NRW-Innenminister Reul: Identifizierte antisemitische Demonstranten sind arabischstämmig
Ferdinand Knauss
Die Landtagsfraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD, die gemeinsam eine aktuelle Stunde beantragt hatten, gingen offenbar von wirklichkeitsfernen Annahmen über die Herkunft des hier offenbarten Antisemitismus aus.
Seit Beginn des Raketenterrors gegen Israel in der vergangenen Woche haben die Polizeibehörden allein in Nordrhein-Westfalen insgesamt 62 Vorfälle mit antisemitischem oder antiisraelischem Bezug gemeldet. Das sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag in einer Sondersitzung des Innenausschusses des Landtags, wie die Welt berichtet. Dabei seien 111 Tatverdächtige erfasst und 36 von ihnen namentlich identifiziert worden. Sie alle sind laut Ministerium arabischstämmig und teilweise in Deutschland geboren, sodass sie die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Bei sieben Verdächtigen lagen demnach „staatsschutzrelevante Informationen“ vor.
„Das zeigt, der Rechtsstaat kümmert sich“, behauptete Reul. Zustimmen kann man ihm dabei wohl nur, wenn man die Beobachtung als solche schon mit Kümmern gleichsetzt.
Die Information des Ministers zeigt aber vor allem etwas anderes, nämlich dass die Landtagsfraktionen von CDU, FDP, Grünen und SPD, die gemeinsam eine aktuelle Stunde beantragt hatten, die unmittelbar nach der Ausschusssitzung auch stattfand, von wirklichkeitsfernen Annahmen über die Herkunft des hier offenbarten Antisemitismus ausgehen. In dem Antrag „NRW gegen Antisemitismus! Wir schützen jüdisches Leben und stehen solidarisch an der Seite von Jüdinnen und Juden“ war nämlich von der anhand der zahlreichen sichtbaren Flaggen arabischer Staaten durchaus vermutbaren arabischen Herkunft der Demonstranten kein Wort zu lesen. Stattdessen zitierte man die Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit der These eines Auftriebs für Verschwörungsmythen und der vermeintlichen Suche nach „Sündenböcken“ im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Peinlicher noch ist allerdings, dass dieser Antrag zwar am selben Tag, nämlich dem 17. Mai, aber laut Registriernummer erst nach einem Antrag der AfD-Fraktion einging. Dieser trägt den Titel „Antisemitismus hat keinen Platz in NRW – Der Landtag NRW steht fest an der Seite Israels und unserer jüdischen Mitbürger in NRW“. So dass der Antrag der vier anderen Parteien (die Linke ist im Landtag nicht vertreten) in der Tagesordnung des Landtags nun an zweiter Stelle steht – und ein Sprecher der AfD den ersten Redebeitrag liefern konnte.
Die Vermutung liegt nahe, dass den Landtagsabgeordneten der vier Parteien also erst nach Bekanntwerden des AfD-Antrags die Angemessenheit einer aktuellen Stunde klar wurde. Nach dem AfD-Antrag hat man dann womöglich schnell einen eigenen zusammengestellt. Und der kommt zwar ohne jeden Verdacht der arabischen Herkunft der antisemitischen Demonstranten aus, aber nicht ohne einen Seitenhieb auf die AfD. So heißt es in dem Vier-Parteien-Antrag: „Auch in diesem Landtag beziehen die demokratischen Parteien immer wieder unmissverständlich Stellung gegen jede Art von Antisemitismus. Bei anderen klafft jedoch wohl eine genauso bedenkliche wie deutliche Lücke zwischen pro-jüdischen Statements der Parteispitze und der Meinung vieler Mitglieder“. Zum Beleg ist ein Presse-Beitrag angegeben.
Eher unüblich ist auch, dass eine Sondersitzung eines Ausschusses unmittelbar vor einer aktuellen Stunde im Plenum zum selben Thema stattfindet. Diese Sitzung, auf der Innenminister Reul die oben erwähnten Angaben machte, war von den Koalitionsparteien CDU und FDP gemeinsam beantragt worden – die Einladung dazu erfolgte erst am 18. Mai, also nach den beiden Anträgen für eine aktuelle Stunde. Auch hier bleibt der Verdacht, dass man den öffentlichen Eindruck vermeiden wollte, die Regierungsparteien hätten der AfD bei dem Thema die Initiative überlassen.
Anzeige
Wenn Ihnen unser Artikel gefallen hat: Unterstützen Sie diese Form des Journalismus. Unterstützen