Tichys Einblick
Parteitag der CSU

Merz und Söders Strategie im Umgang mit den Grünen

Markus Söder hat eine neue Rolle. Die wievielte eigentlich? Aktuell ist der bayerische Ministerpräsident der Grünen-Basher. Das wird den Parteitag der CSU an diesem Wochenende in Augsburg prägen.

picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Markus Söder lässt sich als Politiker mit drei Worten beschreiben: Hüh und Hott. Der bayerische Ministerpräsident wechselt in einem atemberaubenden Tempo die Positionen. Er kann voller Verachtung verurteilen, was er selbst gerade noch selbst gefordert hat: etwa den Atomausstieg. Einst hatte Söder gemeint, wolle die CSU ihn behalten, müsse sie diesen mittragen. Doch da war grünes Hott gefragt. Längst ist Söder wieder zurück beim Hüh.

Ein Zurück zur Atomkraft steht auf der Tagesordnung des CSU-Parteitages, der über dieses Wochenende in Augsburg stattfindet. Reine Show. Denn unter Angela Merkel hat die Union den Atomausstieg beschlossen und unter Olaf Scholz und Robert Habeck hat die Ampel darauf aufbauend Fakten geschaffen, die einen tatsächlichen Weg zurück weit haben werden lassen. Doch es stört Markus Söder nicht, wenn Politik reine Show ist. Im Gegenteil. Ist Politik nur ein Gehabe zwischen Hüh und Hott, dann trägt sie Söders Wasserzeichen.

Genau so ist dann auch die Rollenverteilung zu verstehen, die sich Söder und Friedrich Merz ausgedacht haben. In der spielt der Bayer den Grünen-Schreck. Eine Zusammenarbeit mit der Partei komme nicht in Frage. Habeck und Annalena Baerbock müssten zurücktreten, wie es Söder in der Bild fordert: „Sie biedern sich der Union an in einer überraschend fast schon peinlichen Form.“ Damit liegt Söder sogar richtig. Doch das ist Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wer schon jede Meinung vertreten hat – und davon immer auch das Gegenteil – der muss irgendwann zwangsläufig richtig gelegen haben. Die Mathematik ist auf Söders Seite. Zu 50 Prozent.

Zwischen den Brandmauern
Markus Söders Schwindel mit seinem Kampf gegen die Grünen
Andere Darsteller aus der CSU haben die Aufgabe, den Sound ihres Chefs zu verstärken. Zum Beispiel Dorothee Bär. Die war selbst bemüht, als besonders woke aufzufallen, als grünes Hott gefragt war. Jetzt schießt sie im Deutschlandfunk gegen den Zeitgeist von gestern. Der Auftritt ist lustig. In jedem Ton ist Bär anzumerken, wie unbequem sie sich fühlt. Nicht weil sie umgeschwenkt ist. Bär ist vom selben Schlag wie Söder. Sie hält entschlossen an der Meinung fest, die im Moment gerade gefragt ist. Etwas anderes irritiert Bär in ihrem eigenen Auftritt.

Die Bundestagsabgeordnete weiß: In einem Jahr gibt es wahrscheinlich Koalitionsverhandlungen mit den Grünen. Dann will Merkels ehemalige Staatssekretärin wieder etwas werden. Wenn jetzt Bär Habeck einen „Totalschaden“ unterstellt, könnte das die eigenen Chancen minimieren. Deswegen trabt sie zwar brav dem Schweif ihres Chefs hinterher, hofft aber, dass sich daran in zwölf Monaten keiner mehr erinnert. Die Vergesslichkeit der Wähler gehört zu den größten Talenten und Hoffnungen einer Politikerin wie Dorothee Bär.

Kampf gegen die Meinungsfreiheit
Meldestellen im Netz: Grüne Zensur, gelbe Heuchelei
Genau mit diesem Effekt begründet sich auch das Rollenspiel von Merz und Söder. Die Grünen sind extrem unbeliebt. Ihre Wahlergebnisse brechen ein. Vor allem die Jungen laufen ihnen weg und bei Umfragen sind die Grünen die Partei, von der immer mehr Menschen sagen, sie würden sie auf gar keinen Fall wählen. Diese Wähler holt Söder mit seinem Bashing ab. Wie wenig das Wert ist, wie grün die CSU-Politik jenseits allen Theaterdonners ist, zeigen die Meldestellen. Bundesweit hebeln Habeck und die grüne Familienministerin Lisa Paus mit diesen die Meinungsfreiheit im Netz aus. Es ist das Land Bayern, das sie dabei unterstützt. Soll keiner behaupten, er würde zwischen Hüh und Hott wechseln – Markus Söder kann Hüh und Hott gleichzeitig.

Friedrich Merz wird, wenn es das Ergebnis hergibt, spätestens im nächsten Herbst mit den Grünen koalieren. Söder kann es egal sein, er bleibt in Bayern, wo er die Grünen nicht braucht. Und Bär muss hoffen, dass ihr Auftritt im Deutschlandfunk bis dahin vergessen ist. Das schränkt sie nicht ein. Nicht aufzufallen, wäre ohnehin das Beste, was einer Ministerin Bär passieren könnte – zumindest wenn sie im nächsten Job genauso versagt wie als Zuständige für Digitalisierung.

Die Union plant einen Wahlkampf, in dem sie die Stimmen der Grünen-Hasser einfängt. Wohlwissend, dass sie genau mit diesen Grünen zusammenarbeiten wird. Dann wird auch noch eine Kampagne gegen die Unzufriedenheit der Bürger notwendig sein. Denn an der ist alles schuld: Putin, Hass und Hetze, Putintrolle, das Internet oder russischer Einfluss. So denken zumindest Politiker wie Merz und Söder. Dass die Unzufriedenheit von verlogener Politik wie ihrer Grünen-Strategie herrühren könnte, kommt ihnen nicht in den Sinn.

Anzeige
Die mobile Version verlassen