Tichys Einblick
TE 11-2023

Migrationsforscher: Ohne EU-Asylregel zerbricht Schengen-Raum

Der Bremer Migrationsforscher Stefan Luft fordert einen grundlegenden Systemwechsel in der europäischen Asylpolitik, hat aber wenig Hoffnung, dass es dazu kommen wird. Seinem Urteil nach fehlt es nicht nur in Deutschland am politischen Willen, der Krise Herr zu werden. Ein Gespräch

IMAGO

Bremen. Sollte die EU nicht bald die Migrationskrise in den Griff bekommen, erwartet der Bremer Migrationsforscher Stefan Luft einen Wettbewerb der EU-Staaten um die schlechtesten Asylbedingungen. Zum eigenen Schutz würden dann immer mehr Länder „sich gegenseitig dabei unterbieten, welches Land durch Restriktionen unterschiedlichster Art die schlechtesten Bedingungen für Asylsuchende herstellen kann“, sagte der an der Universität Bremen lehrende Forscher dem Monatsmagazin Tichys Einblick.

Gleichzeitig rechnet Luft damit, dass auch die EU ohne Binnenkontrollen scheitert, wenn es nicht gelingt, die Asylverfahren an den Außengrenzen oder in Drittstaaten durchzuführen und die EU-Außengrenzen zu sichern. „Wenn die EU davor kapituliert oder ihre Bestrebungen erfolglos bleiben, wird es notgedrungen zu deutlich umfassenderen Kontrollen an den Binnengrenzen als heute schon kommen müssen. Der kontrollfreie Schengen-Raum wäre dann Geschichte, solange die massenhafte Asylzuwanderung Richtung EU anhielte.“

Zudem könnte der Druck steigen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention wieder auf ihren Ursprung beschränkt wird, nämlich das Asylrecht in Europa zu regeln. Dazu müsste man sie „auf den Stand vor Ende der 1960er zurückdrehen, als sie noch ein Instrument war, ausschließlich innereuropäischen Flüchtlingen Schutz zu gewähren, was aufgrund des Ukraine-Kriegs ja leider wieder dringend erforderlich geworden ist. Das schließt die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen auf der Grundlage von Umsiedlungs-, sogenannten ‚Resettlement‘-Programmen in Zusammenarbeit mit dem UNHCR aus anderen Weltgegenden nicht aus.“ Zusätzlich könne die EU Sonderwirtschaftszonen in außereuropäischen Flüchtlingslagern wirtschaftlich fördern, in denen Flüchtlinge untergebracht werden könnten.


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