Tichys Einblick
Analyse nach der Bayern-Wahl:

Die Alten retten Söder

Ohne Opa und Oma gäbe es die Regierungspartei CSU so nicht mehr. Die nachfolgenden Generationen wollen keinen weichgespülten, mit einem „C“ garnierten Opportunismus. Regenbogen hin, Bäume umarmen her. Junge Leute wollen Zukunft, und die liegt jenseits der woke-grünen CSU und ihrer wetterwendischen Führung.

IMAGO / ActionPictures

Dabei hat er doch alles richtig gemacht, der Herr Söder, der Franke in der bayerischen Staatskanzlei. Rechtzeitig nach der letzten Wahl hatte er zum Beispiel „erkannt“, was er vor dem Urnengang letztes Mal so fest versprochen hatte: Kreuze in den öffentlichen Gebäuden. Es schien fast so, als wolle er sie selber aufhängen. Dann war es plötzlich ein Fehler, den er so nicht mehr machen würde. Na, toll!

Dann empfing er die latent antisemitische und Israel-feindliche Bewegung „Fridays for Future“ auf der Zugspitze und begrüßte die Kinder mit den Wörtern „Ich bin der Markus. Und das ist der Torsten, unser Umweltminister … Und was ihr macht, finde ich gut.“ Also näher an der Jugend war noch niemand. Auch an den Bäumen nicht, die es kameratauglich zu umarmen galt. Die Klimareligion ist in Bayern dank CSU nun fest etabliert. Die Jugend müsste jubeln.

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Als es so richtig eng wurde mit den Umfragen, lud eben jener Herr mal schnell zu einer Pressekonferenz in einen der Symbolorte der queeren und schwulen Bewegung ein, in die „Deutsche Eiche“ in München. Er verspricht dort einen „Aktionsplan für die LGBTIQ-Community in Bayern“. Na toll, da werden die Regenbogenfahnen bei der bayerischen Jugend doch zum Lobe des Meisters und dessen Anbetung geschwungen worden sein, wie man’s sonst nur von den Volksfesten der alten weißen Männer kennt.

Apropos Anbetung: Die ist eigentlich nur Gott vorbehalten, den eben jener Herr sogar noch ins Feld führte. Zwei Wochen vor der Wahl donnerte er grollend Richtung AfD: „Diese Leute kommen nicht an die Macht. So wahr mir Gott helfe.“ Schließlich ist jene Schwefelpartei ja vom Teufel! Pfui Deibel, wie man in meiner Heimat sagt. Blasphemie hat Konjunktur bei jungen Leuten. Also ein dreifach donnerndes Bravo für solche Lästerung aus C-Mund! Jubel!

Und jene Regenbogenfahne hatte er schließlich auch noch, weltweit übertragen, an seiner Staatskanzlei aufgezogen. Zum Christopher-Street-Day, so etwas wie das Altötting der schwulen Community. Für die Flagge eines Trachtenvereins würde er das wohl nie machen, das sind ja auch diese alten, anti-queeren und antiquierten Bajuwaren, die mit den Ausdünstungen ihrer Bier- und Schweinebraten-Orgien das Klima „nachhaltig schädigen“. Die Jugend müsste … Na, Sie wissen schon.

Das mit dem Regenbogen ist ja nicht neu. Den hatte der Franke ja schon kräftig illuminiert als ein Zeichen des mutigen, tapferen, alternativlosen Widerstands gegen … man staune: gegen den ungarischen (!) Ministerpräsidenten. Die Allianz-Arena, Heimstatt des mutigen, auch schon mal in Israel-zerstörenden Araber-Diktaturen spielenden FC Bayern, erstrahlte zur Gänze in den Farben, die der Christ eigentlich der Bibel zuordnet.

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Und er selbst präsentierte sich werbe- und wahlwirksam für die Jugend in Regenbogen-Maske. Schließlich war ja allerhöchste Gefahr: eine Völker-auslöschende Pandemie, die es mit allen Mitteln, auch „am Grundgesetz vorbei“ (so der linke Kollege Heribert Prantl von der SZ!) zu bekämpfen gilt. Wieder Punkte bei der Jugend, deren Zukunft es doch vor Tod und Pestilenz zu retten gilt.

