Tichys Einblick
Gleiches Recht, das war einmal

Nächstes Treffen radikaler Muslime in München geplant

Bei EU-Bürgern Martin Sellner und Janis Varoufakis soll per Einreiseverbot ein hartes Durchgreifen simuliert werden, das bei Islamisten oft schwerer fällt. Ein Taliban-Funktionär kann durch Europa tingeln und in Köln auftreten. Die schlimmsten judenhassenden Parolen dürfen auf den Straßen gebrüllt werden. Oder wie nun im Mai in München geplant ein Treffen mit Größen aus der Salafisten-Szene stattfinden.

IMAGO / Rolf Poss

Die deutschen Behörden machen es sich einfach. Es fällt offenbar leicht, einen EU-Bürger wie den griechischen, extrem linken Ex-Finanzminister Janis Varoufakis auszusperren oder abzuschalten, wenn er auf einem Berliner „Palästina-Kongress“ (Eigenbenennung) sprechen will. Ebenso scheint es leicht zu sein, ein Einreiseverbot gegen den österreichischen Ex-Identitären-Chef Martin Sellner zu erwirken – als demonstrative Sühne für sein Potsdamer Engagement. Beide EU-Bürger halten sich an Recht und Gesetz und haben ein sicher feststellbares Herkunftsland. Das hilft.

In Varoufakis’ Fall agierte man etwas verschämter. Erst war unklar, ob es vielleicht sogar ein Betätigungsverbot für ihn gab. Nun stellt sich heraus: Es war ein Einreiseverbot, zeitlich begrenzt vom 10. bis 14. April. Das wusste aber bis zur vergangenen Woche nur die Berliner Landespolizei, nicht die eher zuständige Bundespolizei, wie die taz herausfand. Merkwürdiger Fall. Unklar bleibt auch, wer das Einreiseverbot überhaupt aussprach.

Ein anderer Teilnehmer des Berliner Kongresses, der in England lebende 87-jährige „Fluchtforscher“ Salman Abu Sitta, hatte in einem Blog geschrieben, dass auch er zu den Terroristen des 7. Oktober hätte gehören können, wenn er jünger gewesen wäre. Während seines Livestreams wurde der Strom abgedreht und die Versammlung faktisch aufgelöst, damit entfiel auch Varoufakis’ Vortrag. Also nur viel heiße Luft vom linken Streithansel und Gründer einer derzeitigen Splitterpartei?

Gefährliche Querfront an der Südostflanke?

Anscheinend breitet sich auf Deutschlands Südostflanke eine gefährliche Querfront aus Remigrationstheoretikern und schärfstmöglichen Israelhassern aus, die es unbedingt abzuwehren gilt. Hinzu kam noch eine feministische US-Philosophin, die irgendwo im deutschen Westen eine Vortragsreihe halten wollte und verdutzt auf ihren gepackten Koffern (und dem schon gebuchten Flugticket) sitzen blieb. Der Rektor der Uni Köln hatte sie eiskalt ausgeladen, vielleicht auf einen Wink von oben. Auch um den Fall Nancy Fraser wird nun großes Getue veranstaltet, und offenbar ging es dem Rektor um einen Aufruf unter dem Titel „Philosophy for Palestine“, in dem unter anderem von einer zweiten Nakba die Rede ist, die Israel plane.

Das läuft dann auf einen Genozid-Vorwurf an Israel hinaus, der gerne so eingepackt wird, das Land tue nun das anderen an, was andere einst ihm angetan haben. Das ist eine so handliche politische Formel, dass sie die Absurdität des Behaupteten für manche schon wieder vergessen macht. Aus dem israelischen Defensivkrieg gegen mörderische Terroristen wird eine angebliche Blutspur durch den Gazastreifen, für die es keine Beweise gibt.

Trotzdem ist aber noch nicht klar, ob derlei absurde Meinungen – die auch Varoufakis vertritt – nun grundgesetzwidrig sind oder nur nicht in die aktuelle politische Landschaft passen. Werden Reden von EU-Bürgern oder anderen unterbunden, weil sie Öl ins Feuer der Pro-Gaza- und Pro-Hamas-Proteste gießen? Oder ist hier wirklich Justiziables berührt? Das müsste eine Klage von Varoufakis vor dem EuGH ergeben, die er vielleicht schon plant.

