Die Sea-Eye beispielsweise bewegte sich gestern 22:42 Uhr und heute früh 03:21 Uhr Uhr ca. 15 Kilometer auf die libysche Küste zu und befand sich heute früh um 5:16 Uhr ca. 7 Kilometer außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer. Die Sea-Watch 2 und die Golfo Azzurro liegen seit gestern im Hafen von Malta (Valetta). Die Golfo Azzurro ursprünglich an einem anderen Anleger festgemacht, wechselte gestern Mittag hinüber zur Sea-Watch. In Sichtweite auch die Seefuchs, ein über 60 Jahre alter deutscher Fischkutter, der ebenfalls im Dienst der NGO Sea-Eye steht. Die Open Arms fährt aktuell Richtung Malta, nachdem sie gestern zwischen 11:39 Uhr und 21 Uhr entlang der libyschen Hoheitsgewässer parallel zur Küste zwischen Zuwarah und Ras Ajdir fuhr. Gemessen am Aufkommen der NGO-Schiffe, scheint die Gegend um Zuwarah eines der Hot Spots für die Abfahrten der Schlauchboote zu sein. 40 Kilometer vor der Open Arms befindet sich die Aquarius, die sich am Vortag das Gebiet zwischen Zuwarah und Tripolis vorgenommen hatte. Beide Schiffe scheinen Passagiere aufgenommen zu haben. Die Aquarius wohl zwischen 18 und 20 Uhr, wenn man über die „Track“-Funktion einen längeren Aufenthalt etwa fünf Kilometer außerhalb der Hoheitsgewässer in etwa Höhe Zuwarah so deuten will. In beiden Fällen wäre es interessant in den nächsten Stunden zu schauen, wo die Reise hingeht. Nur wenige Kilometer Steuerbord zur Aquarius befindet sich die Vos Hestia, die gestern zwischen 07:30 Uhr und 11 Uhr mehre Kilometer in libysche Gewässer fuhr, sich dort noch bis 18 Uhr bewegte um dann schließlich abzudrehen. Die Vos Prudence hat offensichtlich Passagiere aufgenommen, denn sie nimmt direkten Kurs auf Lampedusa. Auch sie fuhr gestern mehrfach in libysche Hoheitsgewässer.
Den Kommentar von Michel Reike, der ebenfalls auf www.marinetraffic.com hinweist, wollen wir hier noch einmal in voller Länge abbilden:
1. Ausgangspunkt der Missionen ist meistens Valletta auf Malta.
2. Die Schiffe kreuzen nach der Anreise von Malta häufig in einer sehr kleinen Zone vor der libyschen Küste, die etwas außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer liegt. Das Verhalten der Schiffe ist dabei recht gut vorherzusehen und die Schiffe können jeden Ort innerhalb dieser Zone sehr schnell erreichen.
3. Nachdem die Flüchtlinge an Bord genommen wurden, übergeben die kleineren Schiffe sie häufig an ein größeres Schiff, das unter italienischer Flagge fährt.
4. Die Flüchtlinge werden in verschiedene italienische Häfen gebracht. Meist ist Sizilien das Ziel, seltener Kalabrien. In der von mir beobachteten Zeitspanne wurden nicht einmal Flüchtlinge in Valetta an Land gebracht, obwohl Valetta in allen Fällen deutlich näher als die italienischen Häfen lag.Dieses klare Muster ist so eindeutig erkennbar, dass Schlepper überhaupt keinen direkten Kontakt zu den Rettern und auch keinen Sichtkontakt zu den Rettungsschiffen brauchen, um die Vorteile für sich zu nutzen. Ich persönlich glaube übrigens nicht an eine Zusammenarbeit der Retter mit Schleppern, da die Motive der Retter mE tatsächlich ehrenhaft sind. Da die Schlepper aber die genannten AIS-Tracking-Services ebenfalls nutzen können, wissen sie sehr genau, wo sie die Boote hinschicken können, damit die Chance auf Übernahme durch die Rettungsschiffe möglichst hoch ist. Sie müssen ihre Boote nur kurz nach Eintreffen der Retter in die SAR-Zone schicken. Trotzdem bleibt es ein riskantes und trauriges Spiel mit dem Leben der Flüchtlinge. Die Retter handeln sicher mehrheitlich aus ehrenhaften Motiven, ihre Rettungsmaßnahmen gehören aber, wenn auch unfreiwillig, zum Kalkül der Schlepper. Sie sind gefangen in einer geradezu klassischen Situation, wie man sie aus den griechischen Tragödien kennt.