Das Stadion und die meist jungen Fans wollte er, also der Herr der bayerischen Staatskanzlei, vor dieser Altherren-Ideologie Ungarns retten. Hatte das Land es doch gewagt, etwas „Homophobes“ zu beschließen. Da gilt es schon mal, tapfer Flagge zu zeigen. Bayern, so verkündete er, wolle damit ein Zeichen setzen „für die Freiheit unserer Gesellschaft“. Und das posaunte der Regenbogen-MP in jedes sich bietende Mikrophon: „Ein klares Bekenntnis gegen Ausgrenzung und für Toleranz und Freiheit“ sei diese Aktion. So wahr mir Gott helfe? Toleranz endet bei der von Brandmauern umgebenen AfD. Jubel der Jugend! So viel Gratismut gibt’s wirklich selten, das muss belohnt werden.

Doch die wird sich die Augen gerieben haben. Denn die Jugend in Bayern ist – nach den Sachsen – ganz offiziell an der Spitze in Sachen Bildung und Ausbildung. Während gegen den Bruderstaat der EU, den Öffner der Grenzen, was den 9. November 1989 erst möglich machte, tapfer demonstriert wurde, verkündeten die riesigen Werbetafeln am Spielfeldrand vor aller Welt: „Auf Wiedersehen in Katar.“ Also zur Fußball-WM. Klar, das ist ein queeres Paradies für Toleranz und Freiheit.

Da prallen zwei Realitäten aufeinander, die jedem halbwegs intelligenten Zeitgenossen die Absurdität vor Augen führen – oder sollte das ein Sinnbild für die bayerische Zukunft sein, die Grenzen sind ja weit offen: Auf Wiedersehen in einem neuen Deutschland ohne Frauen- und Schwulenrechte etc. pp. Dennoch: Die meist junge Szene jubelte begeistert in Richtung Staatskanzlei und lobte den Herrn „für alles, was sie gehört und gesehen hatten … und behielten sein Wort in ihren Herzen.“ Diese Weihnachtsgeschichte ist nicht von Ludwig Thoma, sondern Original …

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Alles richtig gemacht für das Wahlmenü! Chapeau! Dazu noch eine Prise Aiwanger-Schelte und einen Schuss AfD-Hetze. Der Sonntagabend ist gerettet. All die queeren, die jungen und fortschrittlich-woken Bayern werden es der CSU und ihrem großen Vorsitzenden schon zu danken wissen, was er alles geleistet hat. Auch die vielen Windräder und seine persönliche, mit Rücktritts-Drohungen garnierte Forderung zur Abschaltung der Atomkraftwerke.

Um 18 Uhr letzten Sonntag war Bescherung. Etwas, was die WELT so titelt: „Die Alten retten Söder — AfD bei den Jüngeren stark“. Und erinnert süffisant an eine Ein- (besser: Aus-)Lassung der CSU von vor zwei Jahren, dass die AfD nämlich bald aus allen Landtagen verschwunden sein wird. Doch da sei Söder vor. Das Handelsblatt doppelt nach: „Die AfD wird zum Magnet für junge Wähler“. Mit uns geht die neue Zeit … Im doppelten Wortsinn.

Tja, ohne Opa und Oma, also meine Generation, gäbe es die Regierungspartei CSU so nicht mehr. Die nachfolgenden Generationen wollen keinen weichgespülten, mit einem „C“ garnierten Opportunismus. Regenbogen hin, Bäume umarmen her. Junge Leute wollen Zukunft, und die liegt jenseits der woke-grünen CSU und ihrer wetterwendischen Führung. Die bayerische Jugend ist viel zu gut gebildet, um nicht Schein und Wirklichkeit, Opportunismus und Prinzipientreue unterscheiden zu können. Gott mit dir, du Land der Bayern …


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