Tichys Einblick
Angela Merkels Corona-Taktik

Kanzlerin bereitet die Unionsfraktion auf scharfe Maßnahmen vor

Da können die Vorlagen der Bundesländer zur Bewältigung der Corona-Pandemie noch so gut gemeint sein, die Bundeskanzlerin ist mit der Schärfe der Maßnahmen erneut nicht zufrieden. Denn: „Je mehr sie die Bürger knechtet, desto höher sind ihre Zustimmungswerte“, erklärt ein Unionsfunktionär.

picture alliance/dpa/AFP/POOL | Odd Andersen

Bei der virtuellen Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag am Dienstagnachmittag machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Abgeordneten erneut den Ernst der Lage aus ihrer düsteren Sicht heraus klar. Im November seien die Inzidenzwerte bundesweit deutlich hochgegangen, also die Neuinfektionen jeweils innerhalb der letzten sieben Tage pro 100.000 Einwohner.

Dabei hatten die Regierenden einen „Lockdown Light“ über Deutschland verhängt. Auf hohem Niveau bewege sich Berlin und auch Sachsen, warnte die Kanzlerin in der Berliner Fraktionssitzung von CDU und CSU. In Thüringen sei der Inzidenzwert geringer und seit 2. November von 65 auf über 130 gestiegen. „Wir haben in der Woche jetzt 1.400 Tote, das ist eine hohe Zahl“, mahnte die heimliche CDU-Chefin. Am Donnerstag werde sie als Kanzlerin eine Regierungserklärung zur Corona-Lage abgeben.

Zuvor plant Merkel, bei allen gemeinsamen Maßnahmen von Bund und Ländern „noch einmal spezifisch heranzugehen.“ Mit anderen Worten: Merkel will wie immer weiter verschärfen. Die Menschen sollen am besten wieder zu Hause bleiben. Das Wort „Lockerungen“ steht auf dem Index der Bundesregierung.

Angst lässt Zustimmung für Kanzlerin steigen

Der Hintergrund: „Es war wieder mal das übliche Angstmachen von Merkel“, berichtet ein Teilnehmer der virtuellen Fraktionssitzung. Und ein einflussreicher Unionsfunktionär meint, die Kanzlerin wisse inzwischen: „Je mehr sie die Bürger knechtet, desto höher sind ihre Zustimmungswerte.“ Das habe inzwischen auch Bayerns Regierungschef Markus Söder kapiert. Deswegen sei er bei Verschärfungen immer ganz vorn dabei.

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Merkel bezeichnete vor der Fraktion die gestern Abend besprochene gemeinsame Vorlage der Bundesländer für Corona-Maßnahmen als „gutes Papier“. Die Überlegungen der Länder würden „zu großen Teilen die bundesseitige Unterstützung finden.“ Sie wolle aber „noch einige Gedanken dazu einbringen“ mit Blick auf ein „besonders hohes Infektionsgeschehen.“

Der Bund sei ja nicht nur für das Geld zuständig, sondern „wir müssen eine gemeinsame Aktion von Bund und Ländern haben, die Infektionszahlen herunter zu bringen.“ Der einfache Status quo bei den Zahlen helfe jedenfalls nicht, die Inzidenz zu verringern.

Viele Schnelltests vor Weihnachten

Das Infektionsschutzgesetz schaffe jetzt aber „ein Spannungsfeld“, denn Verordnungen dürfe man nur für vier Wochen machen. Merkel räumt ein: „Gleichzeitig wollen die Leute Klarheit haben, wie wird es Weihnachten, Silvester und zur Jahreswende?“ Deswegen würden die Maßnahmen zunächst bis 20. Dezember fortgesetzt. Am 14./15. Dezember wollten sich jedoch Bund und Länder gleich wieder zusammenschalten. „Wir müssen da ein paar Aussagen machen für Weihnachten und Silvester.“

Zudem könnten die Ferien vorgezogen werden. Dazu wolle man vor Weihnachten „Schnelltests in hohem Maße zur Verfügung stellen“, damit Familien sich dann sicher fühlen können.

Aber es gebe noch keine Aussagen wie es mit Hotels und Restaurants weiter geht.

Die finanziellen Hilfen des Bundes seien immens, betont die Kanzlerin. Merkel hofft, für die Jahre 2020/21, „die Gesamtverschuldung nicht dramatisch höher werden zu lassen“, und da „ungefähr im Limit zu bleiben.“

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Angesichts der ungeheuren Milliardenwelle neu geschaffenen Geldes und steigender Schulden dürfte dieses Merkel-Versprechen nicht sonderlich verlässlich sein. Dass die Gesamtverschuldung mit großer Wahrscheinlichkeit aus dem Ruder laufen werde, sagen Haushaltsexperten von Union wie FDP hinter vorgehaltener Hand. Merkel wolle mit ihren Prognosen nicht nur die Bundestagsabgeordneten der großen Koalition, sondern vor allem die Masse der Bevölkerung bis zur Bundestagswahl lediglich in Sicherheit wiegen.

Denn die Wirtschaftsaussichten sind alles andere als gut. Deutschland ist zur Nation der Kurzarbeiter geworden (siehe Grafik) und der Kurzarbeit folgt in einer Wirtschaftskrise meist stark steigende Arbeitslosigkeit.

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