Nothing changes on New Years Day. Nichts ändert sich an Neujahr. So sangen U2 auf ihrem Durchbruchsalbum War, „Krieg“. Und eine Lektüre der ersten Zeitungen im neuen Jahr gibt den Iren nachträglich recht: „Syrer aus Schweden sticht in Berlin zwei Menschen nieder“, heißt es da. Nichts Großes mehr. Der Bild ist die Geschichte nur ein Platz im lokal Gemischten wert, Seite 14 der Printausgabe. Vier mal elf Zeilen oben über die Seite gequetscht. Ein Syrer sticht auf Menschen ein… Nichts ändert sich im neuen Jahr.
Nett von der Bild, dass sie die Geschichte so klein abhandelt. Klar, dass sie in der Tagesschau eh nicht vorkommt. Das erspart Nancy Faeser (SPD) die sonst handelsüblichen „paar Worte des Mitgefühls“ und die ebenfalls üblichen hohlen, verbalen Kraftmeiereien. Auch muss kein Experte die Tat umdeuten und uns das Leid eines Syrers erst erklären, den Schweden aufnimmt, der durch Deutschland frei reisen und der ja auf eine derart rassistisch, postkolonialistische Mehrheitsgesellschaft gar nicht anders regieren kann, als auf zufällig anwesende Passanten einzustechen. Die Gedanken sind, blabla, bei den Angehörigen und der Täter ist „vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus“. Psychisch krank ist das neue Normal bei Messermorden und ihren gescheiterten Versuchen. Nichts ändert sich im neuen Jahr.
Sogar die Debatten sind die selben wie im vergangenen Jahr. Sprachlich korrekt müsste es heißen: die gleichen wie im vergangenen Jahr. Doch die Debatten sind sich derart ähnlich in Duktus wie in Folgenlosigkeit, dass „die selben“ sprachlich bald akzeptabel ist. Etwa zu den Ausschreitungen in der Silvesternacht. Fast 400 registrierte Straftaten allein in Berlin. Ebenfalls dort: 38 verletzte Polizisten und Feuerwehrleute, einer muss im Krankenhaus bleiben. Die Täter müssten mit aller Härte verfolgt und bestraft werden, fordert nun Faeser. Der Satz ist gleich auf mehreren Ebenen dumm. Nichts ändert sich im neuen Jahr.
Dumm ist der Satz, weil Faeser und andere „Verantwortliche“ die gleichen – fast selben – Sätze Jahr für Jahr wiederholen. Und dass im März die ersten Gerichte anfangen, die Täter frei zu sprechen. In den besseren Bundesländern. In Berlin kann sogar das notorisch blauäugige Durchwinken links motivierter Richter mehr als ein Jahr dauern. Mit aller Härte durchgreifen ist letztlich nur so ein Satz, den die Art von Redenschreibern ausspuckt, die das Innenministerium zwar großzügig mit Steuergeld versieht – deren eigentliche Stärken aber in Parteitreue und Plakatekleben liegen. Nichts ändert sich im neuen Jahr.
Wobei angesichts von Faeser schon ein Blick nötig ist, ob es sich nur um die Ausgeburt eines intellektuell hoffnungslos überforderten Parteisoldatenschreibers handelt. Oder ob die Innenministerin damit ernsthafte Überschreitungen der Rechtsstaatlichkeit ankündigt, wie sie es in ihrem „Kampf gegen Rechts“ schon mal gerne tut. Etwa, wenn sie das Vereinsrecht missbraucht, um missliebige Medien zu verbieten. Denn eigentlich sollte eine Juristin und Innenministerin wissen, dass die Strafverfolgung Sache der Polizei und Staatsanwaltschaft, die Verurteilung Sache der Richter ist. Mischt sich in Deutschland wieder einmal die Exekutive in die Judikative ein und verhöhnt damit die Gewaltenteilung? Nichts ändert sich im neuen Jahr.
