Beginnen wir ganz neutral mit einer „Nachricht“, die NDR-Recherche samt Portraitbild des betreffenden Soldaten unter der Überschrift „Bundeswehr: Oberstleutnant sympathisiert mit Rechtsradikalem“ ins Netz gestellt hat. Der NDR-Text dazu lautet: „Der Leiter der Social-Media-Abteilung der @bundeswehrinfo ist auf Instagramm mit einem Anhänger der ‚Identitären Bewegung’ vernetzt. Dem Oberstleutnant gefallen einschlägige Berichte.“ Die Identitäre Bewegung (IB) wird vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Siehe auch hier.
Mehr nicht! „Recherche“? Null! Unschuldsvermutung? Null! Denn: Erstens wurde vom NDR nicht davon berichtet, was der Beschuldigte dazu sagt. Wahrscheinlich wurde er gar nicht gefragt. Zweitens wurde keine Stellungnahme des Verteidigungsministeriums eingeholt. Wahrscheinlich hat man dort gar nicht angefragt. Drittens gibt es nur einen einzigen dürren Beleg für angeblich seit Jahren praktizierte „Likes“ des Angegriffenen auf einer IB-Seite. Viertens wurde nicht geklärt, ob der Soldat über ein privates oder ein dienstliches IT-Gerät tätig wurde. Fünftens ist der betreffende Soldat nicht Leiter, sondern Mitarbeiter im Social-Media-Referat. Und sechstens gehört sich das Portraitbild des Soldaten nicht ins Netz.
So arbeitet ein System, das pro Jahr mit 9 Milliarden Zwangsgeldern alimentiert wird. Das hindert diverse Bundestagsabgeordnete nicht daran, via Twitter und Co. sofort aggressiv oder süffisant auf die NDR-„Nachricht“ aufzuspringen – zum Beispiel Felix Felgentreu (SPD) oder Benjamin Strasser (FDP) oder eine „Rechtsextremismusexpertin“.
Das Verteidigungsministerium hat TE dazu auf entsprechende Anfrage folgende Stellungnahme übermittelt: „Bei der in Rede stehenden Person handelt es sich um einen Referenten ohne Leitungsfunktion, der in einem Referat des PresseInfoStabes des Ministeriums tätig ist, das sich unter anderem auch mit einem kleinen Teil der Social-Media-Aktivitäten der Bundeswehr befasst. Wir haben sofort, nachdem uns Hinweise auf die Aktivitäten der Person erreicht haben, Ermittlungen aufgenommen. Die Person ist nicht mehr mit Aufgaben im Bereich Social Media betraut. Zu weiteren Details dürfen wir uns aus rechtlichen Gründen nicht äußern. Grundsätzlich gilt: In der gesamten Bundeswehr gilt unabhängig von Position oder Dienstort die Null-Toleranz-Linie der Verteidigungsministerin bezüglich Extremismus oder Zweifeln an der notwendigen Verfassungstreue. Mit Blick auf Social-Media-Aktivitäten legen wir einen besonders hohen Maßstab bei denjenigen an, zu deren dienstlichen Aufgaben eben dieser Bereich der Kommunikation gehört. Auch das ist jetzt Teil der laufenden Prüfung.“
Nun ja: Egal was sich am Ende herausstellt, der Soldat steht nun inner- und außerdienstlich am Pranger. Journalistische Sorgfaltspflicht ade! Das ist Mainstreampresse in Zeiten, in denen sich nicht wenige „Journalisten“ im antifaschistischen Kampf um vorzeigbare Trophäen tagtäglich zu überbieten scheinen. Opfer sind mittlerweile fast alltäglich Polizei und Bundeswehr. Die Stasi und der „Schwarze Kanal“ hätten es nicht besser gekonnt. Wenigstens der Leiter des Berliner Büros der Neuen Zürcher Zeitung, Marc Felix Serrao, moniert, dass die NDR-Leute den Beschuldigten nicht einmal zur Stellungnahme aufgefordert hätten.
Gegenüber der BILD-Zeitung hat sich der Soldat schließlich selbst geäußert:
„Ich distanziere mich von der ‚Identitären Bewegung‘ und allen Rechtsradikalen. Ich habe mit diesen Menschen und diesem Gedankengut nichts zu tun, ich habe keinen Kontakt zu Rechtsradikalen. Ich stehe selbstverständlich hinter unserer Verfassung. Ich habe sieben Bücher veröffentlicht, trete seit Jahren öffentlich auf und halte Vorträge – jeder der will, kann sich davon überzeugen, dass ich hinter unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung stehe. Und diese als Bürger in Uniform verteidige.“
Er gibt zu, dass ihm ein Fehler passiert sei: „Ein Fehler, der nicht hätte geschehen dürfen. Ich war nicht aufmerksam genug, habe darauf vertraut, dass das, was mir aus meiner Community reingespielt wird, schon in Ordnung ist. Das war naiv. Und es tut mir leid“, so der Offizier zur BILD. Er habe Screenshots seiner „Gefällt mir“-Kommentare gesichert und an das Verteidigungsministerium weitergeleitet. „Selbstverständlich kooperiere ich.“
Bohnert erklärt auch, wie es zu dem Kontakt mit der Person gekommen ist. „Ich habe mich im Jahr 2012 oder 2013 mit einem alten Schulfreund in Schwerin getroffen. Der hat eine Person mitgebracht: Ebenfalls Soldat, wie ich in Kundus eingesetzt und 2010 in schwere Gefechte verwickelt. Wir haben uns etwa eine Stunde lang unterhalten. Danach hatte ich nie wieder direkten Kontakt mit dieser Person, ihn nie wieder getroffen.“
Mittlerweile hat sich auch der Verein Deutscher Soldat, eine Vereinigung von Soldaten mit Migrationshintergrund mit Bohnert solidarisiert.