Quietschenten, Töpfe und Kleiderbügel statt bisher nur Kunststoff-Verpackungen dürfen bald in die gelbe Tonne, die dann Wertstoff-Tonne heißt. Ob Tonne oder Sack entscheidet der Kommunen-Geschmack. Seit langer Zeit ist das die erste Neuigkeit in der Müll- und Entsorgungswelt. Ansonsten interessieren sich nur wenige für Themen der Müll-Zivilisation im Weltmeister-Mülltrennland wie das Geschehen bei einem der Großen der Entsorgungsbranche, der Alba Group tut, deren Mitinhaber Eric Schweitzer zugleich Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist.
Eric und sein Bruder Axel Schweitzer legten immer großen Wert darauf, Familien-Unternehmer zu sein. Anfang März berichtete das Handelsblatt, „Deutschlands zweitgrößter Entsorgungskonzern Alba sucht überraschend nach einem finanzkräftigen Mitgesellschafter“. Bis zu 49 Prozent Unternehmens-Anteile sollen laut Axel Schweitzer verkauft werden, um „das Wachstum im asiatischen Markt … und das Netzwerk in den Heimatmärkten“ zu verstärken: Dabei denke er nicht an einen Finanzinvestor, sondern an die Beteiligung eines chinesischen Unternehmens, weil in China das Abfallvolumen in den nächsten 10 bis 15 Jahren um weitere 50 Prozent steigen dürfte, da dort immer noch 80 Prozent Abfälle unbehandelt auf Deponien landen.
ALBA, einer der deutschen Abfallriesen wackelt
Standard & Poors setzte sein langfristiges Unternehmensrating der ALBA Group im Mai 2014 wegen schwacher Betriebsleistung und negativem Ausblick von B+ auf B herab, im September 2013 war ALBA schon von BB- auf B+ zurückgesetzt worden. Das deklarierte ALBA von einer spekulativen zu einer hochspekulativen Anlage um. In „der schwersten Krise seit zwanzig Jahren im Stahl- und Metallschrottgeschäft“ sah ALBA selbst die Ursache, den Anleihekurs habe das nicht beeinflusst. Beobachter nennen das Abwiegeln. Mehr ist es auch nicht, wenn Schweitzer der S&P-Einschätzung des Unternehmenswertes von ALBA mit 500 Millionen Euro einfach nur pauschal widerspricht.
In der Entsorgungsbranche pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass es den Gebrüdern Schweitzer nicht um „Verstärkung“ ihrer Aktivitäten durch einen Minderheitsinvestor geht, sondern um das „Abstoßen“ großer Teile oder des ganzen ALBA-Imperiums: Die 8-prozentige Mittelstandsanleihe in Höhe von 203 Millionen Euro läuft in drei Jahren aus und muss in einer Summe zurückgezahlt werden. Die von den Banken eingeräumte Option, diese Hochzinsanleihe vorfristig abzulösen, wurde – oder besser: konnte – nicht wahrgenommen – werden mangels Refinanzierungsalternative, sagen Marktinsider.
Wenn Ferdinand Piëch die Zukunftsfähigkeit von VW problematisiert, rauscht es im Blätterwald, der Blick auf die Entsorgungsbranche ist ein rares Medien-Ereignis. Auf ALBA hätten ein paar Journalisten mehr schauen können, wo doch eine von ihnen nicht länger Generalbevollmächtigte für Politik und Kommunikation bei ALBA sein will, was Verena Köttker seit 2008 war. Köttker hat eine Agentur für Politikberatung und PR mit Sitz in Berlin und Frankfurt am Main gegründet. Vor ALBA war sie zehn Jahre lang Parlamentskorrespondentin bei FOCUS und als Chefreporterin Politik bei BILD. ALBA nimmt sie als Kunden für PR und Interessenvertretung zum Thema Green Economy mit. Verbirgt sich dahinter auch eine ALBA-Sparmaßnahme, fragen sich Beobachter. Sind das schon die Vorboten eines Umzugs von Firma und/oder Firmensitz nach China, wo Axel Schweitzer, der mit einer Chinesin verheiratet ist, einen Zweitwohnsitz hat? Oder läuft es wie beim Branchen-Kollegen Scholz, den nur noch ein japanischer Investor 2014 vor der Insolvenz rettete?
