Silvester 2022 in Berlin – das war ungefähr so wie der Sommer 2020, als „junge Menschen“ im Namen von „Black Lives Matter“, aber oft auch mit Antifa-Hintergrund, Läden auseinandernahmen und ganze Straßenzüge in vielen amerikanischen Städten plünderten. Der Unterschied: In Berlin kennt man die Gewalttäter quasi persönlich seit langer Zeit. Das galt laut Franziska Giffey von den Behörden („Wir kennen die Täter teilweise, weil wir sie aus dem Kiez kennen“) und wird auch von Anwohnern so bestätigt, die teils schlimme Zerstörungen durch die Ausschreitungen hinnehmen mussten.
Ganze Läden wurden verwüstet, wie die Journalistin Alev Dogan bei einem Ortstermin für The Pioneer herausfand. Die jugendlichen Täter seien, so sagt ein betroffener Ladenbesitzer, oftmals in Berlin geboren und aufgewachsen. Ihre Familien lebten „schon seit Jahrzehnten in Neukölln“. Das Problem liegt damit auf der Hand: Trotz einer jahrzehntelangen Anwesenheit in einem Berliner Stadtteil gibt es keine Anzeichen von Integration oder Angleichung an hiesige Standards. Vielmehr zeichnen sich die jungen Leute auch im Alltag durch Pöbeleien, laute Musik, Drogenkonsum und den Handel mit den berauschenden Substanzen aus (was übrigens sehr unislamisch ist).
Die Verdächtigen schmolzen bald schon auf 145 zusammen. Doppelzählungen sollten schuld an der höheren Zahl gewesen sein, hieß es aus dem Mund eines Polizeisprechers. Und natürlich sei auch die neue Zahl vorläufig. Aber was ist hier eigentlich das Problem? Warum wird eine solche Liste in einem solchen Maße nachbearbeitet? Es könnte auch politische Gründe der „Diskurs-Ökonomie“ geben, die zur zeitweiligen Eintrübung des zunächst klaren Bildes von der Silvesternacht führten. Oder die Berliner Polizei ist wirklich in einem solchen Maße zusammengespart, dass es nicht besser und schneller geht.
Für Erstaunen und Entsetzen sorgte außerhalb der Hauptstadtgrenzen auch die Tatsache, dass alle 145 Verdächtigen unmittelbar „nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen“ wieder auf freien Fuß kamen. In dieser ersten Täterliste gab es 18 verschiedene Nationalitäten, 45 Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft, 27 Afghanen und 21 Syrer.
Polizeisprecherin: „Zahl wird täglich steigen“
Ein paar Tage später war die Liste der Verdächtigen erheblich zusammengeschrumpft. Nun sollten es laut Landeskriminalamt nur noch 38 Personen sein, von denen zwei Drittel die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen. Das ist auch nicht so schwer. Es gibt ja Einbürgerungen, und die Berliner CDU hatte ja schon die Frage nach den Vornamen der Tatverdächtigen gestellt. Aber vielleicht muss man beim LKA Berlin am Ende von einer stärkeren politischen Breitseite ausgehen.
Um die Verwirrung zu steigern, verkündete eine Polizeisprecherin zudem: „Diese Zahl wird täglich steigen.“ Wir werden sozusagen live Zeugen des Fortschritts in der deutschen Hauptstadtpolizei. Jeden Tag ein Ermittlungserfolg, der uns wieder näher an die alte 145-Mann-Liste (oder doch 156?) bringt. Erklärt wird die Veränderung mit dem Übergang der Ermittlungen an eine neue Direktion. Außerdem scheint es innerhalb der Berliner Polizei Schwierigkeiten dabei zu geben, die statistischen Daten verschiedener Stellen zusammenzuführen.
Zwei Drittel der Verdächtigen besitzen keinen deutschen Pass – Clan-Mitglieder waren häufig staatenlos
Was die Frage nach In- und Ausländern angeht, steht es nun sozusagen unentschieden: 60 Prozent der aktuellen Verdächtigenliste haben zwar die deutsche Staatsbürgerschaft, aber 23 Prozent haben noch eine andere. Zu bedenken ist, dass zahlreiche Mitglieder nahöstlicher Clans in Deutschland als Staatenlose lebten, bis sie die deutsche Staatsbürgerschaft erwarben. Wie viele Einheimische beteiligt waren, wissen wir damit also noch immer nicht. Nach derzeitigem Stand gibt es 40 Prozent sichere Ausländer, 23 Nichtdeutsche mit zusätzlicher deutscher Staatsbürgerschaft (macht zusammen 63 Prozent) und 17 Prozent Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft, bei denen eventuell nicht klar ist, dass sie noch eine zweite Nationalität besitzen.
Es bleibt übrigens auch nach neuesten Nachrichten bei 126 Strafanzeigen wegen Angriffen auf Einsatzkräfte – davon 77 gegen die Polizei, 49 auf die Feuerwehr. 81 Mal wurde dabei Pyrotechnik benutzt, 15 Mal Schreckschusswaffen, 30 Mal wurden Einsatzwagen beschädigt.
Bei den beklagten Vergehen geht es um:
- Landfriedensbruch,
- besonders schweren Fall von Landfriedensbruch,
- tätlichen Angriff auf und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte,
- Gefangenenbefreiung,
- gefährliche Körperverletzung,
- gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr,
- Sachbeschädigung und gemeinschädliche Sachbeschädigung,
- Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel,
- Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz,
- Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion sowie
- Beleidigung.
Neukölln konnte seinen Ruf verteidigen, aber auch anderswo brannte es
Übrigens ging es beileibe nicht nur um Neukölln in dieser Berliner Silvesternacht. Auch in anderen Stadtteilen Berlins eskalierte die Gewalt, und das bedeutet nicht, dass dort keine Migranten beteiligt waren. Der Stadtteil Gesundbrunnen in Mitte ist für seine heikle Bevölkerungsstruktur bekannt, und auch hier wurde ein Feuerwehrfahrzeug attackiert. Ein Feuerwehrmann musste in ärztliche Behandlung. An der Kreuzberger Urbanstraße wurde ein Wasserwerfer zum Löschen brennender Barrikaden eingesetzt. An der Potsdamer Straße gerieten Polizisten unter pyrotechnischen Beschuss. Sogar in Lichtenrade am südlichen Stadtrand wurde ein Hinterhalt gegen Feuerwehrleute gelegt, die dort mit Eisenstangen und Reizgas angegriffen wurden.
Aber es ist schon beinahe klar, wen diese Detailansicht nicht interessieren wird: vor allem diejenigen, die sich mit Ablenkungsmanövern (wie „Borna“) die Zeit vertrieben und es furchtbar schlimm fanden, dass die Berliner CDU die Vornamen der Gewalttäter wissen wollte, und die meinen, dass „Ethnie, Herkunft oder Religion … nichts“ erklären, sondern nur die „Verhältnisse, in denen Menschen leben“, wie es die Migrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan sagte.
Das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM), das vom Bundesfamilienministerium finanziert wird, sieht die gesehene Gewalt laut Tagesschau als „eventhafte“ Übergriffe an, die mit „städtischen Gelegenheitsstrukturen“ (wie bitte?) verbunden seien. Zu vergleichen seien Ausbrüche von Fangewalt, die regelmäßigen Randale Linksradikaler am 1. Mai, aber auch in der Querdenkerszene (gab es so etwas?) oder in der Schinkenstraße in Palma de Mallorca (!). Das ist sicher eine sehr verfeinerte politikwissenschaftliche Betrachtung – aber eigentlich doch nicht.