Tichys Einblick
Gefährder und Straftäter evakuiert?

Nach der Luftbrücke steigt die Zahl der sicherheitsrelevanten Afghanen

Seit dem Fall Kabuls und der Evakuierung zahlreicher Afghanen nach Deutschland ist auch die Zahl der afghanischen Gefährder in Deutschland gestiegen. Ein Zusammenhang ist möglich. "Ortskräfte" sind unter den Evakuierten ohnehin nur eine kleine Minderheit.

Evakuierte Afghanen im US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein

IMAGO / ZUMA Wire

Es reicht eigentlich aus, die jüngsten Ereignisse noch einmal Revue passieren zu lassen, um die ganze Absurdität der Lage zu bemerken: In den letzten Tagen des August bemühte sich die Bundesregierung hektisch, »Ortskräfte« der Bundeswehr per Luftbrücke aus Afghanistan auszufliegen. Am Ende waren – laut Bundeswehr – 138 Ortskräfte zusammen mit ihren 496 Angehörigen nach Deutschland gebracht worden. Daneben wurden von der Bundesregierung aber auch mehr als dreitausend Afghanen evakuiert, die mit der Bundeswehr zuvor überhaupt nichts zu tun hatten. Das von der Bundesregierung eingeschlagene Narrativ lautete in der Folge, dass diese Personen der ebenso wertvollen wie bedrohten »Zivilgesellschaft« des neuen Afghanistan angehörten, jenes Afghanistans, das seit dem 1. September fürs erste und definitiv Geschichte sein dürfte – es sei denn die Afghanen wollen es wiederbeleben.

Die Pointe war aber, dass unter diesen insgesamt knapp 4.000 Afghanen, die die Bundesregierung auf eigene Rechnung nach Deutschland bringen ließ, auch 20 »sicherheitsrelevante« Personen waren, darunter sogar vier, die zuvor als Straftäter nach Afghanistan abgeschoben worden waren (TE berichtete). Der deutsche Staat hat mithin Straftäter auf generöse Weise als Teil der privilegierten Gruppe der »Ortskräfte und Assoziierten« erneut bei sich aufgenommen.

Gefährder und Straftäter evakuiert?
Wahre Rätsel geben allerdings einige weitere Zahlen auf, die die Bundesregierung nun aufgrund verschiedener Anfragen aus der Bundestagsfraktion der AfD herausgab. In einer davon ging es um die Zahl und Charakteristika islamistischer Gefährder in Deutschland, auch nach Nationalitäten aufgegliedert. Am 31. Dezember 2020 gab es laut der Antwort der Bundesregierung 28.715 extremistisch-islamistisch geprägte Personen, der Großteil davon aus salafistischen Bewegungen (12.500) und der türkischen Milli-Görüs-Bewegung (rund 10.000). Hier handelt es sich offensichtlich um Schätzwerte. Die krumme Gesamtzahl ist schein-exakt. Man weiß nicht genau, wie groß diese Kreise wirklich sind und welche Personen sich darin verbergen.
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Aus diesem weiten Feld ragen wiederum die 330 islamistischen Gefährder und 470 »relevanten Personen« (Stand: 1. Juli 2021) aus dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) »religiöse Ideologie« heraus. Dies sind also namentlich bekannte Personen, die den Sicherheitsbehörden in der einen oder anderen Weise aufgefallen sind. Unter diesen Gefährdern und »sicherheitsrelevanten« – also wohl auch irgendwie gefährlichen – Personen waren am 1. Juli 2021, laut Auskunft der Bundesregierung, angeblich acht Afghanen, nämlich ein Gefährder und sieben relevante Personen.

Das mutet zunächst einmal nicht viel an. Allerdings genügte ein Anis Amri, um zwölf Menschen zu töten und zahlreiche weitere in Mitleidenschaft zu ziehen. Die Zahl der Gefährder ist also nicht ganz trivial. Doch in der Antwort auf eine neue Anfrage des AfD-Abgeordneten Anton Friesen korrigiert die Bundesregierung anscheinend ihre eigene Zahl: Denn am 1. September 2021 ist nun in einer Tabelle die Rede von zwei (statt einem) afghanischen Gefährdern und von zwölf (statt sieben) »relevanten Personen«. 

Gefährder und Straftäter evakuiert?
Insgesamt gibt es nun 14 sicherheitsrelevante Personen afghanischer Herkunft in der Bundesrepublik statt nur acht. Dabei war die Zahl der afghanischen Gefährder und der relevanten Personen seit 2018 kontinuierlich gesunken. Muss man also schlussfolgern, dass die sechs neuen »sicherheitsrelevanten« Afghanen mithilfe der Luftbrücke nach Deutschland kamen? Horst Seehofer sprach Anfang des Monats nicht nur von einem afghanischen Vergewaltiger, der in einer Bundeswehrmaschine zurück nach Deutschland kam, sondern auch von einer Person, die »höher einzustufen ist«, und zwar nach übereinstimmender Ansicht von Deutschland, den USA und Großbritannien. Das klingt nun wirklich schon etwas nach nachrichtendienstlichen Einschätzungen.
Die moralische Fallhöhe unseres Staats gebietet eine Regeländerung

Friesen fordert deswegen, da eine Abschiebung afghanischer Gefährder in ihr von den Taliban regiertes Heimatland fürs erste nicht zu verwirklichen sein dürfte, zu verhindern, dass sicherheitsrelevante Afghanen überhaupt deutschen Boden betreten. Er fordert die Bundesregierung auf, »die Sicherheitsüberprüfungen für Afghanen in stabilen Drittstaaten vorzunehmen, bevor sie nach Deutschland einreisen dürfen«. In Europa haben zuletzt Dänemark und Großbritannien Schritte in diese Richtung angekündigt.

Selbstverständlich könnte es aber sein, dass auf dem Landweg des Asylrechts zwischen 1. Juli und 1. September afghanische Gefährder nach Deutschland kamen. Und zuletzt scheint ebenfalls möglich, dass sich die sechs Gefährder schon am 1. Juli in der Bundesrepublik befanden, aber erst später als solche eingeschätzt wurden. Wie dem auch sei, das Ergebnis ist dasselbe: Wenn afghanische Migranten deutschen Boden betreten, sind sie faktisch unabschiebbar geworden, allenfalls in andere EU-Staaten, wenn sie dort schon einen Asylantrag gestellt haben.

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