Tichys Einblick
Nach Sachsen und Thüringen

Phantasielos nach der Wahl: Christian Lindner macht als FDP-Chef weiter

So heftig wie die Ampel hat selten eine Bundesregierung Wahlen verloren. Trotzdem ändert sich nach Sachsen und Thüringen kaum etwas. Den Verantwortlichen fehlen Einsehen und Phantasie. Etwa Christian Lindner.

picture alliance/dpa | Michael Kappeler

Absurdes zu sammeln gehört zu den beliebtesten Hobbys. So besitzt Ronan Jordan laut Wisstihrnoch.de eine Kollektion ausgepresster Zahnpasta-Tuben, Angelika Unverhau aus Dresden 220.000 Kugelschreiber oder Mitsugu Kigai über 5000 Produkte aus der „Super Mario“-Reihe. Wem noch eine Idee für eine kuriose Sammlung fehlt, der kann es mit Parteien versuchen, die bei Wahlen besser abschneiden als die FDP: „TIERSCHUTZ! hier“ etwa holte bei der Sachsenwahl 2500 Stimmen mehr als die Partei Hans-Dietrich Genschers, die Freien Wähler sogar anderthalb mal so viele Stimmen wie die FDP. In Bremen waren die „Bürger in Wut“ fast doppelt so stark.

Zugegeben. Noch ist die Sammlung von Parteien, die an der FDP vorbeiziehen, überschaubar. Umso besser, jetzt einzusteigen. Denn es ist eine Entscheidung gefallen, die ein baldiges und rasantes Wachsen dieser Sammlung verspricht. Denn der Verantwortliche für die Niederlagen, Christian Lindner, will im Frühjahr nochmal als Parteivorsitzender im Amt bestätigt werden. Keiner aus der Parteiprominenz hat ihm widersprochen. Nicht einmal Wolfgang Kubicki. Wer der FDP vorwirft, deren Politik in der Ampel sei maximal sozialistisch, der tut der Partei Unrecht. Deren Festhalten an erfolglosem Personal ist noch viel sozialistischer.

Die Sachsen und Thüringer haben die Ampel-Parteien marginalisiert. Alle zusammen erhalten nur noch die Hälfte bis ein Drittel der Stimmen der AfD. Überraschend phantasielos ist angesichts dieser Pleiten ihre Aufbereitung. Es fällt den drei Parteien nichts Rechtes ein, um künftig besser zu arbeiten. Das verantwortliche Personal bleibt wie beschrieben komplett in Verantwortung – der weitreichendste Vorschlag kam noch von der Brandenburger Finanzministerin Katrin Lange, die ihre Parteivorsitzende Saskia Esken nicht mehr in Talkshows auftreten lassen will.

Auch inhaltlich akzeptieren die Ampel-Parteien meist nicht, etwas falsch gemacht zu haben. Die Grünen bemühen blumige Sprache und die Mühen der Ebene, um auch weiterhin die unkontrollierte Einwanderung zuzulassen. Die SPD will den Haushalt noch stärker überschulden, um alle möglichen Lieblingsprojekte finanzieren zu können. Als ob der ausufernde Staat für Deutschland die Lösung sei – anstatt sein Problem zu sein. Die FDP dreht an den kleinsten Schrauben, um vor verprellter Stammwählerschaft besser dazustehen. Etwa indem ihr Digitalminister Volker Wissing die Zahl der Klicks auf den Cookie-Button reduzieren will.

Das Beispiel zeigt, wie sehr die Ampel in Mauern eingesperrt ist. Da ist vor allem die überbordende und übergriffige Brüsseler Bürokratie. Die trifft auf eine deutsche Politik, die stärker als die jedes anderen EU-Landes bereit ist, die Brüsseler Vorgaben Vorschrift für Vorschrift zu befolgen – und selbst möglich nochmal genauso viele Vorschriften selbst hinzuzufügen. Vor diesem Hintergrund gerät selbst das Setzen von Anreizen fürs Arbeiten im Rentenalter zu einem neuen Bürokratiemonster. Dessen Umsetzung dann auch erst frühestens in drei Jahren möglich ist.

Wenn überhaupt, dann ändert die Ampel nur an kleinen Stellschrauben: Um 25 Prozent haben SPD, Grüne und FDP das Bürgergeld innerhalb eines Jahres erhöht. Dass Daheimbleiben sich nun für viele, besonders für körperlich hart arbeitende Menschen, mehr rentiert als Schuften, ist für die Ampel zum zentralen Problem geworden. In der Wirtschaft. Aber auch in der Rechtfertigung der eigenen Politik. Wie reagiert nun Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD)? Nach einer Erhöhung von 25 Prozent innerhalb eines Jahres verpasst er den Empfängern von Bürgergeld nun eine Nullrunde. Neutrale Berechnungen hätten zuerst die Erhöhung notwendig gemacht und nun die Nullrunde. Wissenschaftliche Berater, die der Ampel genau zu dem raten, was deren Vertreter ohnehin machen wollten, sind zum Markenzeichen der Bundesregierung geworden.

Nach der Wahl ist vor der nächsten Niederlage. Die Politiker der Ampel bleiben so arrogant, wie sie vorher waren. Esken will die Arbeit der Bundesregierung dem Wähler so lange „besser erklären“, bis auch dieses Dummchen versteht, was ihm da Gutes geschieht. Lindner verspricht weiterhin härtere Regeln für die Einwanderung, Entrümpelung der Bürokratie und bessere Bedingungen für die Menschen, die hart arbeiten – um dann später genau dem Gegenteil zuzustimmen. Das will er weiterhin in Doppelfunktion als Finanzminister und Parteivorsitzender machen. Den Christian in seinem Lauf, hält keine Niederlage auf.

Sich neu zu erfinden, ist die Stärke der FDP. Beziehungsweise: war die Stärke der FDP. Ihre Rolle als Mehrheitsbeschaffer der CDU war in den 60er Jahren ahistorisch geworden, also erfand sich die Partei als sozial-liberale Kraft neu. Als der Partei in den 90er Jahren der Rauswurf aus dem Bundestag drohte, schob sie die blassen Klaus Kinkel und Wolfgang Gerhardt nach und nach beiseite, um Platz für den charismatischen Guido Westerwelle zu machen. Weil die FDP da das Thema Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik nicht mehr glaubhaft vertreten konnte, trennte sich Westerwelle von bornierten und rückständigen Beratern, bekannte sich gegen deren „Rat“ endlich zu seiner Homosexualität und verlieh so der Partei ein zeitgemäßeres Antlitz.

Von solchen Ansätzen ist Christian Lindner meilenweit entfernt. 2017 hatte er noch richtig erkannt, dass der Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Deutschland schadet und nicht mehr fortgeführt werden darf. Doch seit 2021 sorgt Lindner mit der Ampel dafür, dass es mit genau dieser Politiker weiter und weiter und weiter geht. Sein Platz in der Geschichte wird in einem recht dunklen Raums dargestellt werden. In der Sammlung schillernder Wahlniederlagen jedoch gebührt Lindner eine Sonderausstellung.

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