, sondern gleich vom größten Teil dieses Politikbetriebes. Eine Katastrophe für die Demokratie sagen die einen, von einem Reinigungsprozess sprechen andere. Dass wird zwar noch nicht morgen passieren, nur weil die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik außer Kraft gesetzt wird, es passiert, wenn die Folgen dieser Außerkraftsetzung mit Verzögerung beim heute noch mehrheitlich gut situierten Bürger angekommen sind: steigende Zuwanderungskriminalität, akuter Wohnungsmangel, explodierende Versorgungskosten für Zuwanderer usw. und final dann der Abbau des Wohlstands und der gegenwärtigen deutschen Wirtschaftskraft.

Mit sehr viel, wahrscheinlich mit zu viel gutem Willen, könnte man den GroKo Sondierungszankereien zu Gute halten, dass die Teilnehmer der Sondierungsgespräche ahnten, was für Aufgaben auf sie zu kommen und wie der Bürger das zukünftig bewerten wird. Erwartbar darf sein, dass es in der Geschichte der Bundesrepublik noch keine Regierung geschafft haben wird, so wenig Zustimmung in der Bevölkerung hinter sich zu vereinen. In den jüngsten Umfragen liegt die SPD bei 18,5 Prozent. Ob Umfragen etwas aussagen, kann bezweifelt werden. Wenn sie nur eine Richtung kennen, nämlich nach unten, bedeuten sie schon was.

Die mobile Version verlassen