Mit Henning Krumrey, früher FOCUS und zuletzt stellvertretender Chefredakteur der Wirtschaftswoche holt ALBA zum Jahresbeginn 2016 einen großen Namen als Leiter seiner Abteilung für Politik und Kommunikation. Er soll mit der Agentur seiner Vorgängerin zusammenarbeiten. Die beiden sind angesichts des schlechten finanziellen und wirtschaftlichen Zustands des Unternehmens nicht zu beneiden.
Umzug nach China oder chinesische Übernahme?
Den Geduldsfaden der ALBA-Gläubiger Deutsche Bank, Commerzbank und Unicredit schätzte Thomas Werres vom ManagerMagazin als „hauchdünn“ ein. „Bislang hatten die Banker versucht, die Sache geräuschlos zu regeln“, schrieb Werres, „Sie mochten nicht als Königsmörder erscheinen. Eric Schweitzer gehört als DIHK-Präsident zur ersten Garde der deutschen Wirtschaft.“ Doch seitdem ALBA „zum wiederholten Mal die Vertragsklauseln (Covenants) einer 203-Millionen-Euro-Anleihe gerissen“ hat, „wird das Papier mit einem spürbaren Abschlag gegenüber dem Nominalwert gehandelt.“ Großaktionäre, die bei der Übernahme der Kölner Interseroh zur Berliner ALBA stießen, sollen nicht mehr an die Zukunft der Gruppe glauben und ihr Recht auf Aktienrückkauf zum festen Peis wahrgenommen haben – schlecht für die Liquidität von ALBA. Ein Consulting-Unternehmen und die Investmentbank Rothschild schauen ALBA für die Gläubigerbanken über die Schulter. Als den entscheidenden Fehler stuft Christoph Schlautmann im Handelsblatt vor allem die unprofessionelle Finanzierung der Übernahme von Interseroh ein.
Dass sich seit 2012 Verlust an Verlust reiht, hatte das ManagerMagazin schon 2014 vermeldet. „Brüderkrampf“ und „Missmanagement“ titelte es wenig schmeichelhaft: „DIHK-Präsident Eric Schweitzer und sein Bruder Axel glänzen gern als erfolgreiche Kaufleute, doch ihre Müllfirma Alba ist hoch verschuldet und verdient kein Geld.“ In der Headhunter-Szene habe ALBA einen schlechten Ruf, weil „die Schweitzers Führungskräfte wechseln wie ihre Büroangestellten die Hemden. Alle drei Jahre etwa werden die Alba-Truppen einmal umgewälzt.“ Thomas Werres, der auch diese Geschichte schrieb, berichtete von einer Vereinbarung zum Bau einer Anlage in China mit einer neuen Technik, die aus Restmüll einen Ersatzbrennstoff macht, den es PR-trächtig „Grüne Kohle“ nennt. ALBA hat zwei Referenzwerke, aber nicht die notwendigen 150 Millionen Euro für das Projekt. Aber darüber scheint beim Besuch von Staatspräsident Xi Jinping im letzten Jahr nicht gesprochen worden zu sein.
Auch wenn die Probleme bei ALBA bisher vergleichsweise wenig Presse fanden, fragen sich Kenner der Wirtschaftsszene, wie lange sich der DIHK einen Präsidenten leisten will, dessen Unternehmen nicht zu den Leuchttürmen der deutschen Wirtschaft zählen kann.
Thermisches Recycling am Ende grüner
Beim Blick auf ALBA darf der auf die ganze Entsorgungswirtschaft und das Bild der Deutschen von ihr nicht ganz wegfallen. Axel Schweitzer sagte nach einem Bericht von Christoph Schlautmann, dass es ab 2030 keine Müllverbrennung mehr geben werde. Damit, so Schlautmann, bedient er das Klischee „Müllverbrennung und Umweltfrevel – eine Gleichung, die auch der mächtige Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) mit Vorliebe kolportiert.“ Schweitzers Polemik gegen Thermisches Recycling klingt nach Haltet den Dieb, ALBA zählt zu den Pushern der Wertstoff-Tonne.
In Wahrheit, schrieb ich im April, ist der direkte Weg ins thermische Recycling ganz wahrscheinlich der grünere. Auf Papier-, Glas-, Bio- und die graue Tonne würde sich dann das Trennprofil für die Bürger reduzieren. Dieser Weg, den die deutsche Energiewende wegen des Energiebeitrags der Entsorgungswirtschaft noch viel attraktiver gemacht hat, soll auch durch die Wertstoff-Tonne aufgehalten werden – nicht der Umwelt wegen, sondern aus – legitimen – Geschäftsinteressen. Aber davon in einem eigenen Beitrag demnächst mehr.