Tichys Einblick
Subventionsjäger waren erfolgreich

Millionen für Tageszeitungen und Anzeigenblätter aus dem Bundeshaushalt

40 Millionen Euro aus dem Steuertopf haben sich die deutschen Verleger in einer Nacht- und Nebelaktion erkämpft. Es ist wenig - und möglicherweise doch der Einstieg in die Staatsfinanzierung der Presse.

© Getty Images

Ist das Glas halb leer oder halb voll? Insgesamt 645 Millionen Euro an Steuergeldern wollten Deutschlands Tageszeitungsverleger für ihre Zeitungen und Anzeigenblätter. In einer Nacht- und Nebelaktion hatte Bundessozialminister Hubertus Heil im Haushaltsauasschuß des Deutschen Bundestags eine Zusage von 100 Millionen eingeschmuggelt. Nachdem TE diese Vorhaben in letzter Minute unmittelbar zu Beginn der Beratungen aufgedeckt hatte, wurden nun 40 Millionen bewilligt.

Gemessen also an den ursprünglichen Forderungen der Verlegerverbände ist das ziemlich wenig. Aber viel ist es, weil damit die Folgen der Mindestlöhne für die Verlage aufgefangen werden sollen – der Staat zahlt drauf, was er anderen Branchen verweigert: Höhere Mindestlöhne. Und unbestritten ist auch, dass die SPD indirekt einer der Hauptnutznießer sein wird, denn diese Partei verfügt über ein wahres Medienimperium, das jetzt mit den Subventionen gepäppelt wird. Und es ist der Einstieg in eine Art staatliche Gebührenfinanzierung der Verlage, die sich viele nach dem Vorbild von ARD und ZDF schon lange wünschen.

Interessant ist vor diesem Hintergrund die Mitteilung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, die uns dazu erreichte:

„Widerspruch! Hier geht es vielmehr um die Unterstützung der Zustellung, also eines nachgelagerten, technischen Bereichs. Der BDZV wird die Staatsferne privatwirtschaftlich geführter Zeitungsunternehmen immer verteidigen.
Das hat auch BDZV-Präsident Mathias Döpfner mehrfach nachdrücklich klargemacht. Wir lassen am Kern unserer Funktion – unabhängigen Journalismus für unser Publikum zu produzieren – nicht rütteln.“

Das seltsame Rechnungswesen der Verlage

Offensichtlich haben die Verleger zwei getrennte Kassen: Eine für den Gewinn und eine für die Vertriebskosten. Aber im Ernst: Wer Geld vom Staat erhält, stellt die verlegerische Unabhängigkeit in Frage. Die Folgen kann jeder beobachten, der auf der Fernbedienung die vielen Knöpfe drückt, hinter denen sich die Sender von ARD und ZDF verbergen – alle subventioniert, weil in den 50er Jahren der technische Vertriebsweg wegen der Frequenzknappheit beengt war. Das ist längt vorbei, es gibt so viele Kanäle, wie das Internet hergibt. Trotzdem werden weiter Gebühren erhoben, und zwar so hoch wie nie zuvor: Staatsgeld lockt nach noch mehr Staatsgeld.

Und ein besonders schlechtes Zeugnis stellte der Bundesverband der Anzeigenblätter den Kollegen von der Lokalpresse aus: Anzeigenblätter seien wegen ihrer journalistischen Leistung unverzichtbar. Warum das? Es gibt doch die lokalen Tageszeitungen – oder sind das nur noch dpa-Reproduktionsmaschinen ohne Bezug zum Lokalen? Den Eindruck mag man gewinnen, wenn man die Pressemitteilung der Anzeigenblatt-Verleger liest, die meist wiederum zu den Tageszeitungen gehören:

„Anzeigenblätter verleihen freiwillig Engagierten vor Ort die nötige Publizität, sie würdigen deren Einsatz für das Gemeinwohl und regen zum Mitmachen an. Besonders heute, wo gesellschaftlicher Zusammenhalt gefährdet ist, sind Informationen und Berichte über Bürgerschaftliches Engagement ein wichtiges Signal für die Zivilgesellschaft.“ Dass die Schweinebauch-Anzeigen von Aldi oder Lidl die Zivilgesellschaft stärken, ist nun wirklich originell. Man dachte, dies sei die Aufgabe von Tageszeitungen. Doch in diesem Duktus geht die Selbstbeweihräucherung zum Wohle der eigenen Kasse weiter:

„Besonders Anzeigenblätter haben sich in den letzten Jahren zu einer zentralen Säule entwickelt, die Vereinen und Organisationen die notwendige Öffentlichkeit verschafft. Dabei wirkt das lokale Medium auf zwei relevanten Feldern: Es ist wichtiger Treiber der Anerkennungskultur, die den regelmäßigen, freiwilligen Einsatz vieler Menschen in Deutschland würdigt. Und ihm gelingt es mit seiner ausgeprägten Pushwirkung, Termine und Veranstaltungen bekanntzumachen und noch nicht Engagierte zum Mitmachen zu inspirieren.“

Bislang dachte man immer, die Anzeigenblätter sollten die Leser in den Kaufrausch pushen. Aber das ist offensichtlich falsch gedacht. Es geht ihnen nicht um Werbung, sondern nur und ausschließlich um die Anerkennungskultur des Ehrenamts: Man lernt ja nie aus. Jetzt erhalten sie ca. 15 Millionen Euro vom Steuerzahler für ihre edlen Aufgaben, die man so noch gar nicht kannte, wenn man sie in den Mülleimer stopfte:

„Indem die Verlage mit ihren kostenlosen Wochenblättern ein so genanntes Public Good erzeugen, leisten sie einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Eine Infrastrukturförderung der Zustellung ist daher die Basis dafür, dass dieser wichtige Beitrag auch künftig geleistet werden kann.“

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