Darf man eigentlich Kollegen kritisieren? Bekanntlich hackt doch eine Krähe einer anderen das Auge nicht aus. Diese Frage habe ich mir gestellt, als die Idee für einen „Negativpreis“ für besonders einseitigen Journalismus aufkam. Man darf nicht nur, angesichts des sich verschlechternden Zustandes muss man geradezu. Denn Jubelpreise gibt es ja genug; man ehrt sich, man bestätigt sich, man teilt sich Ruhm und Ehre in der Fachpresse. Ein halbes Dutzend Mal wurde Claas Relotius ausgezeichnet, für frei erfundene Geschichten, die er als Reportagen und Tatsachenberichte an den Spiegel, aber auch andere Qualitätsmedien verkauft hat. Die Selbstkritik hält sich in Grenzen; insbesondere beim Spiegel gibt es neue, sensationelle Fälle von angeblich umgekommenen Flüchtlingskindern – reine Fiktion. Aber politisch wirksam. Bei den Öffentlich-Rechtlichen wurden jüngst Meldungen der Hamas ungeprüft übernommen und eilig verbreitet.
Narrative statt Journalismus
Journalismus ist zu wichtig für eine Demokratie, als dass man Journalismus durchgehen lässt, der Fakten verdreht, erfindet oder politischen Propaganda-Narrativen folgt. Deshalb unterstütze ich die Aktion der Stiftung Meinung & Freiheit als Vorsitzender und habe zusammen mit Hans-Georg Maaßen den „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ ins Leben gerufen. Er zeichnet Urheber von Desinformation und Manipulation in deutschen Medien aus – selbstverständlich mit Publikumsbeteiligung. Eine unabhängige Jury unter Beteiligung von Lesern und Zuschauern dokumentiert und prämiert die Fälle.
Schon zehntausende Interessierte besuchten die Website www.schnitzler-preis.de und hunderte Leser und Zuschauer haben dort bereits ihre Kandidaten für den Journalisten-Negativpreis nominiert.
Jan Böhmermann vom ZDF und Georg Restle vom WDR – das sind nach erster Durchsicht die häufigsten von Zuschauern Nominierten für einen neuen Preis, der ironisch mit den Fehlleistungen der Medien in Deutschland umgeht. Rund 60 unterschiedliche Journalisten (männlich wie weiblich) sind genannt, beide Kandidaten mit hoher Prominenz heben sich jedoch besonders heraus. Unter den Teilnehmern der Nominierung wird ein Jahr GEZ-Beitrag ausgelobt.
Große Begeisterung für den Preis
Auch in den sozialen Medien ist die Resonanz auf die Initiative sehr lebendig, insbesondere auf X/Twitter und den dortigen Accounts. In den Kommentaren heißt es beispielsweise: „Das ist eine gute Initiative“, oder „Es kann nur einen geben“, „Schwierig, da zu große Auswahl“, „Sorry … ich wüsste gar nicht, wo ich anfangen und wo ich aufhören sollte. Es sind einfach zu viele im ÖRR“ und auch konkreter: „Jan Böhmermann verschanzt sich hinter dem Prädikat ‚Satire‘. Dabei versteht er es vortrefflich, wahre Hetzkampagnen durch den Äther zu blasen (…).“
Nach Ablauf der Nominierungsphase ab dem 30. Oktober 2023 wird eine Shortlist mit fünf Kandidaten für den Journalisten-Negativpreis erstellt und im Zeitraum vom 13. November bis 5. Dezember 2023 auf der Website www.schnitzler-preis.de veröffentlicht, so dass sich dort der Öffentlichkeit die Möglichkeit bietet, ihren Wunschkandidaten final zu wählen. Auf der Website kann tagesaktuell mitverfolgt werden, wer der „Spitzenreiter“ ist.
Diese Shortlist soll eine wertvolle Dokumentation für wahrgenommene Beispiele von Desinformation und Manipulation in den deutschen Medien werden. Den Initiatoren bieten die Kommentare zu den Nominierungen bereits jetzt spannende Einblicke in die kritische Wahrnehmung von Lesern und Zuschauern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auf die Standardfrage zur Nominierung, warum die Person den Preis verdient habe, lautet eine Antwort beispielsweise: „(…) weil er beispiellos seine Beliebtheit beim Publikum ausnutzt, um Meinungen zu verbreiten, für die seine Auftraggeber im Gegenzug seine Stiftung schmieren. (…)“
Muss ich dafür ins Gefängnis?
