Tichys Einblick
Feinstaub allerwege

Norderstedts Grüne gegen Osterfeuer

Die Luftbelastung ist am Ostersamstag und über die Feiertage insbesondere durch Feinstaub, hohe CO2 Emissionen und Giftstoffe, die bei der Verbrennung entstehen, deutlich erhöht. Selbst für den Laien ist dies mit allen Sinnen zu spüren, zu riechen zu schmecken und zu sehen.

Christopher Murray/Getty Images

»Das Ordnungsamt und beteiligte Fachabteilungen werden gebeten, in diesem Jahr die Genehmigungen für private Osterfeuer auf eigenem Gartengelände nicht mehr zu erteilen.«

Das schreiben die Grünen in der Stadtvertretung Norderstedts in ihrem Antrag für den Umweltausschuss. Denn in Norderstedt sterben die Menschen wohl tausend vorzeitige Tode. Das Ordnungsamt genehmigte dort pro Jahr 180 private Osterfeuer. Zu gefährlich, meinen die Grünen und wollen sie verbieten.

»Osterfeuer sind«, wie wiederum die Stadt Osnabrück feststelle, »ein schöner Ausklang rund um Ostern. Die Durchführung der Osterfeuer ist nur unter ganz bestimmten Bedingungen und Auflagen auf Antrag für Ostersonntag oder Ostermontag erlaubt, wenn diese einen öffentlichen Charakter haben. Es muss öffentlich zugänglich sein, es darf lediglich Gehölz- und Strauchschnitt aufgeschichtet sein.«

Doch Norderstedts Grüne bekämpfen die allgegenwärtigen Feinde Feinstaub, NO2 und was es halt sonst so alles gibt, und begründen ihren Antrag im Umweltausschuss:

»Die Luftbelastung ist am Ostersamstag und über die Feiertage insbesondere durch Feinstaub, hohe CO2 Emissionen und Giftstoffe, die bei der Verbrennung entstehen, deutlich erhöht. Selbst für den Laien ist dies mit allen Sinnen zu spüren, zu riechen zu schmecken und zu sehen. Die Atemluft führt zu starken Reizungen. Kinder und ältere Bürger*innen sind von diesen Gesundheitsgefahren besonders betroffen. Es ist die Pflicht, dass die Verantwortlichen der Stadt (Politik und Verwaltung) gemeinsam die Gesundheit der Norderstedter Bevölkerung in den Fokus rücken und umgehend mutig Maßnahmen ergreifen. Gerade bei den derzeitig kontroversen Grenzwertdiskussionen dürfen wir uns nicht dazu verführen lassen, abzuwarten und die massiven Problemlagen zu ignorieren.«

Als Quelle für die »massive Problemlage« dient ausgerechnet ein Spiegel-Artikel »Gefährlicher Feinstaub«. Himmel, da war Relotius noch in Amt und Würden.
Außerdem bringen die Grünen ein »Forschungsprojekt 89213 UBA-FB 002593« ins Spiel. Darin führt eine ökokorrekte »INTECUS GmbH Abfallwirtschaft und umweltintegratives Management« eine wohldotierte »Erhebung der Größen und Zusammensetzung von Brauchtums- und Lagerfeuern durch kommunale Befragungen« durch und befragte dazu tatsächlich Gemeinden zu ihren »Brauchtums- und Lagerfeueraktivitäten« – deutschlandweit.

Jörg Wagner und Sonja Steinmetzer vom »umweltintegrativen Management« kamen darin auf das erschreckende Ergebnis: »Aufgrund von großen Schwankungen der Angaben liegt das geschätzte Volumen für Brauchtums- und Lagerfeuer deutschlandweit zwischen 1.910.050 m3 und 7.636.340 m3, die geschätzte Anzahl zwischen 103.024 und 316.459 Feuern. Insgesamt wird eine Masse von ca. 400.000 t verbrannt.« Verblüffend: »Als Brennmaterial wird überwiegend Baum-/ Strauchschnitt sowie Altholz eingesetzt.«

»Die Größe und Anzahl der Feuer in den letzten 20 Jahren bewerten die Gemeinden auf vergleichbarem Niveau mit leicht sinkender Tendenz.«

Erfreulich, dass rein mathematisch gesehen Hopfen und Malz in Deutschland noch nicht ganz verloren sind. Jörg Wagner und Sonja Steinmetzer rechnen die Lagerfeuer hoch auf Deutschlands Einwohner und benutzen dabei FORMELN!

