Zusammen 1,75 Millionen Dollar: So viel Geld hat die Plattform Correctiv in den Jahren 2018 und 2020 von der Stiftung Luminate erhalten. Das geht aus dem Zahlungsregister hervor. Luminate gibt als Verwendungszweck an: „Um Correctiv zu unterstützen, eine gemeinnützige Organisation in Deutschland, die Ungerechtigkeiten und Machtmissbrauch untersucht und Bildungsprogramme zu Journalismus und Medienkompetenz unterhält.“
Correctiv selbst bestätigt dieses Narrativ. Man „fremdle“ mit der Macht, heißt es im Redaktionsstatut. Vielsagend ist, dass Correctiv bis heute kaum als regierungskritisches Portal aufgefallen ist, das die vorhergehende Große Koalition oder die jetzige Ampel-Koalition in Bedrängnis gebracht hätte.
Vielmehr hat Correctiv es sich zum Ziel gemacht, „Behauptungen“ in den sozialen Medien zu widerlegen, aber nicht etwa die Regierungsarbeit kritisch zu hinterfragen – so fertigte das Portal eine Liste von „Behauptungen“ zur Bundestagswahl 2021 an, fragte jedoch nicht kritisch nach, ob möglicherweise in Berlin bei der Wahl etwas falsch gelaufen sein könnte. Auch in der Corona-Zeit ging es vornehmlich darum, „Behauptungen“ zu widerlegen und nicht etwa das Handeln der Regierung infrage zu stellen.
Correctiv hat damit aus der Hand von Luminate so viel Geld erhalten wie von keinem anderen Einzelspender in den Jahren 2020 bis 2023. Aber Correctiv ist nicht das einzige von der Luminate Group mitfinanzierte deutsche Projekt. Auch die Stiftung Neue Verantwortung (SNV) erhielt reichlich Unterstützung: rund 3 Millionen US-Dollar. Die Denkfabrik setzt sich nach eigener Angabe für mehr digitale Grundrechte ein, etwa mehr Kontrolle über den Bundesnachrichtendienst. Aber die SNV ist auch bekannt dafür, „Fake News“ aufzudecken. In einem Beitrag zum Wahlkampf 2017 stellte SNV fest: „Fake News, so wie sich das Phänomen in Deutschland empirisch darstellt, werden vor allem von Rechten, Rechtspopulist:innen und Rechtsextremen verbreitet.“
Die Stoßrichtung ähnelt dem Correctiv-Modell. SNV geht aber noch einen Schritt weiter. Während der Digital Services Act der Europäischen Union bei den Verteidigern von Grundrechten im Digitalbereich die Alarmglocken klingen lässt, kann die SNV dem EU-Paket Positives abringen: SNV-Projektleiter Julian Jaursch etwa „zeigt mögliche Stärken und Schwächen auf und unterstreicht die Bedeutung einer starken, unabhängigen Aufsicht“. In einem Interview mit Belltower, das die Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht hat, ist auch nicht etwa die Aufsicht durch den Staat die Bedrohung, sondern jene Plattformen, die „hate speech“ und Diskriminierung betreiben. Das staatlich kontrollierte und regulierte Netz als Ziel der digitalen Avantgarde?
Noch eine dritte Organisation unterstützt die Luminate Group, und wieder hat sie ein ähnliches Profil: Open Knowledge Foundation Germany. An sie gingen 1,3 Millionen Dollar. Bekanntestes Kind dieses Projekts: FragDenStaat.
Correctiv ist als deutsches Projekt bekannt. Weniger bekannt sind hierzulande die internationalen Zwillinge: etwa Africa Check. Bereits die Wortkombination erinnert an die hierzulande berüchtigten Faktenchecks. Luminate überwies Africa Check rund 2,17 Millionen Dollar zwischen 2014 und 2020. Das Projekt ist in Südafrika beheimatet und läuft seit 11 Jahren. Das Modell, klar: „Behauptungen“ in den Medien werden geprüft und widerlegt.
Auch in Südamerika hat das Konzept einen Ableger: Chequeado. Es handele sich nach Angaben von Luminate um das erste Faktencheck-Portal Lateinamerikas. Zwischen 2016 und 2021 förderte Luminate die Organisation mit 1,2 Millionen Euro. Auch hier dasselbe Muster: Behauptungen werden einer Prüfung unterzogen. Der erste Eindruck: Neben Social Media steht der neue argentinische Präsident Javier Milei im Vordergrund. Das überrascht freilich nicht mehr nach dieser Tour de Monde der Faktenchecker. Selbst die von Correctiv bekannte „Ampelbewertung“, wie falsch eine Behauptung ist, springt ins Auge.
Luminate unterstützt außerdem den Global Disinformation Index. Die 2018 gegründete Denkfabrik aus London hat einen Index von Webseiten nach ihrer Glaubwürdigkeit erstellt. Der Index versucht, „Desinformation zu entfinanzieren“, indem er die Neigung von Online-Nachrichtenagenturen zur Produktion von Desinformation bewertet und Online-Werbetreibende berät. Bezeichnend ist, dass traditionell linksgerichtete US-Medien ein niedriges Desinformationsrisiko haben, rechtsgerichtete US-Medien dagegen unter den risikoreichsten Medien firmieren. Luminate hat diesen post-katholischen Index mit 1,4 Millionen Euro finanziert, der nichts weniger vorhat, als alle Medienwebseiten zu bewerten.
GDI kam erst kürzlich in die Schlagzeilen, weil die Plattform, die so stark auf Transparenz setzt, ihre Finanzierung selbst äußerst intransparent gestaltete. Die Seite, die versuchte, die Werbepartner der nicht-konformen Medien zu vertreiben, schwärzte ihre Steuerunterlagen.