Aber woher kommt der Name? Der Preis ist benannt nach Karl-Eduard von Schnitzler – dem Chefkommentator des DDR-Fernsehens und Moderator der politisch-agitatorischen Fernsehsendung „Der Schwarze Kanal“. Unter der Bevölkerung der DDR galt er als meistgehasster Systemvertreter.
Der Journalist Günther Lincke, Kommentator vom Sender Freies Berlin (SFB), verpasste ihm Anfang Februar 1961 öffentlich in einer Sendung den Spitznamen „Sudel-Ede“, nachdem herausgekommen war, dass der Chefkommentator des DDR-Fernsehens regelmäßig zur Deckung seines persönlichen Konsumbedarfs in West-Berlin mit D-Mark einkaufte und Nachtlokale besuchte. Schnitzler machte die Menschen in der DDR 1989 wütend, weil sie die täglichen Desinformationen in den Medien erlebten sowie die schamlose Diskrepanz zwischen dem medial verkündeten gesellschaftlichen Anspruch und der individuellen Wirklichkeit in der privaten Lebensgestaltung der DDR-Elite erfahren mussten. Der Spiegel berichtet in seiner Ausgabe Nr. 39 von 2001: „Neben dem Unterangebot an Südfrüchten war es das Überangebot an Schnitzler-Kommentaren, das die Leute 1989 auf die Straßen trieb.“
Selbstverständlich hat die Ausschreibung des Preises sofort heftige Reaktionen hervorgerufen. Der Historiker Hubertus Knabe beschreibt, wie kleinteilig die Steuerung der Medien in der DDR war und zitiert den Liedermacher Wolf Biermann mit der Sentenz:
„Hey Schnitzler, du elender Sude-Ede/Sogar wenn du sagst, die Erde ist rund/dann weiß jedes Kind: Unsere Erde ist eckig“.
Kritische Medienwissenschaftler kritisieren an den heutigen Medien eine „Linksverschiebung“ und eine „zunehmende politische Homogenisierung“, die „die jeweilige Regierungslinien stützend“ begleitet habe. Trotzdem, so Knabes Fazit, sei die Bundesrepublik keine zweite DDR. „In der DDR wären die Initiatoren eines solchen Preises längst in Haft.“
Mit diesem Urteil hat der Historiker Recht. Es stimmt, in der DDR konnte man für weniger Frechheit als einen Schnitzler-Preis in Haft kommen. Es gibt eben Fortschritt und Freiheit. Und dass das so bleibt und ich nicht irgendwann wie in der DDR in Haft muss – genau dafür haben wir den Preis erfunden.
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Ausschreibung Karl-Eduard-von-Schnitzler-Pres
An der Nominierung für den „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ können sich im Zeitraum vom 3. bis 30. Oktober 2023 alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen, die gerne ihren Favoriten vorschlagen möchten.
Auf der Website www.schnitzler-preis.de finden engagierte Kritiker des sogenannten Haltungsjournalismus eine Eingabemaske für ihren Vorschlag sowie einen Ausschreibungstext, der über den Ablauf von der Nominierungsphase über das Auswahlprozedere bis zur Bekanntgabe und „Verleihung“ der Negativauszeichnung informiert.
Auch persönliche Daten können eingegeben werden, falls gewünscht, denn es gibt Gewinne für Leser und Zuschauer, die ihre Kandidaten nominieren: Bis zu fünf Teilnehmer erhalten einen Preis, wenn sie den Journalisten für den „Karl Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ vorgeschlagen haben, der final ausgewählt wird: Für sie werden jeweils die GEZ-Gebühren für ein Jahr übernommen. Sind es mehr als fünf Teilnehmer, die den Gewinner des „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ vorgeschlagen haben, entscheidet das Los darüber, wer die fünf Teilnehmerpreise erhält, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Nach Ablauf der Nominierungsphase wird eine unabhängige Jury aus den eingegangenen Vorschlägen eine Nominierten-Shortlist mit fünf Kandidaten für den „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ erstellen. Diese Shortlist ausgewählter Journalisten für die Negativauszeichnung wird im Zeitraum vom 13. November bis 5. Dezember 2023 auf der Website veröffentlicht und bietet dort der Öffentlichkeit die Möglichkeit, ihren Wunschkandidaten final zu wählen, dazu wird es eine gesonderte Eingabemaske geben. Auf dieser Website kann tagesaktuell mitverfolgt werden, wer der „Spitzenreiter“ ist. Der so ermittelte Gewinner des „Karl-Eduard-von-Schnitzler-Preis für Propaganda-Journalismus“ wird Mitte Januar 2024 anlässlich einer kleinen Gala ausgezeichnet und dazu nach Berlin eingeladen.