Tichys Einblick
Steigende Zahlen bundesweit

Vor allem West-Metropolen haben Probleme mit Messerdelikten

An deutschen Bahnhöfen und in Innenstädten häufen sich die Fälle mit Messergewalt. Das zeigen neueste Zahlen der Bundespolizei, die auch nur ein Ausschnitt sind. Dagegen helfen aber keine Verbote, wohl aber die Erlaubnis zum Kontrollieren und Schützen.

IMAGO

Ein Obdachloser rastet vor dem Hauptbahnhof von Amsterdam aus. Es ist die kalte Jahreszeit, und so sind noch einige weitere Wohnungslose dort, die unter einer Überdachung Schutz suchen. Eine Handvoll Polizisten liefert sich Wortgefechte und versucht, die Aktionen des Manns zu begrenzen. Und da kommt auch schon die nächste ortsübliche „Wanne“, vollbesetzt mit Polizisten an, die so eindeutig in die Überzahl kommen und den „Aufstand“ im Keim ersticken. So wurde es erlebt. Als Video im Netz könnte der Titel „The Dutch don’t joke“ darunter stehen: „Die Niederländer spaßen nicht“. Und dabei war es nur ein Obdachloser, der mit Dosen warf.

Ob deutsche Polizisten mit derselben schneidigen, dabei aber auch irgendwie eleganten Effizienz vorgehen können, liegt offenbar nicht an ihrer Schulung, sondern daran, wie sehr ihnen durch Gesetze und Dienstregeln zugestanden wird, den öffentlichen Raum unaufdringlich zu sichern, wie es ihre eigentliche Aufgabe wäre. Und dazu wäre es wohl nötig, dass die deutschen Polizeien zunächst einmal personell ordentlich ausgestattet sind, wie der Polizeigewerkschafter Heiko Teggatz auch im neuesten TE-Interview nicht müde wird zu fordern.

Daneben fordert Teggatz , die Innenministerin solle „Ross und Reiter nennen“, wenn sie über Messergewalt in Deutschland spricht, also vor allem „bestimmte Personengruppen“ eindeutig benennen und ins Visier nehmen, durch die es derzeit an bestimmten Orten (Innenstädte, Bahnhöfe) gehäuft zu Messerangriffen kommt. Deutsche Bahnhöfe und Innenstädte werden damit zu möglichen Todeszonen. Denn begegnet sie einem einmal, kann man sich kaum dagegen wehren.

Polizei muss an Ort und Stelle sanktionieren

An solchen Hotspots wünscht sich Teggatz funktionierende Messerverbotszonen, an denen die Polizei präsent sein, kontrollieren und vor allem „sanktionieren“ könne. Dafür reichen allerdings die bisherigen Gesetze, sagt Teggatz, der zudem klarstellt: Es ist nicht das Jägermesser im Wald, das problematisch ist, das zweckentfremdete Küchenmesser auf dem Alexanderplatz aber sehr wohl. Und diesen Zweck hätten dann also die Messer- oder Waffenverbotszonen: Sie gäben den Polizisten einen Anlass, um nicht eindeutig verdächtige Personen zu kontrollieren und Taschen und Rucksäcke zu durchsuchen.

Allerdings scheint die Konkurrenz von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) das anders zu sehen. Messerverbote an Bahnhöfen seien prinzipiell eine sinnvolle Maßnahme, meint etwa der GdP-Vorsitzende Andreas Roßkopf, sieht aber Kontrollen „aus Anlass“ dieser Zonen nicht als gerechtfertigt an. Gesetzliche Änderungen seien nötig. „Momentan sind keine anlasslosen Kontrollen möglich.“ Die Uneinigkeit der beiden Gewerkschaften zeigt vielleicht am besten, wie sehr es zunächst eine öffentliche Verständigung über Möglichkeiten und Notwendigkeiten bräuchte, damit dann auch die Polizisten mit gestärktem Rücken in ihren Alltagskampf gehen können.

Auf der anderen Seite steht die Frage: Gibt es Kräfte in Deutschland, die vielleicht gar kein funktionierendes staatliches Gewaltmonopol wünschen? Und wenn ja, welche Kräfte sind das? Wo sitzen sie und wie hoch reichen sie im Staatsaufbau?

Messerhochburgen liegen im Westen der Republik

Die Bundespolizei hat nun Zahlen zu Messerdelikten an deutschen Bahnhöfen veröffentlicht. Dieselben bieten natürlich nur einen Ausschnitt, denn schon auf dem Bahnhofsvorplatz sind ja wiederum die Landespolizeien zuständig. Aber bemerkenswert ist doch, dass alle Spitzenstädte laut Bild im Westen der Republik liegen. Ganz weit vorne, was Messergewalt angeht, stehen demnach Hannover, Frankfurt am Main und Hamburg mit jeweils 46, 44 und 42 Taten in anderthalb Jahren. Es folgen Dortmund und Düsseldorf (beide 40 Delikte), Köln (30), Bremen (28) und Nürnberg (23). So hat es also auch eine fränkische Großstadt in die Top-Ten geschafft, obwohl die Polizisten im Freistaat laut Teggatz schon jetzt anlasslos kontrollieren dürfen.

Insgesamt gab es 1.012 Messerdelikte von Anfang 2023 bis Mitte 2024 in deutschen Bahnhöfen und Zügen, was doch noch einmal zeigt, dass sich das Phänomen breit in der Fläche verteilt. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kritisiert Nancy Faeser dafür, sich derzeit mit einer „Sicherheitstour“ in Wahlwerbung für die SPD zu versuchen, aber als Innenministerin nicht „hart zu durchzugreifen“. An den Hotspots der Gewalt müssten „klare Regeln und Verbotszonen“ her, meinte der Generalist. Faeser hat gerade erst angekündigt, den „Umgang mit Messern im öffentlichen Raum“ weiter einzuschränken. Das bedeutet ein Verbot für Messer über sechs Zentimeter Klingenlänge und ähnliche Placebo-Maßnahmen, die am grundlegenden Problem nichts ändern.

Der Osten holt auf

Für die AfD fordert der thüringische Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner stattdessen, was weder Linnemann noch Faeser fordern oder tun, nämlich „gesicherte Grenzen“, „harte Strafen“ und „konsequente schnelle Abschiebungen“.

Blickt man in die Fläche, dann ist die Anzahl der Messerangriffe zuletzt auch in den ostdeutschen Bundesländern steil angestiegen, so in Sachsen-Anhalt von 615 Taten im Jahr 2020 auf 1.069 im letzten Jahr (+ 74 %), wie auch der MDR https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/messerangriffe-statistik-taeter-nationalitaet-bedeutung-kriminologe-102.html seinen „Lesern“ nicht durchweg verheimlicht. In Sachsen ging es von 1.156 auf 1.373 Taten im gleichen Zeitraum (+ 19 %). Thüringen startete niedrig mit 106 Taten im Jahr 2020, die sich aber bis 2023 auf 418 Delikte vervierfachten (+294 %).

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