Als erwachsener Mann macht man sich über ein 16-jähriges Mädchen eigentlich nicht lustig. Kinder sind schließlich – noch – nicht mündig und besonders schutzwürdig. Sie haben keine politischen Mitwirkungsrechte, werden aber eben auch nicht im gleichen Maße wie Erwachsene für ihr Handeln verantwortlich gemacht.
Der Kabarettist Dieter Nuhr hat sich trotzdem über das 16-jährige Mädchen Greta Thunberg lustig gemacht – und seine Zuschauer, die meisten im Studio seiner Fernsehsendung „Nuhr im Ersten“ zumindest, haben gelacht. Der Witz: „Ich bin gespannt, was Greta macht, wenn es kalt wird. Heizen kann es ja wohl nicht sein.“ Und dann: „Ich werde – weil meine Tochter zu den Freitags-Demos geht – im Kinderzimmer nicht mehr heizen.“ Am Ende sagt er: „Wenn unsere Kinder meinen, wir können diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen. Da können sie dann ihre Handys aufladen und dann im Kerzenschein Gedichte lesen.“
In den sozialen Medien fanden das viele Menschen empörend.
Nuhr ist Leuten, die Satire als Pflicht zur richtigen Haltung verstehen, ohnehin schon länger suspekt. Nun hat er sich erneut als Häretiker der aktuellen politischen Glaubenssysteme outet. Da sind die Gläubigen verständlicherweise verstört. Aber bei der Empörung spielt zweifellos auch eine Rolle, dass Thunberg eben noch nicht erwachsen ist. Es ist dieselbe Empörung, die auch der US-Präsident mit seinem höhnenden Tweet auslöste:
Ein Kind veräppeln – ist das nicht höchst perfide? Ja ist es. Aber die eigentliche, ursprüngliche Perfidie besteht darin, dass dieses Kind eine weltpolitische Bedeutung erlangt hat, die es unmöglich macht, sie so zu behandeln, wie man eine 16-Jährige eigentlich behandeln müsste: nämlich als schutzbedürftig, unmündig, als Noch-Nicht-Erwachsene.
Greta Thunberg ist im Verlaufe nur eines Jahres mit der Hilfe ihrer eigenen Eltern und einer in atemberaubenden Tempo um sie herum entstandenen PR-Maschinerie zu einer weltbewegenden politischen Akteurin geworden. Eine Rolle, die diesem Mädchen ein Maß an Verantwortlichkeit für sein Reden und Handeln zuweist, das schon für einen Erwachsenen schwer zu tragen wäre, aber für eine 16-jährige Minderjährige im Wortsinne unerträglich werden muss. Schuldig daran sind nicht zuletzt jene Mächtigen, die den Greta-Hype befeuern, indem sie das Mädchen auf ihre große Bühne einladen. Nicht nur ihre eigenen Eltern und die Hinterleute der Friedas for Future-Bewegung, sondern auch Merkel, Juncker, Lagarde, Guterres und viele andere Mächtige instrumentalisierten das Mädchen für ihre Zwecke.
Die Versuchung ist für die Mächtigen immer da, weil Kinder und Heranwachsende besonders angewiesen sind auf Orientierungsangebote und dadurch leicht manipulierbar sind – eben unmündig. Wer Kindern ein attraktives glaubwürdiges Angebot macht, kann ihre Gefolgschaft leichter sichern als die von Erwachsenen, die aus Erfahrung skeptischer geworden sind. Und ihr Idealismus ist leicht auszubeuten, wie die Geschichte des Totalitarismus im 20. Jahrhundert zeigt.
Wer Kinder offen zum politischen Akteur macht, indem er ihnen eine Bühne schafft und sie als Verkünder seiner Botschaften einsetzt, vergreift sich aber nicht nur an den Kindern selbst, sondern verletzt damit die Spielregeln eines freien politischen Diskurses. Denn er spekuliert darauf, dass der Gegner diese schutzwürdigen Noch-Nicht-Bürger nicht scharf angreifen kann, ohne dadurch als ruchlos zu erscheinen. Politisierte Kinder sind im übertragenen Sinne lebendige Schutzschilde gegen das Feuer des politischen Gegners.
Das einzige, was man wirklich aus der ganzen Aufregung um Greta Thunberg und den allfreitäglichen Kinderkreuzzug der streikenden Kinder lernen kann, ist: Kinder aus der (Klima-)Politik herauszuhalten. Dann kommt auch kein Satiriker und kein US-Präsident mehr auf die Idee, sich über sie lustig zu machen.