Symbole bewegen die Menschen, können den Strom der Zeit beeinflussen. Symbole sind Darstellungen mit einem Bedeutungshintergrund, der von vielen Menschen verstanden – und gefühlt wird; es sind Botschaften, die meist auch ohne Worte und Schriftstücke auskommen und schon gar keine Paragraphen brauchen.
Symbole sind auch weit mehr als Bilder; in der Mediengesellschaft verwehen Bilder. Wir sind ja geradezu abgefüllt bis in die letzte Hirnzelle mit Fotos und Videos, unsere Handys sind riesige Bibliotheken mit der Kamera festgehaltener Ereignisse; unsere Bildschirme ein wahrer Bildersturm.
Aber sie sind bedeutungslos. So bedeutungslos wie irgendein Schnappschuss vom Urlaub oder Weihnachten des vergangenen Jahres, der vielleicht noch ein paar Jahre in der Cloud sein elektronisches Schattenleben führt, ehe er verdämmert wie alles Elektronische, das für den Augenblick wichtig erscheint und schnell seine Energie verdudelt.
Wir sind augenübersättigt.
Wirken also die Bilder von der Wiedereröffnung von Notre-Dame de Paris?
Vergleichen wir sie mit den Videos von der Eröffnung der Olympischen Spiele. Was haben wir uns alle aufgeregt über die zunächst gewollte und dann bestrittene Darstellung des Letzten Abendmahls als Orgie einer woken Transvestiten-Anbetung.
Aber ehrlich: Haben sich diese Bilder eingebrannt? Nicht wirklich.
Brennt sich ein, wie der Bischofsstab dreimal an die Pforte schlägt und sie dann geöffnet wird? Oder bringen diese Bilder und Töne zusammen mit den Fanfaren der Orgel, die dem Pochen antwortet, bringen Bachs Klänge und das Ave Maria von Vianney und das „Amazing Grace“ der südafrikanischen Sopranistin Pretty Yende nicht doch tiefere Schichten in uns zum Schwingen, die sonst überlagert werden vom Lärm des elektronischen Alltags?
Vielleicht. Oder vielleicht ist es noch mehr eine Art Erwachen und Erkenntnis, dass man die eigene Kultur nicht wegwerfen kann, für die jeder Stein der Kathedrale steht?
Ängstlich verschwiegen wird die Brandursache. Es soll die weggeworfene Zigarette eines Arbeiters im Dachstuhl gewesen sein, der die betonharten Eichenbohlen entzündet hat. Und das in Frankreich, das Land, in dem jedes Jahr 1000 Kirchen geschändet und Menschen aus Hass auf diese Kultur erstochen oder enthauptet werden.
Auch diese Frage schwingt mit und findet ihre Antwort.
Aber die Kathedrale wurde wiedererrichtet und strahlt in einer Schönheit, die Jahrhunderte lang unter Dreck oder auch Patina der Zeitläufte verborgen war.
Die Kathedrale steht wieder und strahlt.
Symbole sind menschengemacht.
Emmanuel Macron hat auf die Eröffnung gehofft als Symbol seiner eigenen Wiederauferstehung, nachdem ihm Mehrheit und Regierung abhandengekommen sind.
Der symbolhafte Plan ging daneben.
Das Interesse hat sich auf Donald Trump gerichtet.
Der war nicht der geladene Gast, sondern hat sich durch Gesten die Eröffnungszeremonie angeeignet. Er hat den Gastgeber geschüttelt wie eine Vogelscheuche und die vogelbeinig nebenherstaksende „Gattin“ des Präsidenten überhöhte das so zum Symbol einer untergehenden, woken Travestie.
Macht vermittelt sich durch Symbole. Statt eine rote trug er eine gelbe Krawatte; zusammen mit dem weißen Hemd die offiziellen Farben des Vatikans. Das war ein augenfälliger Kontrast zum Fehlen dieser Farben und dem Versuch des laizistischen Frankreichs, zwar eine Kathedrale aufzubauen, sie dann aber doch nur als Konzertsaal für zeitgeistig verpoppte Songs zu interpretieren. Trump brachte eine größere Botschaft mit. Trump versucht sich seinerseits als Symbol eines wiedererstarkten Amerikas zu geben, das die Fehler der letzten Jahrzehnte abschüttelt, sich auf seine Bürger und ihre ungeheure Leistungsfähigkeit besinnt.
Und gleichzeitig tritt er wieder als Anführer der freien Welt auf.
Mehr als symbolisch ist: Der große Nachbar Deutschland war nicht sichtbar. Dabei beruht doch angeblich die EU auf der deutsch-fanzösischen Freundschaft. Diese Idee wurde immer wieder auf den Stufen von Kathedralen inszeniert und mit Handschlag besiegelt.
Der kleine Kanzler ohne Mehrheit war nicht zu sehen bei dem Gespräch zwischen Macron, Selenskyj und Donald Trump; die Frage nach weiter Krieg oder doch einem Weg zu Frieden wird ohne die Deutschen verhandelt. Die dürfen zahlen, was andere beschließen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war anwesend, aber wer nimmt noch den Präsidenten eines Landes wahr, das sich gerade mit aller Entschiedenheit selbst verzwergt?
So ist die Eröffnung von Notre-Dame auch eine politische Botschaft. Europa als christliches Abendland verstanden bräuchte die Kraft auch zur politischen Erneuerung. In Brüssel, Paris, und Berlin.