Nach fast zwei Monaten des Herumlavierens und der medialen Rufmordkampagne ist es also offiziell: Auch die Staatsanwaltschaft Berlin konnte nichts strafrechtlich Relevantes finden, das einen Prozess gegen Till Lindemann rechtfertigen würde. Das beinhaltet nebenbei sogar die Anschuldigung, Lindemann hätte ein Machtgefälle ausgenutzt, um mit einer 15-Jährigen eine sexuelle Beziehung einzugehen. Zu keiner dieser Anschuldigungen fanden sich – mit Ausnahme der medial aktiven Kayla Shyx und Shelley Lynn – Zeuginnen, die die Anschuldigungen zumindest soweit erhärten konnten, dass es überhaupt zu einer Anklage kommen könnte.
All die „mutmaßlich Betroffenen“, die in der Presse zu Wort kamen und für die die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) Gelder sammelte, hatten von ihrem Recht, mit der Justiz über die Vorgänge zu sprechen, keinen Gebrauch gemacht. Warum, wissen wir nicht. Aber die beiden naheliegendsten Erklärungen sind, dass, wie die AAS nicht müde wird zu betonen, die Frauen eingeschüchtert würden und womöglich das damit einhergehende Stigma fürchteten. Die andere Option ist, dass offensichtlich war, dass nichts strafrechtlich Relevantes vorlag und die Zeuginnen sich den unangenehmen Prozess einer Vernahme ersparen wollten.
Doch was möchte man von einer Presse erwarten, die in ihrer Zerstörungswut wie ein Heuschreckenschwarm bereits zum nächsten Feld weitergezogen ist und nun in gleicher Manier versucht, Harald Schmidt an den Pranger zu stellen?
Eine Stiftung, die auf das Vergessen hofft
Interessanter ist da schon das andere Szenario, das die AAS ins Feld führt. Frauen würden eingeschüchtert von den Anwälten Till Lindemanns und würden deshalb schweigen. Doch wie viel mehr Rückendeckung, als die weiter Teile der Presselandschaft, sowie einer der mächtigsten linken Vorfeldorganisationen Deutschlands, benötigen Frauen, um zumindest der Staatsanwaltschaft gegenüber auszusagen? Mit einer Zeugenaussage entstünden keinerlei Kosten und selbst wenn, sollten diese ja von der Spendensammlung der AAS gedeckt sein.
So fällt ein weiterer Dominostein in der Berichterstattung genau dahin, wo man ihn von Anfang an vermutet hatte. Noch im Juli beteuerte ein Mitarbeiter der AAS, man müsse erst einmal die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Berlin abwarten, bevor man eine Prognose stellen könnte, was mit den angeworbenen Geldern passiert. Nun, da das passiert ist, haben wir noch einmal folgende Anfrage an die AAS geschickt:
Angesichts der Einstellung der Ermittlungen gegen Till Lindemann durch die Staatsanwaltschaft Berlin drängt sich die Frage nach der Verwendung der von der Amadeu Antonio Stiftung im Rahmen der „Wie viel Macht 1€?“ Spendenaktion gesammelten 826.000 € mit erneuter Vehemenz auf. Da ein Großteil der „Beratung“ durch externe Partner und Beratungsstellen erfolgt und sich offensichtlich keine Zeuginnen fanden, die bereit waren, der Staatsanwaltschaft Auskunft zu erteilen, ist naheliegend, dass der überwiegende Teil der Spendengelder nun an den SHEROES Fund gehen wird. Können Sie das bestätigen?
Könnten Sie ebenfalls eine Einschätzung geben, warum trotz der zahlreichen Ermutigungen der Amadeu Antonio Stiftung keine der Zeuginnen sich bereit fand, mit der Staatsanwaltschaft zu reden? Haben Sie versucht, diesbezüglich in der einen oder anderen Weise auf die Zeuginnen einzuwirken?
Können Sie Auskunft darüber geben, ob die Gerichtskosten der Youtuberin Kayla Shyx, die die Spendenaktion aktiv bewarb und mit einer Unterlassungsklage von Till Lindemann belegt wurde, von diesen Spenden gedeckt wurden? Gerade in der jetzigen Situation erscheint Transparenz im Umgang mit diesen Spendengeldern als Notwendigkeit, um dem Verdacht eines Missbrauchs der Spendengelder vorzubeugen.
Diese Anfrage blieb bis zu der von uns gesetzten Deadline unbeantwortet, sodass Erklärungen notgedrungen im Reich des Spekulativen bleiben müssen. In unserem Gespräch im Juli setzte der Mitarbeiter seine Hoffnungen neben dem Ausgang der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auch auf eventuelle neue Ergebnisse des sogenannten „Rechercheteams“, also des Investigativ Recherche Verbunds der Süddeutschen Zeitung und des NDR. Ob und wann diese Recherche allerdings als abgeschlossen betrachtet wird (wenn sie das nicht bereits längst wurde), wird nicht transparent kommuniziert.
So vertröstete der Mitarbeiter der AAS uns bereits damals mit dem Hinweis, dass es womöglich noch zwei Jahre dauern könnte, in denen man abwarte, ob nicht doch noch jemand zivilrechtlich gegen Till Lindemann klagen würde. Doch wie wahrscheinlich ist so etwas, wenn die vielen angeblich Betroffenen in der jetzigen Situation, in der ein Großteil der Medien den Kopf von Till Lindemann forderte, schwiegen? Viel wahrscheinlicher ist wiederum, dass die AAS auf Zeit spielt und darauf hofft, dass die Nachfragen über den Verbleib der 826.000 Euro irgendwann aufhören. Diesen Gefallen werden wir der AAS aber nicht tun!