Tichys Einblick
Auf dem Weg in die Planwirtschaft

Mietendeckel: Die Marktwirtschaft im Berliner Wohnungsbau wird ausgebremst

Mit dem Mietendeckel wird die Wohnungswirtschaft ihre Investitionen in den Bestand drastisch – nämlich um bis zu 90 Prozent – reduzieren. Für die Handwerksbetriebe bedeutet das Auftragsrückgänge und Umsatzeinbrüche. Niemand weiß, wie es weitergeht.

Der Berliner Senat macht Ernst. Der „Mietendeckel“ kommt. Die Mieten sollen, so heißt es von der rot-rot-grünen Regierung, in den kommenden fünf Jahren „grundsätzlich“ nicht steigen dürfen. Dennoch soll der Wohnungsmarkt in bestimmten Grenzen „atmen“ dürfen.

Den „atmenden Deckel“ – semantisch und logisch natürlich Quatsch – kennen wir in anderen Zusammenhängen: Etwa als ein Instrument, um den Zubau der Onshore-Windenergie in Deutschland steuern. Oder von der Einigung von CDU und CSU zur jährlichen Migranten-„Obergrenze“. Wir „wollen erreichen“, so hieß es im Jahr 2017, dass die Aufnahmen die Gesamtzahl von 200.000 Menschen im Jahr nicht übersteigt.

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Konkret hat der Senat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das vorsieht, die Angebotsmieten für alle vor dem Jahr 2014 gebauten Wohnungen fünf Jahre lang einzufrieren. Der Mietendeckel für die Nettokalt-Mieten soll rückwirkend zum 18. Juni 2019 gelten. Was einen irren Verwaltungsaufwand zur Folge hat. Auch bei Neuvermietungen sollen die Mieten nicht steigen. Was heißt, dass frei werdende Wohnungen zu denselben Preisen wiedervermietet werden müssen, auch wenn die Miete weit unterhalb der neuen Mietobergrenzen liegt. Planwirtschaft à la SED lässt grüßen. Sogenannte Bestandsmieten sollen die Obergrenzen nicht überschreiten. Ist es doch der Fall, können Mieter ab Ende 2020 eine Absenkung beim Vermieter fordern. Der „atmende Mietendeckel“ sieht vor, dass ab 2022 ein Inflationsausgleich von 1,3 Prozent pro Jahr erlaubt sein soll.

Also werden alle, in dem Fall alle „positiv betroffenen“ Mieter zu den Bürgerämtern eilen. Eine Flut von Anträgen wird den Ämtern ins Haus flattern. Von diesem Bürokratiemonster einmal abgesehen – der Mietendeckel könnte in Berlin eine Wohnungsknappheit befördern, unter der also vor allem Neumieter leiden. Unterm Strich dürfte das Gesetz, gültig ab März 2020, vor allem den Besserverdienenden etwas bringen.

Die Wohnungswirtschaft schlägt Alarm. 25 Verbände und Organisationen, darunter die Baukammer Berlin, der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) und die Elektroinnung Berlin  haben einen offenen Brief unterzeichnet, um noch auf den letzten Metern den Mietdeckel zu verhindern. Doch der Appell verpuffte – das Gesetz ist bereits vom Senat beschlossen. „Mit dem Mietendeckel wird die Wohnungswirtschaft ihre Investitionen in den Bestand drastisch – nämlich um bis zu 90 Prozent – reduzieren“, heißt es in dem Schreiben. Ihr Befürchtung: Der Neubau werde nicht angekurbelt, Investoren konzentrierten sich stattdessen auf Gewerbe- und Eigentumswohnungsbau. Eine Mietenentspannung finde daher nicht statt.

Die Handwerksbetriebe sorgen vor allem Auftragsrückgänge und Umsatzeinbrüche, die sie jetzt schon spüren. Nach Bekanntwerden des Eckpunktepapiers am 18. Juni von Stadtentwicklungssenatorin Lompscher habe es Stornierungen, „teilweise im kleinen, aber auch im siebenstelligen Bereich“ gegeben, heißt es in dem Brandbrief. Niemand wisse, wie es weitergehe. Das größte Problem sei die Verunsicherung. „Wir haben keine Planungs- und Investitionssicherheit mehr“.

Ähnliche Stornierungen seien auch bereits im Neubaubereich festzustellen. „Insgesamt gehen der Baubranche in Berlin damit vorsichtig geschätzt im kommenden Jahr 590 Millionen Euro an Aufträgen verloren, was einem Viertel des Gesamtumsatzes entspricht“.

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Ein Blick in die jüngste Berliner Historie zeigt die Absurdität der dortigen Wohnungspolitik: Anfang der 2000er Jahre verkaufte Berlin Zehntausende Wohnungen. Die Stadt wollte die landeseigenen Wohnungen auf alle Fälle loswerden. Darunter auch an die Deutsche Wohnen, die man nun ja am liebsten enteigenen möchte. Außerdem wurde bekannt: Die kommunale Gesellschaft Gewobag kaufte vor kurzem knapp 6000 ehemalige Sozialwohnungen von Ado Properties zurück und erfreut damit die Aktionäre des Immobilienunternehmens. Der Kaufpreis für das Portfolio, das auch 70 Gewerbeeinheiten umfasse, lag bei 920 Millionen Euro. Geld von der Stadt sei nicht geflossen. Kaum vorstellbar, dass die Gewobag das Geld aus der Portokasse genommen hat. Oder die knappe Milliarde aus Rücklagen bestreitet.

Ado Properties (Luxemburg), bedankte sich höflich mit den Worten: „Wir freuen uns sehr, dass wir diesen Vertrag mit Gewobag abschließen konnten. Der Verkauf entspreche der Wertschöpfungsstrategie der Gesellschaft.“

Das letzte Wort zum Mietendeckel ist allerdings noch nicht gesprochen. CDU und FDP im Parlament kündigten bereits Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht an. Laut Aussage des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, ist der Mietendeckel verfassungswidrig.

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