„Dunkle Tage“ als Begründung

Sellner hat bereits einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Potsdam eingelegt: Derzeit gilt sein Einreiseverbot daher nicht. Die Stadt Potsdam hält indes an ihrem Verbot fest, dessen Gültigkeit sich erst Mitte Juni entscheiden dürfte: „Das, was er von sich gibt, erinnert an dunkle Tage in Deutschland.“ Potsdam malt eine verhohlene NS-Botschaft in Sellners Worten an die Wand. Mit dieser Begründung kann man sich kein positives Urteil zu dem Potsdamer Verbot vorstellen. Das Brandenburger Innenministerium sieht die Chancen der Stadt denn auch skeptisch.

Die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern kann laut EU-Freizügigkeitsgesetz (FreizügG/EU) „nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ eingeschränkt werden. Aber wog die Unordnung, die Varoufakis auf einem Berliner Treffen verursacht hätte, schwer genug, um ihm sein Reiserecht als EU-Bürger zu entziehen? Das wäre hier die Frage. Und wie steht es um Sellners Unordnungsfaktor? Der dürfte aktuell auch ziemlich gering sein. Sellner wurde ja praktisch erst durch einen Correctiv-Text und das allmediale Trompeten so dermaßen bekannt, wie er heute ist. Bis jetzt hat er nur Diskussionen mit Gleichgesinnten und Interessierten angeregt, meist im kleinsten Kreis.

Dasselbe Verfahren kann man für hier lebende Ausländer nicht anwenden. Und das ist die Krux an einer „Islamischen Vortragsreihe“, die am 9. Mai in München stattfinden soll. Nach dem großen Islam-Treffen in Hamburg-Billbrook wollen sich in München gleich fünf bekannte Namen der extremistischen Islamszene treffen. Der Vorverkauf läuft, doch die Stadt habe begrenzte Eingriffsmöglichkeiten, heißt es. Vorerst wirft nur das Münchner Polizeipräsidium laut Abendzeitung ein waches Auge auf das Treffen.

„Kampf gegen Antisemitismus“ als Taqiya?

Wieder einmal ist der Ort des Treffens ein Hochzeitssaal, nun im Münchner Stadtteil Freimann. Auch im Hamburger Stadtteil Billbrook (Ausländeranteil 2022: 79,1 Prozent) war ein solcher Veranstaltungsort für das radikale Islamtreffen genutzt worden, angeblich in Unkenntnis des Vermieters, der den Mietvertrag dann nicht mehr auflösen konnte.

In der bayrischen Landeshauptstadt lädt unter anderem der Münchner Imam Ahmad Schekeb Popal zu dem Treffen im Mai ein. Popal hatte im Herbst Pro-Palästina-Demonstrationen organisiert, etwa am Odeonsplatz, wo er die Menge mit der Parole „Kindermörder Israel“ anstachelte. Zugleich hat sich Popal aber verbal von Antisemiten abgegrenzt, will hunderte Lehrer im „muslimischen Kampf gegen Antisemitismus“ geschult haben, zudem in einer Synagoge. Wie passt das zusammen? Alles nur Taqiya, Verstellung des frommen Muslims, um seine Ziele zu erreichen?

Neben Popal werden noch vier weitere „Islamspezialisten“ auf dem Treffen erwartet. Der Konvertit und Prediger Marcel Krass aus Hannover hat 150.000 Follower auf Instagram und verbreitet Salafismus reinsten Wassers in seinen Videos. Krass ist zudem eng mit dem Salafisten Pierre Vogel verbunden und hatte sogar Kontakte zu einem der Attentäter vom 11. September. Ahmad Mansour spricht von einer ganz „neuen Generation von Islamisten, die sich fast ausschließlich in den sozialen Medien bewegen und einen sehr professionellen Auftritt haben“.

Daneben ist der Münchner Ahmad Al-Khalifa dabei, der Leiter eines halbseidenen Islamischen Zentrums München (IZM), das vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Gegen Al-Khalifa wurde bereits wegen „enger Kontakte zu Terroristen“ ermittelt, seine Wohnung durchsucht. Am IZM gab es auch Sympathien für den 7. Oktober 2023. Ein Imam des Zentrums kommentierte den Terrorangriff auf jene Teile Israels, die an den Gazastreifen grenzen, mit den Worten: „Jeder hat seine eigene Art, den Oktober zu feiern.“ Samt Zwinker-Smiley. Angeblich handelte es sich um ein Missverständnis.