Sie geben als Abkürzung für Einheiten vor: »h = Höhe«, »kg = Kilogramm«, »m3 = Kubikmeter«, »R = Radius der Grundfläche eines Kegelstumpfes«, »r = Radius der Deckfläche eines Kegelstumpfes«.

Das muss ja mal gesagt werden, weiß heute nicht mehr jeder. Das Volumen der Feuer (Grillfeuer übrigens ausgenommen) wurde anschließend in m3/5.000 Einwohner umgerechnet. Ein Volumen von 57,6 m3 entspricht laut Wagner und Steinmetzer einem Kegelstumpf von rund 5,8 Metern bei einer Höhe von 3 Metern.

Ihr erschreckendes Ergebnis: »Bei knapp 54.000 Brauchtumsfeuern ergeben sich im Mittel ca. fünf Feuer pro Jahr und Gemeinde bzw. ein Feuer pro 1.500 Einwohner.
Sie müssen aber einschränken: »Es gibt nur wenige Untersuchungen, welche zur Plausibilitätsprüfung herangezogen werden können.« Auf Deutsch: Solche Verrücktheiten gibt es noch nicht lange.

Dann versuchen sich „der Jörg und die Sonja“ an einer Berechnung der Masse und treffen dazu sorgfältig Annahmen:

»Das Haufwerk besteht zu 25% aus Luft, 50 % aus Strauchschnitt und 25% aus Holz/Baumschnitt

Berechnet mit den jeweiligen Anteilen ergibt sich eine Rohdichte von 543,2 kg/m3 für den Anteil Holz/Baumschnitt. Mit den jeweiligen Anteilen lässt sich eine Brennstoffdichte von 210,8 kg/m3 ermitteln.«

Fazit von Jörg und Sonja: »Die Auswertung ergab, dass die Größe der Gemeinde Einfluss auf die Aktivität der Brauchtums- und Lagerfeueraktivitäten hat. In kleineren Gemeinden wird bezogen auf die Einwohnerzahl am meisten verbrannt.«

»Aus den Antworten zur Entwicklung der Feuer lässt sich ableiten, dass öffentliche, große Feuer im Freien auch zukünftig Bestandteil des Brauchtums sein werden, wenn auch mit leicht sinkender Tendenz. Rückläufige Tendenzen bei der Brauchtumspflege zu bestimmten Anlässen wie Osterfeuern oder ähnlichen werden offenbar durch Feuer mit kommerziellem Charakter im Rahmen von Events ausgeglichen.«

Schön also, dass sich jetzt die Grünen Norderstedts dieses Umweltfrevels angenommen haben und sie in ihrer Stadt verbieten wollen.

Altes Framing. Neues Framing: Die Bürger der Stadt vor sich selbst, nein, nochmal: Die Gesundheit der Bürger der Stadt schützen wollen.

Sie haben allerdings nicht den Hinweis von Jörg Wagner und Sonja Steinmetzer vom »umweltintegrativen Management« am Ende der Studie gelesen: »Die Befragung dient nicht dazu, derartige Feuer zu verbieten oder einzugrenzen.«

Und was passiert, wenn die Grünen Norderstedts mitbekommen sollten, dass jetzt auch verbrannte Toastscheiben die Luft mehr als Autos verpesten? Das wollen US-Forscher auf der Suche nach neuen Geldern für ihre »Forschungs«-arbeiten herausgefunden haben.

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