Deutschland ein Selbstbedienungsladen? Schön wär’s! Ein Selbstbedienungsladen setzt voraus, dass der Kunde nach seiner Einkaufstour zur Kasse gebeten wird. Die immer offenere Dreistigkeit, mit der sich die Ampel am Silbergeschirr der Bundesrepublik bedient, erinnert dagegen an deutlich unschönere Vergleiche, deren freundlichste Beispiele im weiteren Umfeld der Bandenkriminalität zu suchen sind.
Zur Erinnerung: Das Bundeswirtschaftsministerium ist tatsächlich ein Bundesklimaministerium, legt man die Definition zugrunde, wer dort heute den Ton angibt. Staatssekretär Patrick Graichen war früher Direktor des Think Tanks Agora-Energiewende. Die beiden Parlamentarischen Staatssekretäre sind eng mit ihm verdrahtet: Da ist einmal Oliver Krischer, der jahrelang im Rat derselben Agora saß, die Graichen früher geleitet hat; Michael Kellner, der andere Parlamentarische Staatssekretär, ist mit Verena Graichen verheiratet, der Schwester von Patrick Graichen.
Kein Mitglied des Graichen-Clans, jedoch im näheren Umfeld der NGO-Begeisterten verortet, ist auch der neue Staatssekretär Sven Giegold. Der war nicht nur mal Landesjugendsprecher der BUNDjugend in Niedersachsen und am Aufbau des Vereins Ökologisches Zentrum Verden beteiligt, sondern auch eines der Gründungsmitglieder von Attac Deutschland. Er vertrat den BUND im Attac-Rat. Es gehört zur Ironie dieses Europa-Grünen, dass er auf seiner Webseite Lobbyismus zu seinen Kernthemen zählt. Gemeint sind natürlich nur die „schlechten“ Lobbys, die er zufällig nicht vertritt.
Der Graichen-Clan ist nur ein Beispiel von vielen
Um beim bekanntesten Beispiel zu bleiben und zu erahnen, inwiefern NGOs bereits große Teile der Exekutive und Legislative durchdrungen haben, sind im Folgenden nur Staatssekretäre aufgeführt, die zum Netzwerk der Agora Denkfabrik in der Bundesregierung gehören:
- Cem Özdemir (Grüne), Bundesminister für Landwirtschaft;
- Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt;
- Johann Saathoff (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium des Inneren;
- Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr;
- Jochen Flasbarth (SPD), Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung;
- früher: Andreas Feicht (CDU), Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (2019-2021); und
- Norbert Barthle (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft (2018-2021);
- dazu der mehrfache Staatssekretär Rainer Baake (Grüne), der Gründer der Agora und Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der zuletzt im Bundesministerium für Wirtschaft (2014-2018) war.
Aufmerksame TE-Leser kennen diese Zusammenhänge bereits. Aber fast täglich tun sich neue Abgründe jener Symbiose aus Parteipolitik und NGOs auf. Ein Phänomen, das schon der Großen Koalition nicht unbekannt war. Doch mit dem offiziellen Einzug der Öko-Lobby in die Ministerien wird nunmehr deutlich offener gezeigt, wer tatsächlich die Hosen anhat.
Die Öko-Lobby in den Ministerien ist ein Netzwerk, das seit 20 Jahren beständig wächst
Jetzt kommen wir doch ins Plaudern. Denn über Jochen Flasbarth und Rainer Baake kommt man nicht umhin, die offensichtlichen Verstrickungen zwischen NABU, Agora, DUH, Umweltbundesamt, VCD und dem neuesten Streich dieser Lobby zu erwähnen, der doch gerade in der Mache ist. Aber halblang: Bleiben wir bei Flasbarth. Denn nicht nur seine Tätigkeit als Präsident des NABU, als Ratsmitglied der Agora und als Präsidiumsmitglied des Deutschen Naturschutzrings (eine Oberorganisation, dem neben dem NABU auch der BUND und die DUH angehören) sind erwähnenswert, ganz abgesehen von seiner zwanzigjährigen Aktivität in zwei Ministerien. Flasbarth ist zudem Mitbegründer des Verkehrsclub Deutschland (VCD).
Um die Gesinnung des VCD zu umschreiben, reicht eine Selbsteinschätzung, dass man dort nicht prinzipiell mit Autofeinden zu tun habe. Er steht in enger Kooperation mit der DUH von Jürgen Resch. Zur Erinnerung: Rainer Baake war Staatssekretär im Umweltministerium unter Jürgen Trittin (1998-2005), bevor er Geschäftsführer der DUH wurde. Und Jochen Flasbarth wurde in dieser Zeit (ab 2003) Abteilungsleiter im selben Ministerium, das er später als Staatssekretär von 2013 bis 2021 leitete.
