So richtig triumphal war Greta Thunbergs Landung in New York nicht: Nur ein paar hundert Zuschauer, kaum Kameras. In der Weltmetropole interessierten sich nicht mehr Leute für die Ankunft des schwedischen Mädchens. Fridays for Future brachte in Quakenbrück oder Dingolfing mehr Menschen auf die Straße als Greta herself in New York, spottet selbst die Welt.
Einen anderen Eindruck vermittelten ARD und ZDF: Sie berichteten mit einer Intensität, als wäre sie nicht per Segeljacht gereist, sondern wie Jesus über das Wasser gegangen, von Quakenbrück jetzt der Zieleinlauf in New York: »Greta Thunberg erreicht New York«, »Greta kommt in New York an«, »Greta Thunberg in New York angekommen« – das ZDF hat sich geradezu überschlagen angesichts einer Reise, die klimaschonender zu haben gewesen wäre. Nur mit Mühe und raffiniertem Bild-Schnitt machte das ZDF aus einem Häuflein Beifallspendender einen halben Staatsempfang. Sie bringen es tatsächlich fertig, von »politschen Gespräche in Washington« zu reden, die Greta führen will. Schade nur, dass keine Namen der Gesprächspartner genannt wurden. Vermutlich wäre damit die mangelnde Begeisterung der Amerikaner zu offenkundig geworden.
Dabei gab es sehr wohl Helden der Reise, die einen anerkennenden Bericht wert gewesen wären: Denn erst Wissenschaft und Technik machten einen solchen Trip möglich. Grundlage der Hightech Rennjacht sind drei Tonnen Kohlefaser und Kunstharz für deren Rumpf, die bei 120° im Ofen gebacken wurden. Die chemische Industrie hat bei der Produktion der Kunstharze aus dem Rohstoff Erdöl ganze Arbeit geleistet. Das sind sehr energieintensive Prozesse, bei denen ein hoher Anteil CO2 entsteht. So entstand ein dünner, verhältnismäßig leichter, aber dennoch verwindungssteifer fester Rumpf, der die rauen Wellen durchpflügt. Im Prinzip Plastik. Hilfe, Mikroplastik droht.
Das Design der Jacht wurde im Computer entwickelt, die Geometrie mit unzähligen Simulationsrechnungen in leistungsfähigen Computern durchgerechnet, die erhebliche Mengen an Strom aus Kohle oder Kernkraftwerken verbrauchen. Ohne ein anspruchsvolles Netzwerk von Satelliten, die um die Erde kreisen und aus dem All Wolken, Winde und Wellen beobachten, wäre die Reise ebenfalls nicht möglich gewesen. Der Start eines solchen Satelliten ist immer noch ein technisches Abenteuer, bei dem es darum geht, so viel Energie in so kurzer Zeit wie möglich durch Düsen zu jagen und die Rakete in den Himmel zu heben und zu beschleunigen. Manchmal explodieren sie beim Start, dann müssen ein neuer Satellit und eine neue Rakete her. Die gesamte CO2-Bilanz möchte Greta lieber nicht genauer ansehen.
Die Daten der Satelliten werden in Rechenzentren geschickt, die in anspruchsvollen Rechenoperationen phantastische Prognosen über Wetter, Seegang und Strömungen nahezu in Echtzeit ausspucken. Diese Rechenzentren sowie der Transport der Daten über Internet und Funk verschlingen erhebliche Mengen an Energie und hätten Greta wieder am CO2-Haushalt zweifeln lassen, wenn sie öfters freitags in die Schule gegangen wäre.
So konnten die Profisegler die fast 7.000 km lange Route sechs Tiefdruckgebiete und zwei tropische Wirbelstürme im Zickzack umfahren und Flautengebieten ausweichen. Live, in Farbe, in beeindruckender Darstellung auf großem Bildschirm können sich die Segler online immer neue Routenberechnungen anzeigen lassen – und mit ihrer Online-Gemeinde weltweit sharen. Auch das ist nur mit Kommunikation über Satellit möglich.
Dahinter stehen aufwändige Strömungsberechnungen, die in Rechenzentren erledigt werden; die Ergebnisse werden als fließende Windströmungen scheinbar mühelos und auf dem Bildschirm sichtbar gemacht. Auf einer großen Wetterkarte sind wie selbstverständlich Temperatur, Niederschlag, Windrichtung, Windstärke und auch Wellenhöhe sichtbar. Grandioser gehts kaum.
Das mitten auf dem Nordatlantik – eine beeindruckende Leistung der technischen Infrastruktur.
Doch von Dank an Wissenschaft und Technik war nichts zu hören – bislang jedenfalls. Nur mit solcher Hightech im Rücken konnte das Schiff in zwei Wochen den Nordatlantik überqueren. Das macht man auch nur, wenn Zeit keine Rolle spielt. Schon vor dem 1. Weltkrieg benötigten die schnellen Luxusliner nur eine Woche für die Fahrt über den großen Teich, und das sogar mit mit richtigen Toiletten an Bord.
Es gibt eben Fortschritt, der Rückschritt ist.