Ärger im Oktober: Imame warnten vor Eskalation

Weiter dabei: Mohamad Gintasi aus Wuppertal, ein Prediger, der wegen seiner „Aktivitäten im Milieu des Salafismus“ nicht eingebürgert wurde – zumindest ihn könnte man ja ausweisen –, und der Frankfurter Prediger Said Khobaib Sadat, der sich Juden und Christen nur in der Hölle vorstellen kann, weil „sie keine von uns sind“. Diese Informationen über das Islamtreffen beruhen vor allem auf Recherchen der Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (Firm). Seit den Pro-Hamas-Demonstrationen vom Herbst hat die Firm ihr Augenmerk auf den islamischen Extremismus erweitert. So fand die Informationsstelle „Verbindungen zu islamistischen Strukturen“ bei sieben von 13 Münchner Imamen, die einen Aufruf an den OB Dieter Reiter geschrieben hatten.

Dabei geht es um eine Ereigniskette aus dem letzten Herbst, als die besagten Imame den SPD-Oberbürgermeister gar vor einer „Eskalation“ in der Stadt warnten. Die Stadt hatte zuvor mehrere Demonstrationen verboten. In den sozialen Medien kam es zu Aufrufen wie diesem: „Es sind nur noch Israel Demos erlaubt. Wir Münchner werden aber den Unterdrückten eine Stimme verleihen. Dieter Reiter will uns verbieten?? Wer ist Dieter Reiter???!!!“ Daraufhin wollten die 13 Imame sich mit Reiter treffen, angeführt von dem „liberalen“ Penzberger Imam Benjamin Idriz. Der wollte allerdings auf keinen Fall allein mit dem OB sprechen, weil er „nicht der Vertreter aller Muslime in der Stadt“ sei, deshalb „wäre es klug, wenn wir alle zusammenkommen könnten.“

Man erkennt das Muster: Durch den einen „liberalen“ Imam soll dem Bürgermeister einer deutschen Großstadt ein waschechtes Treffen mit allen vertretenen Strömungen aufgenötigt werden, und zwar noch vor dem folgenden Freitag. In der SZ konnte man lesen: „Die Stimmung in den muslimischen Gemeinden sei sehr aufgeheizt, die Mitglieder wollten Antworten, wie sie friedlich Solidarität zeigen können, sagte Idriz: Und diese Antworten ‚erwarten sie am Freitag, wenn alle wieder in der Moschee versammelt sind‘.“

Frankreich: Ausweisung wegen Missachtung der Republik

Die Frage ist nun: Warum machen deutsche Behörden nicht Nägel mit Köpfen und weisen die extremistischen Prediger aus, so wie sie angebliche Unruhestifter aus EU-Ländern gar nicht erst einreisen lassen? In Frankreich ist das ein seit langem von der Politik beackertes Thema, und sogar die aktuelle Regierung hat dort erste Erfolge vorzuweisen bei der Ausweisung radikaler und extremistischer Imame zurück in deren jeweilige Herkunftsländer. Das neue Immigrationsgesetz hat – trotz aller seiner Schwächen – die Handlungsfähigkeit des französischen Staates in dieser Sache gestärkt.

Im Februar wurde ein Imam aus dem okzitanischen Bagnols-sur-Cèze ausgewiesen. Mahjoub Mahjoubi hatte seit 1989 in Frankreich gelebt. Eine Trikolore, also die Flagge in den Farben Frankreichs, bezeichnete er in einem später als „Lapsus“ bezeichneten Redeteil als „satanische Fahne, die keinerlei Wert bei Allah hat“. La Croix weist darauf hin, dass Mahjoubi auch in seiner Heimat Tunesien kaum derart aufwieglerische Reden halten können wird wie in Frankreich: Seit die Muslimbrüder dort die Regierungsmacht verloren, gibt es erneut eine strikte staatliche Kontrolle der islamischen Glaubensgemeinschaften, vergleichbar der Lage in Marokko oder Algerien.

Auf die Ausweisung Mahjoubis folgte die lange diskutierte Abschiebung des marokkanischen Hasspredigers Iquioussen, der zwischenzeitig nach Belgien geflohen war und von dort aus nach Marokko deportiert wurde. Iquioussen soll wie Mahjoubi den Muslimbrüdern nahestehen. Innenminister Gérald Darmanin hatte ihm neben „Aufrufen zu Hass und Ausgrenzung“ auch vorgeworfen, eine Vision des Islams zu vermitteln, die den Werten der Republik zuwiderläuft“.

Anzeige
Die mobile Version verlassen