Auf X haben die üblichen Verdächtigen, die Debatte über ein Verbot von Silvesterkrachern hervorgekramt. Jörg Kachelmann, Tobias Schlegl, die Grünen Neukölln, zahllose grüne Troll-Accounts, deren Betreiber anonym auftreten, und Volker Quaschning. Weil sich fünf Menschen mit illegalem Sprengstoff getötet haben, wollen sie legale, zigfach geprüfte Raketen verbieten. Nichts ändert sich im neuen Jahr.
Seit Jahren hat die EU beschlossen, die Zeitumstellung abzuschaffen. Aber nichts passiert. Die Bürokraten können sich nicht darauf einigen, welche Zeit dann gelten soll. Aber das ist nur der Vordergrund. Der Hintergrund ist, dass ein solches Gesetzesverfahren mindestens ein monatelanges Verfahren benötigt. Die Luft dafür ist aber nur da, wenn das Thema tagesaktuell ist. Zweimal im Jahr. Die Debatte um das Böllerverbot kommt nur einmal im Jahr hoch. Jede Wette, dass sie sich an diesem Montag bereits erledigt haben wird – ebenso wie die Forderung nach Härte gegen die Angreifer auf Polizisten.
Am Ende zeigt die Debatte um das Feuerwerk, dass es Faeser und ihren politischen Vorhöfen nicht wirklich um das Feuerwerk geht. Ihre Debattenbeiträge sind Nebelkerzen. Um auf die eigene Agenda umzulenken und deren Forderungen neue Scheinargumente zu liefern. Und um von den eigentlichen Problemen abzulenken. Etwa, dass jedes Kind in Sachsen, Berlin oder Brandenburg illegal Sprengstoff aus dem EU-Land Polen kaufen kann. Oder dass es in den Gegenden, in denen Polizisten und Feuerwehrleute attackiert werden, nicht um das Feuerwerk an sich geht, sondern dass es nur Mittel zum Zweck ist.
Auf X machen Videos die Runden, in denen arabisch-stämmige Berliner Raketen gezielt in Fenster steuern und in denen – ebenfalls arabisch-stämmige – Berliner erklären, dass sie in diesen Vierteln das Sagen hätten und nicht die Polizei. Wenn sie später die Beamten in Lebensgefahr bringen, ist das kein Ausdruck übermäßigen Feierns – es ist ein Machtanspruch, der sich auf dieser Weise seine Bahn sucht. Es passiert im Übrigen in den gleichen, fast selben, Vierteln, in denen die Bewohner Süßigkeiten verteilen, weil sie sich darüber freuen, dass die Männer der Hamas Kinder getötet, Frauen vergewaltigt und Leichen geschändet haben. Wer dem Zehnjährigen im Saarland die Knallfrösche verbieten will, der 80-Jährigen in Konstanz die Böller oder dem 50-jährigen Handwerker in Unna die Raketen, der lenkt ab. Die meisten, die das tun, wissen das auch. Die anderen sind vernebelt.
In den besagten Vierteln wächst eine Jugend heran, hat zum großen Teil längst das Männeralter erreicht, die ihre Stärke spürt: ihre körperliche im direkten Vergleich. Vor allem aber ihre demografische. In einem immer älter werdenden Land sind sie der Nachwuchs. In den Schulen ihrer Viertel sind die Kinder der weißen Mehrheitsgesellschaft längst eine ungeschützte Minderheit. Wer immer stärker wird, will irgendwann Macht. Das ist eine unschöne Logik. Aber das hat Logik so an sich: Sie ist oft unschön.
Verständlich, dass sich Rot-Grüne und Christmerkelianer da ihre eigene Logik kreieren. Eine, in der die Täter von Neukölln, Wedding oder Steglitz nur missverstandene Unterdrückte seien, denen die Mehrheitsgesellschaft lediglich etwas mehr entgegen kommen musste. Zugegeben. Ja. Das hört sich viel versöhnlicher an. Ist aber halt auch hanebüchener Quatsch, den die Realität oft Lügen straft. Zum Beispiel an Silvester. Gerade an Silvester. Nichts ändert sich im neuen Jahr.