Ist er nicht herrlich, dieser Eiertanz, den SPD und jetzt auch die Grünen rund um das goldene Kalb Zuwanderung aufführen? Wie sie tunlichst vermeiden wollen, die Erfordernisse der Zukunft bzw. die Verwerfungen von morgen, auch nur ansatzweise an ihrem Entstehungsort zu verhandeln?
Wieder hat mit der ZEIT eine als Leitmedien bezeichnete Publikation ein Papier zugespielt bekommen, das nun viral geht, alleine deshalb, weil alle andere mit zittrigem Bleistift etwas von der gewährten Exklusivität abschreiben wollen. Ein Medien-Informationssystem, das neuerdings Schule macht. Selbst die Linkspartei macht es heute so, dann, wenn Antworten auf Kleine Anfragen exklusiven Medienpartnern zugespielt werden. Und die Bundesregierung führt mit ihren Behörden ein vergleichbares Katz- und Mausspiel auf, wenn das Auswärtige Amt wie jüngst geschehen, der Presse mitteilt, Informationen gegenüber Medienvertretern würden generell ausschließlich vertraulich und nur „im Hintergrund“ gegeben werden.
Einzelne Medien schaufeln sich ihr Grab gerade selbst, wenn sie denken, mit solchen Deals gegenüber den Mitbewerbern im Vorteil zu sein, dann, wenn beispielsweise die Süddeutsche Zeitung mit dem zwangsgebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk in ein gemeinsames Recherche-Netzwerk eintritt.
Gerade steckten die Grünen mutmaßlich die Köpfe zusammen mit der ZEIT. Im Sprachgebrauch der Zeitung klingt das so: „In einem internen Strategiepapier, das ZEIT ONLINE vorliegt …“
Nach SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und seiner Forderung einer Überwindung von Hartz IV nun der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, mit einem Vorschlag direkt aus dem Schatten des nie versiegenden Füllhorns des überschüssigen Staatshaushaltes gesprochen: Das Märchen vom heißen Brei als Vorlage für eine heiß gestrickte Idee paradiesischer Zustände jenseits zukünftiger Neiddebatten zwischen Neubürgern und solchen, die schon länger hier leben bzw. eingezahlt haben.
Was will Habeck laut diesem ominösen, nun nicht mehr so internen Strategiepapier, und warum macht er es überhaupt? Kurz gesagt will er das bedingungslose Grundeinkommen. Aber zunächst beschränkt bitte auf Personen, die auch wirklich auf ein solches angewiesen sind. Also nicht das Paradies für alle, sondern eine Fahrkarte ins Paradies für solche, die dort noch nicht angekommen sind. Also dann, wenn man gewillt ist, die monatliche Zahlung einer mittelmäßig bescheidene Summe ohne Arbeit paradiesisch zu empfinden. Etwas, was schaffenden Menschen sicher eher von den Lippen kommt, als solchen, die schon länger in der Hartz-4-Erbfalle sitzen, also ihre Bedürftigkeit quasi weitervererben.
Altbundeskanzler Gerhard Schröder hatte bei der Einführung des Arbeitslosengeldes II erklärt, es gäbe kein Recht auf Faulheit und er ließ dieses Unrecht mit Sanktionen als gerechtfertigte pädagogische Maßnahme beantworten.
Drücken wir es zunächst ein wenig prosaisch aus: Robert Habeck will weit über ein Jahrzehnt nach Schröder den Menschen die ihnen von der SPD angetastete Würde zurückgeben, wenn er vorschlägt, dass ein Existenzminimum nicht mehr durch Sanktionen beschnitten oder gar ganz versagt werden kann. Hartz-IV bedingungslos und Mitarbeit bei den Jobcentern nur für die, die Lust dazu haben, alle anderen erhöhen doch eh nur den bürokratischen Aufwand.
Oder laut Auswertung des Geheimpapiers auf dem Schreibtisch von Zeit Online: „Habeck rechnet damit, dass in seinem System der Garantiesicherung vier Millionen Haushalte mehr Anspruch auf eine Garantiesicherung hätten, als heute bereits Hartz-IV-Leistungen in Anspruch nehmen. Es werde zwar mehr Empfänger der Garantiesicherung geben, aber weniger Armut, schreibt Habeck.“ Ist das nicht absolut wunderbar? Der Chef der Grünen gibt eine Weisheit an die ZEIT weiter, die brav diese sensationelle Erkenntnis berichtet, die da lautet: Wenn wir mehr Geld verschenken, sind weniger arm.
Konkret soll Habeck unter dem Schlagwort „Garantieversprechen des Sozialstaats“ Folgendes vorgeschlagen haben:
Abschaffung der Sanktionen und ausschließlich freiwillige Mitarbeit der Empfänger bei der Jobsuche. Wer nicht will, der muss auch nicht. Aber für die, die wollen, soll ein System von Anreizen und Belohnungen geschaffen werden.
Der bisherige Hartz-IV-Satz soll angehoben, das Verfahren selbst spürbar vereinfacht werden bis dahin, dass es kein Nebeneinander mehr von „konkurrierenden Sozialleistungen“ geben soll: Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Wohngeld und Bafög werden dann nach und nach in die neue Garantiesicherung überführt. Schlagwort bei Habeck: „Hilfe aus einer Hand.“
Und weil die Grünen ihre konservativen Ader entdeckt haben, möchte Habeck hier zurück zum guten alten Sozialamt, wenn er fordert: Die Garantiesicherung solle zudem von einer eigenständigen Behörde und nicht mehr von den Jobcentern ausgezahlt werden. Wäre ja auch doof, wenn das Jobcenter auszahlt, aber die Bemühungen um Jobs allenfalls freiwillig angenommen werden dürfen, dann, wenn das Gelächter der anderen verebbt, die sich schon länger im neuen Habeck-Paradies eingerichtet haben.
Leider ist noch Vermögen da oder ein schmuckes Eigenheim? Kein Problem für Habecks neuen Masterplan: „Nur wenn jemand mehr als 100.000 Euro besitze, solle dies auf die staatlichen Leistungen angerechnet werden.“, will die ZEIT aus dem ihr vorliegendem Dokument herausgelesen haben.
Und weil wir von spürbaren Arbeitsanreizen sprachen – auch hier hat sich der Grünenchef etwa ausgedacht: Wer zusätzlich Geld verdient, der soll davon mindestens 30 Prozent behalten dürfen, wo bisher je nach Einkommenshöhe 80, 90 oder gar 100 Prozent des selbstverdienten Geldes auf Hartz IV angerechnet wurden.
Was die ganze Habeck-Chose nun kostet? Nach dem Grünenchef etwa 30 Milliarden Euro im Jahr. Wie es finanziert werden soll? „Die Gegenfinanzierung muss aus einer gerechteren Verteilung der Wohlstandsgewinne dieses Landes erfolgen.“ Woher diese Wohlstandgewinne allerdings zukünftig gesichert kommen sollen, darüber schweigt sich Habeck aus. Und auch die exklusiv mit dem internen Papier ausgestatte ZEIT weiß darüber nichts zu berichten.