Zur selben Zeit (bis 2007) arbeitete für das Umweltbundesamt Axel Friedrich. Friedrich ging nach seinem Rauswurf 2007 ebenfalls – wie Baake – zur DUH. Wenn Sie das alles für blanken Zufall halten: Noch im Zuge des „Diesel-Skandals“ sind gemeinsame Mittagessen zwischen DUH-Chef Resch und Staatssekretär Flasbarth verbürgt. Auch den Co-Chef der DUH, Sascha Müller-Krenner, hat Flasbarth ins Ministerium eingeladen. Man kennt sich, man hilft sich.
Der VCD plant das „Bundesmobilitätsgesetz“ und hatte starke Verbündete
„Wären Hofreiter oder Özdemir Verkehrsminister geworden, wäre Stefan Gelbhaar heute Staatssekretär. Es kam anders. Trotzdem will der Grünen-Politiker Impulse bei der Verkehrspolitik geben.“
Ein Name, der häufig auftritt, wenn man sich nach Aktionen erkundigt, an denen Gelbhaar teilnimmt, lautet Anika Meenken. Meenken ist Sprecherin für Radverkehr und Mobilitätsbildung des VCD. In diesem Zusammenhang ist es nicht ganz uninteressant, dass eben dieser VCD derzeit eine Kampagne für ein „Bundesmobilitätsgesetz“ macht; im Übrigen auch mit Ihren Steuergeldern, denn gemäß einer Anfrage des ehemaligen Bundestagsabgeordneten Mario Mieruch, der TE auf diesen Vorstoß hingewiesen hat, erhält der VCD seit 2003 sechsstellige Zuwendungen seitens der Bundesregierung (2019 waren das rund 810.000 Euro).
Das Ziel bleibt die „Verkehrswende“
Worin es darum geht? Überspitzt: die Erreichbarkeit von Klimazielen ohne Auto. Dazu brauche es eine „fundamentale Transformation“, das Ende der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die Verlagerung auf „nachhaltige Verkehrsträger“ und vieles mehr, das an einen planwirtschaftlichen Staatsplan zum großen mobilen Sprung nach vorn klingt.
Nicht auszuschließen, dass man bereits länger an der Sache arbeitet, als man denkt. Denn wenn man in der Dokumentenbibliothek des Deutschen Bundestages nachforscht, wann die Idee zu einem „Bundesmobilitätsgesetz“ zum ersten Mal aufkam, dann reibt man sich die Augen. Es war bereits am 20. November 2018 in einer Bundestagssitzung. Redner? Stefan Gelbhaar. Zitat:
„Legen Sie ein Bundesmobilitätsgesetz vor, mit einem Fahrradteil, mit einem Fußgängerteil, mit neuen Regelungen für Bus, Bahn und, ja, auch für Autos, mit Vorrang für die Verletzlichsten im Verkehr, mit Angeboten für alle! Halten Sie nicht nur Sonntagsreden für null Verkehrstote, sondern nehmen Sie das Ziel ‚Vision Zero‘ ins Gesetz auf und handeln Sie sofort danach!“
NGOs steuern das politische Geschehen außerhalb und innerhalb der Ministerien
Womöglich Zufall. Genauso wie der Zufall, dass nur drei Tage vor dieser Plenarsitzung, am 17. November 2018, eine „Denkwerkstatt“ der Grünen in Berlin stattfand. Teilnehmer? Zufälligerweise Gelbhaar und VCD-Meenken. Zufall auch, dass der Begriff einer „Vision Zero“ bei Verkehrstoten zwölfmal im achzigseitigen VCD-Regelpapier auftaucht. Ein Schelm, der denken könnte, dass die grünen, nachdem sie es nicht geschafft haben, das Verkehrsministerium zu erobern, mit NGOs über Bande spielen. In der „Diesel-Affäre“, die vor allem eine „DUH-Affäre“ war, hat man dies schon vorgemacht. Im Frühjahr 2021 versuchte sich auch die Linksfraktion am Thema.
Bisher haben sich die Lobbys nur von den Ministerien füttern lassen. Sie hatten Kontaktleute an Schnittstellen, die schon vorher eine zweifelhafte Neutralität aufwiesen. Sie „berieten“ die Ministerien in grundlegenden Fragen über den Wohlstand in diesem Land, nahmen Einfluss auf den Kohleausstieg oder die Energiewende im Ganzen. Ebenso, wie in Deutschland die Grenzen zwischen den Gewalten von Exekutive, Legislative und Judikative verschwommen sind, gibt es keine Grenzen mehr mit NGOs und dem Staat. Selbst die Parteien sind mittlerweile von überparteilichen Organisationen durchsetzt. Der „Fall Morgan“ zeigt dabei: Die Grenzenlosigkeit gilt nun auch für den gesamten Globus, indem man sich politisches Personal aus dem Ausland holt, wenn es ideologisch und lobbyistisch passt. Aus den angeblichen „Nichtregierungsorganisationen“ ist das komplette Gegenteil geworden. Sie sind Regierungs-Regierungsorganisationen.