Tichys Einblick
AMPELPOLITIK „BLANKE ILLUSION“

Mittelstand in Sorge vor Finanzkollaps wegen zu hoher Sozialabgaben

Für das Bundestagswahljahr 2025 werden Sozialabgaben auf mehr als 42 Prozent des Bruttolohns prognostiziert, in der nächsten Legislaturperiode geht es wohl weiter rauf auf 44 Prozent. Bis 2035 könnten sie über 50 Prozent betragen. Indessen steigt das Rezessionsrisiko auf fast 50 Prozent.

picture alliance/dpa | Markus Scholz

Bereits Ende Juni dieses Jahres wurde folgendes verlautbart: Eine neue Studie prognostiziert einen starken Anstieg der Sozialbeiträge in Deutschland. Bis 2035 könnten diese um 7,5 Punkte auf über 48 Prozent steigen. Im „ungünstigsten Fall“ sogar bei über 50 Prozent. Genauer gesagt bei 51,2 Prozent, jedenfalls hat dies die DAK errechnet.

Der Merkur titelte wie folgt: „Erwartete Kostenexplosion der Sozialbeiträge – Krankenkassen-Chef nennt Ampel-Politik ‚blanke Illusion‘“. Selbst durch sozialpolitische Maßnahmen zur Deckelung der Sozialbeiträge sei eine Erhöhung zu erwarten. Wobei der Vorstandsvorsitzende der DAK, Andreas Storm, von der Ampel-Regierung nicht mit einer solchen Maßnahme rechne.

Auch der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, warnte kürzlich vor einer Explosion der Krankenkassenbeiträge. Baas in einem Interview mit der Welt: „Ich gehe davon aus, dass wir bei den Krankenkassen Anfang 2025 im Durchschnitt 0,5 bis 0,6 Beitragssatzpunkte Erhöhung sehen werden, vielleicht auch mehr.“ Und weiter: Es wird „jedes Jahr zu Beitragserhöhungen kommen. Bis 2030 könnte der durchschnittliche Beitragssatz dann bei 20 Prozent liegen. … Sollen die Menschen irgendwann ein Viertel ihres Einkommens für die Krankenversicherung ausgeben müssen?“

Allgemein bekannt: Krankenkassenbeiträge werden jeweils hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmern bezahlt. Die hohen Sozialabgaben belasten auch die Betriebe. Bis 2035 könnten sie über 50 Prozent betragen. Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge steigen die Sozialversicherungsbeiträge nach Einschätzungen der Sozialversicherungsträger und der Regierung weiter an. Für das Bundestagswahljahr 2025 werden sie auf mehr als 42 Prozent des Bruttolohns prognostiziert, in der nächsten Legislaturperiode geht es wohl weiter rauf auf 44 Prozent.

Durch Bürgergeld ein Defizit von rund neun Milliarden Euro

Dazu ein kurzer Seitenblick: Bezieher von Bürgergeld sind bei den gesetzlichen Krankenkassen versichert. Die Bundesregierung zahlt für sie pro Kopf und Monat eine Pauschale in Höhe von 119,60 Euro in die Kassen ein. Im Ärzteblatt heißt es dazu: Die Gesundheitsausgaben für Menschen mit Bürgergeldbezug liegen weiter deutlich über dem Betrag, der aus Steuergeldern in das System der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) überwiesen wird. Insgesamt 9,2 Milliarden Euro pro Jahr fehlen dadurch der GKV, rechnet eine aktuelle Studie des IGES-Institutes im Aufrag des GKV-Spitzenverbandes vor. Heißt also: den Kassen entsteht pro Jahr ein Defizit, das aus dem Staatshaushalt nicht abgedeckt wird. Wobei Fakt ist, dass eine deutliche Mehrheit der Bürgergeld-Beziehenden in Deutschland einen sogenannten Migrationshintergrund hat. Bundesweit liegt ihr Anteil an allen Beziehern bei 63,1 Prozent, wie aus einer Erhebung der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervorgeht, aus der die Welt Mitte Mai zitierte.

Zu hohes Belastungsniveau

Nun gibt es einen Brandbrief der Familienunternehmen an die Bundesregierung, denn, wie die FAZ schreibt, die Rückkehr zu einem Belastungsniveau von 40 Prozent, das bis vor einigen Jahren als sozial- und arbeitsmarktpolitisch kritische Obergrenze galt, erscheine kaum noch möglich. Die Präsidentin der Familienunternehmer, Marie-Christine Ostermann, fordert laut der Welt „ein Notfallkonzept“, um die rote Linie der 40 Prozent Lohnzusatzkosten wieder zu unterschreiten. Die Grenze, ab der die Belastungen weder für die Arbeitnehmer noch für die Unternehmen tragbar seien, „ist deutlich überschritten“, kritisiert Ostermann: „Die Unternehmen verzweifeln an den Standortbedingungen.“

Die Familienunternehmer werfen der Ampel vor, „die Arbeitskosten auf ein nahezu prohibitives Niveau“ zu treiben und damit auch die Personalnöte zu verschärfen. Infolge der steigenden Lohnabzüge würden viele der gut ausgebildeten Arbeitnehmer mit besonders hohen Sozialabgaben auswandern, prophezeit Ostermann. „Von denen, die hierbleiben, werden immer mehr versuchen, ihren schrumpfenden Nettolohn mit Schwarzarbeit auszugleichen.“ Damit drohe der Finanzkollaps der sozialen Sicherungssysteme, der insbesondere die Babyboomer treffen werde. Scholz schlägt laut Welt bisher jedoch alle Warnungen etwa der Wirtschaftsweisen, der Bundesbank und des Bundesrechnungshofs in den Wind.

Insgesamt haben die Beitragszahler 2022 laut den Familienunternehmern 620 Milliarden Euro an die Sozialversicherungen gezahlt. Bei einer Steigerung des Beitragssatzes um einen Prozentpunkt würden sich die Zahlungen im kommenden Jahr nach Schätzung des Verbandes um bis zu 18 Milliarden Euro erhöhen. Diese absehbare Zusatzlast dämpft die Chancen, dass die deutsche Wirtschaft die seit über vier Jahren andauernde Flaute bald überwindet.

Kein grünes Wirtschaftswunder

Im Gegenteil. Das Rezessionsrisiko steigt auf annähernd 50 Prozent. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) bezifferte die Wahrscheinlichkeit dafür in den kommenden Monaten auf 49,2 Prozent. Anfang Juli habe sie noch bei 44,4 Prozent gelegen, wie das IMK zu seinem am Donnerstag veröffentlichten Indikator mitteilte. Alles deutet auf eine tiefe Rezession hin.

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt schrumpfte im zweiten Quartal um 0,1 Prozent, nachdem es in den ersten drei Monaten des Jahres noch zu einem Wachstum von 0,2 Prozent gereicht hatte.

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