Markus Söder lässt sich als Politiker mit drei Worten beschreiben: Hüh und Hott. Der bayerische Ministerpräsident wechselt in einem atemberaubenden Tempo die Positionen. Er kann voller Verachtung verurteilen, was er selbst gerade noch selbst gefordert hat: etwa den Atomausstieg. Einst hatte Söder gemeint, wolle die CSU ihn behalten, müsse sie diesen mittragen. Doch da war grünes Hott gefragt. Längst ist Söder wieder zurück beim Hüh.
Ein Zurück zur Atomkraft steht auf der Tagesordnung des CSU-Parteitages, der über dieses Wochenende in Augsburg stattfindet. Reine Show. Denn unter Angela Merkel hat die Union den Atomausstieg beschlossen und unter Olaf Scholz und Robert Habeck hat die Ampel darauf aufbauend Fakten geschaffen, die einen tatsächlichen Weg zurück weit haben werden lassen. Doch es stört Markus Söder nicht, wenn Politik reine Show ist. Im Gegenteil. Ist Politik nur ein Gehabe zwischen Hüh und Hott, dann trägt sie Söders Wasserzeichen.
Genau so ist dann auch die Rollenverteilung zu verstehen, die sich Söder und Friedrich Merz ausgedacht haben. In der spielt der Bayer den Grünen-Schreck. Eine Zusammenarbeit mit der Partei komme nicht in Frage. Habeck und Annalena Baerbock müssten zurücktreten, wie es Söder in der Bild fordert: „Sie biedern sich der Union an in einer überraschend fast schon peinlichen Form.“ Damit liegt Söder sogar richtig. Doch das ist Wahrscheinlichkeitsrechnung. Wer schon jede Meinung vertreten hat – und davon immer auch das Gegenteil – der muss irgendwann zwangsläufig richtig gelegen haben. Die Mathematik ist auf Söders Seite. Zu 50 Prozent.
Die Bundestagsabgeordnete weiß: In einem Jahr gibt es wahrscheinlich Koalitionsverhandlungen mit den Grünen. Dann will Merkels ehemalige Staatssekretärin wieder etwas werden. Wenn jetzt Bär Habeck einen „Totalschaden“ unterstellt, könnte das die eigenen Chancen minimieren. Deswegen trabt sie zwar brav dem Schweif ihres Chefs hinterher, hofft aber, dass sich daran in zwölf Monaten keiner mehr erinnert. Die Vergesslichkeit der Wähler gehört zu den größten Talenten und Hoffnungen einer Politikerin wie Dorothee Bär.
Friedrich Merz wird, wenn es das Ergebnis hergibt, spätestens im nächsten Herbst mit den Grünen koalieren. Söder kann es egal sein, er bleibt in Bayern, wo er die Grünen nicht braucht. Und Bär muss hoffen, dass ihr Auftritt im Deutschlandfunk bis dahin vergessen ist. Das schränkt sie nicht ein. Nicht aufzufallen, wäre ohnehin das Beste, was einer Ministerin Bär passieren könnte – zumindest wenn sie im nächsten Job genauso versagt wie als Zuständige für Digitalisierung.
Die Union plant einen Wahlkampf, in dem sie die Stimmen der Grünen-Hasser einfängt. Wohlwissend, dass sie genau mit diesen Grünen zusammenarbeiten wird. Dann wird auch noch eine Kampagne gegen die Unzufriedenheit der Bürger notwendig sein. Denn an der ist alles schuld: Putin, Hass und Hetze, Putintrolle, das Internet oder russischer Einfluss. So denken zumindest Politiker wie Merz und Söder. Dass die Unzufriedenheit von verlogener Politik wie ihrer Grünen-Strategie herrühren könnte, kommt ihnen nicht in den Sinn.