Nun also die naheliegende Frage: Wer steckt hinter der Luminate Group, die ganz offenbar systematisch eine internationale Armee von Faktencheckern mitfinanziert, die nicht nur bestimmte Meinungen als richtig und andere als falsch aussortieren, sondern – wie etwa im Falle der SNV – sogar die staatliche Regulation des Internets begrüßen?
Laut Forbes ist Luminate ein Spin-off der Government & Engagement initiative von eBay-Gründer Pierre Omidyar. Der Vorsitzende der Luminate Group, Stephen King, führte folgende Motivation zur Gründung an:
„In einer Zeit, in der die Grundlagen gesunder Demokratien nachhaltig angegriffen werden, möchten wir sicherstellen, dass die Organisationen, die sich mit diesen Themen befassen, Zugang zu der Unterstützung erhalten, die sie benötigen.“
Wie sehen die Angriffe auf die Demokratie aus? King verweist auf Ereignisse, die vom Brexit bis zum „Aufstieg des Autoritarismus“ reichen, der die gesellschaftlichen Spaltungen vertiefe, und was er als „eine zunehmende Bewaffnung der Technologie“ bezeichnet. Diese Entwicklungen erforderten eine dringendere und energischere Reaktion, als die Initiative leisten konnte, als sie noch kein eigenes Unternehmen war. Warum der Brexit die Demokratie bedroht, wenn er aus einem demokratischen Referendum erwachsen ist, wirft unweigerlich Fragen auf, deren Antworten wohl manchem ein unangenehmes Gefühl bereiten dürften, wenn sie den Begriff „Demokratie“ nach King’scher Definition ausbuchstabieren müssten.
Auf der Webseite von Luminate findet sich folgender erklärender Passus:
„Im Jahr 2020 ging Luminate eine Partnerschaft mit der Sandler Foundation ein, um ‚Reset‘ ins Leben zu rufen, eine experimentelle Initiative mit einem neuen Team, die darauf abzielt, den zunehmenden digitalen Bedrohungen der Demokratie entgegenzuwirken.
Wir hatten eine klare Vision: mit der Zivilgesellschaft und politischen Entscheidungsträgern an einem Markt für digitale Medien zu arbeiten, in dem sich Technologieunternehmen über ihr Profitstreben hinaus an demokratischen Werten orientieren – und im Dienste einer besser informierten und weniger polarisierten Gesellschaft agieren.
In der Praxis bedeutete dies die Entwicklung und Befürwortung neuer Ideen zur Änderung der öffentlichen Ordnung, um die öffentliche Sicherheit, das Wohlergehen der Kinder und die Integrität von Wahlen besser zu schützen, und gleichzeitig zu dokumentieren, wie digitale Plattformen auf Kosten offener Plattformen betrügerisch ausgenutzt und manipuliert werden, um kommerzielle und politische Vorteile zu erzielen.“
Stephen King war bereits in der Vorgängerorganisation Government & Engagement und davor Journalist bei der BBC. Vize-Chef Felipe Estefan, ebenfalls von Government & Engagement, arbeitete zuvor bei CNN.
Die alte Frage, ob eine Demokratie ohne Meinungsverschiedenheit und ohne Streit („Polarisierung“) überhaupt eine Demokratie ist, klammert Luminate aus. Eine harmonische Demokratie ist bekanntlich keine. Dass Faktenchecker etwa der Polarisierung entgegentreten, kann bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Vielmehr entsteht der Effekt, dass die „Korrigierten“ sich umso eher zusammenrotten, weil sie eine politische Schlagseite beim Korrektiv vermuten. Faktenchecker sind in Deutschland rechts der Mitte häufig selbst ein Polarisierungsgrund: Während die einen sie als zuverlässige Informationsbasis feiern, misstrauen andere der Agenda dahinter.
Pierre Omidyar hat sich bereits vor Jahren von eBay in Richtung Stiftungswesen umorientiert. Er soll laut Forbes ein Vermögen von 6,4 Milliarden Dollar besitzen. Diesen Wandel hat 2013 die damalige Botschafterin der Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, explizit gelobt. Die ehemalige Journalistin des Time Magazine stellte ihn in eine Reihe mit George Soros und anderen Milliardärs-Philanthropen:
„Und durch sein Beispiel hat George [Soros] definiert, was es bedeutet, ein moderner Philanthrop zu sein, ein Macher zu sein, und den Weg für Bill und Melinda Gates, Warren Buffet, Pam und Pierre Omidyar und andere geebnet. George war der Erste.“
Die Namensnennungen kommen nicht von ungefähr, denn Omidyar spendet wie Bill Gates und Warren Buffet an „The Giving Pledge“. Neben Luminate ist auch der Democracy Fund eine Schöpfung von Omidyar. Schon im Wahlkampf von Donald Trump 2016 gab dieser Fund Geld an Trump-kritische Kräfte (Stand Up Republic). Eine weitere Organisation ist der Omidyar Network Fund. Auch diese ist bekannt, eher an linke Einrichtungen Geld zu vergeben (Amalgamated Charitable Foundation, Action Center on Race & the Economy Institute).
Das sind Verbindungen, die angesichts der neueren Entwicklungen bezüglich Meinungsfreiheit, Einschränkungen durch EU-Gesetze und dem Verstecken der eigenen Meinung unter dem Label angeblicher Neutralität und Fakten brennend heiß sind. Vielleicht wäre es eine Story für eine echte Rechercheplattform, den Machtmissbrauch von Multimilliardären aufzuklären, statt die Teilnehmer eines privaten Treffens zu Widergängern der Wannsee-Konferenz zu stilisieren?