SPD-Parteichef Lars Klingbeil schaffte es in der Sommerpause, den nächsten Streit mit dem Koalitionspartner FDP heraufzubeschwören – und gleichzeitig Millionen Ehepaare zu verärgern. In einem Interview mit RND schlug der Politiker vor, das sogenannte Ehegattensplitting abzuschaffen, also die gesetzliche Möglichkeit für Ehepaare, sich steuerlich zusammen veranlagen zu lassen. „Damit würden wir dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen. Und der Staat würde Geld sparen“, behauptete Klingbeil.
In Wirklichkeit kommt es beim Steuersplitting nicht darauf an, wer in einer Ehe mehr und wer weniger arbeitet: Das Einkommen von beiden wird in dem Verfahren zusammengerechnet, halbiert, und die Steuerschuld verdoppelt. Wenn Partner ungleich verdienen, dämpft diese Art der Besteuerung die Progression. Konkretes Beispiel: Ein Ehepaar, in dem der eine Partner 40.000 und der andere 20.000 Euro zum Einkommen beisteuert, beträgt die monatliche Steuerbelastung 172 Euro weniger als bei einer getrennten Besteuerung der beiden.
Bundeskanzler Olaf Scholz versucht offenbar, den Belastungsvorschlag seines Spitzengenossen, wie es in der Politikersprache heißt, wieder einzusammeln, jedenfalls teilweise. „Das Ehegattensplitting sei Gesetzeslage in Deutschland, sagte Scholz in einem dpa-Interview. Es gebe natürlich immer mal wieder Diskussionen, ob es nicht unverhältnismäßig ist, gerade bei denjenigen, die ein paar Hunderttausend Euro im Jahr verdienen. Aber für die Normalverdiener hat niemand vor, eine Verschlechterung vorzuschlagen, was jetzt die steuerliche Belastung betrifft.“
Für einen ehemaligen Finanzminister wirkt die Argumentation des Kanzlers erstaunlich. Denn prozentual profitieren gerade Normalverdiener-Paare bis 80.000 Euro Jahreseinkommen am stärksten vom Ehegattensplitting. Je deutlicher einer der Partner über der Spitzensteuer-Grenze von 62.810 Euro jährlich verdient, desto mehr verringert sich bei der gemeinsamen Veranlagung die Progressionsdämpfung. Das, was Scholz andeutet – eine Streichung des Ehegattensplittings für Besserverdiener – wäre verfassungsrechtlich kaum durchsetzbar – zumal der Gesetzgeber auch besserverdienende Paare als Erwerbsgemeinschaft behandelt, wenn es um die gegenseitige wirtschaftliche Unterstützungspflicht geht.
Inzwischen kursiert schon die nächste Idee, wie sich Arbeit stärker belasten lässt – angeblich mit dem Ziel, mehr Frauen als bisher zur Vollzeit-Arbeit anzuhalten. Der SPD-nahe Ökonom Peter Bofinger schlägt auf Twitter vor, die Regelung zu steuerfreien Minijobs zu streichen.
Denn von dieser Regelung würden vor allem „Gutverdiener-Paare“ profitieren. Dass diese Paare auch wesentlich zum Einkommensteuer-Aufkommen beitragen, erwähnt Bofinger nicht. Der Gedanke, dass Paare die Entscheidung, wer von ihnen wie intensiv arbeitet, möglicherweise aus guten privaten Gründen so treffen, scheint außerhalb der Vorstellungswelt des Volkswirtschaftsprofessors zu liegen.