Tichys Einblick
Vom UBA erteilte Genehmigungen

Das Millionengeschäft mit den Klimaschutz-Attrappen

Mineralölkonzerne sollen Klimaschutzprojekte genutzt haben, um die Preise anzuheben – ohne jemals die Projekte umgesetzt zu haben. Das Umweltbundesamt erteilte offenbar Genehmigungen, ohne diese zu prüfen. In China, wo die Projekte stattfinden sollten, wundert man sich. Und Steffi Lemke schweigt.

Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesumweltministerin (Foto: 05.10.2023). Ihr untersteht das Umweltbundesamt, dass die Genehmigungen erteilte

picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow

Es gibt sie: Die Momente, in denen der ÖRR zu überraschen weiß. Frontal21 hat in seiner letzten Sendung über einen womöglich milliardenschweren Betrug bei Klimaschutz berichtet. Als Sprungbrett dienten die UER-Zertifikate, die von Ölkonzernen genutzt werden, um Klimaschutzvorgaben zu erfüllen.

UER steht für „Upstream Emission Reduction verification“ und soll dazu führen, dass der Sektor seine Emissionen zurückfährt. Die Emissionen können dabei innerhalb wie außerhalb der Europäischen Union reduziert werden. Die Kosten für diese Reduzierung geben die Mineralölkonzerne wiederum an den Verbraucher ab. Der Knackpunkt: Viele Konzerne haben die Spritpreise mit Hinweis auf UER erhöht, doch die vermeintlichen Projekte zur Emissionsverminderung sind eine Fata Morgana.

Das darf man wörtlich nehmen. Viele der vermeintlichen Zukunftsprojekte hat man in die chinesische Provinz Xinjiang verlagert, einerseits bekannt für den Uiguren-Konflikt, andererseits für die Taklamakan-Wüste. Dort sollten auf ökologische Art und Weise Gas und Öl gefördert werden. Doch einige Projekte existierten bereits vor dem vermeintlichen Bau. Andere gibt es gar nicht. Frontal21 geht von mindestens zehn Projekten im Wert von 350 Millionen Euro aus. Als Hauptverantwortliche benennt die Sendung: Shell, Rosneft und OMV.

Dabei tun die Mineralölkonzerne nur das, was immer bei unausgegorenen Ideen passiert. Mitnahmeeffekte sind unausweichlich. Das war bei der Streuung von manchen Corona-Hilfen so, das war auch beim Wärmepumpen-Hype oder dem Bürgergeld in Italien der Fall. Klimaschutz ist ein Geschäft. Wer da Kaperbriefe vergibt, sollte sich nicht wundern. Es gilt weiter das Piratenmotto: Nimm was du kriegen kannst und gib nichts wieder zurück.

Daher hat die grünlackierte Bürokratie einen nicht geringen Anteil am Missstand. Sie ist sogar gewarnt worden. Ob aus Schludrigkeit oder Desinteresse: Die Genehmigungen wurden ohne große Prüfung erteilt. Der Verband der Biokraftstoffindustrie sagt in einer Stellungnahme, man habe „offenbar nicht mal ein Mindestmaß an Initiative gezeigt“, um Projekte, „von denen von vornherein klar war, dass die betrugsanfällig sein werden“, ordentlich zu prüfen. Das sei „erschreckend“.

Die Chinesen hatten sich in Deutschland sogar selbst gemeldet, dass irgendetwas nicht stimmte. Ein Unternehmen erklärte etwa, es sei für fünf UER-Projekte gelistet, ohne daran teilgenommen zu haben. Der chinesische Konzern schrieb dem zuständigen Umweltbundesamt (UBA), dass all diese Projekte genehmigt hatte: „Wir vermuten, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass Dokumente gefälscht wurden und wir bitten dringend, dass Ihre Behörde dazu ermittelt.“

Bereits im August 2023 habe das Amt Hinweise auf mögliche Betrugsfälle erhalten. Sieben Projekte würden derzeit untersucht, eines sei schon annulliert worden. Von „Vorgetäuschten Projekten“ wolle das UBA aber nicht sprechen, dafür fehlten die Belege. Steffi Lemke, deren Umweltministerium dem UBA übergeordnet ist, stand dem ZDF nicht für eine Stellungnahme zur Verfügung. Sie machte stattdessen am Dienstag weiter Werbung für Tier- und Pflanzenschutz.

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