Egal, was mittlerweile mehrere Gerichte entschieden – am 8. Oktober 2024 stehen Correctiv-Gründer David Schraven und seine Kollegen noch einmal im ganz großen Scheinwerferlicht. Dann nämlich verleiht die Medienstiftung der Sparkasse Leipzig seinen mit 5000 Euro dotierten „Preis für Freiheit und Zukunft der Medien“ an die Plattform Correctiv – ausdrücklich für deren längst kollabierte Geschichte über die angeblich geheime „Wannseekonferenz 2.0“ in Potsdam, die sich dann schlicht als Vorstellung eines schon bekannten Buchs des österreichischen Identitären Martin Sellner vor etwa 25 Leuten mit politischen Ämtern entpuppte. Fast zeitgleich mit der Preisträger-Bekanntgabe der Medienstiftung erlangte auch ein Urteil des Landgerichts Hamburg Rechtskraft: Correctiv-Gründer David Schraven wird darin eine zentrale Behauptung verboten. Er akzeptierte jetzt die Entscheidung der Richter.
Aber zunächst zur Begründung der Leipziger Sparkassenstiftung, in deren Aufsichtsgremium Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) den Vorsitz führt, Correctiv für eine Geschichte auszuzeichnen, von der faktisch nichts übriggeblieben ist: „Mit ihrem Votum für das 2014 gegründete Medienhaus Correctiv“, so die offizielle Mitteilung: „betont die Jury die Bedeutung von investigativem Journalismus für das Funktionieren demokratischer Gesellschaften. Gerade jetzt, wo die freiheitlich-demokratische Grundordnung in der politischen Auseinandersetzung durch gezielte Desinformationen, Halbwahrheiten und Falschbehauptungen immer heftiger angegriffen werde, komme dem investigativen Journalismus eine herausragende Kontroll- und Kritikfunktion zu.“
Gezielte Desinformationen, Halbwahrheiten, und Falschbehauptungen – all das enthielt das Correctiv-Stück in der Tat reichlich. Den Satz, bei dem Treffen sei die Vertreibung von Millionen geplant worden, auch von Deutschen mit Migrationshintergrund, entfernte Corectiv schon am Erscheinungstag des Textes im Januar 2024 klammheimlich wieder. Dann behauptete die Medienplattform, sie habe den Begriff „Deportation“ im Zusammenhang mit ihrem Text nie verwendet. Hatte sie sehr wohl – nämlich bei der Bewerbung einer eigenen Broschüre über das angebliche „Geheimtreffen“. Correctiv löschte den Begriff dann eilig von seiner Internetseite. Eine Falschbehauptung über den Vortrag, den der Jurist Ulrich Vosgerau in Potsdam hielt, musste Correctiv nach einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg aus dem Text entfernen.
Bei Oberbürgermeister und Stiftungsrats-Chef Jung klingt das Lob genau dieses manipulativen, unbelegten und mehrfach geänderten Correctiv-Textes dann so: „Diese Kontroll- und Kritikfunktion, das Anstoßen öffentlicher Debatten, das Aufdecken von Missständen, Korruption und unethischen Verhaltens, die Blickschärfung für das Agieren politisch extremer, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung feindlich gesonnener Personen, Organisationen und Parteien, hat Correctiv in hervorragender Weise wahrgenommen.“ Auf der Seite der Medienstiftung heißt es weiter über den Preisträger: „Correctiv ist ein durch den Journalisten David Schraven initiiertes und 2014 als gemeinnützige GmbH gegründetes investigatives Medienhaus. Die Arbeit wird durch Spenden sowie Förderungen von Stiftungen und Institutionen finanziert. In den vergangenen Jahren bildeten u. a. die Fälschung von Krebsmedikamenten, der CumEx-Skandal, die Struktur des deutschen Immobilienmarktes sowie rechtsextreme Netzwerke thematische Schwerpunkte der Arbeit von Correctiv. Recherchen über ein Treffen rechtsextremer und völkisch-identitärer Kreise sowie über den dabei besprochenen ‚Masterplan‘ für die ‚Remigration‘ in Deutschland lebender Ausländer sowie Deutscher mit migrantischen Wurzeln sorgten Anfang 2024 deutschlandweit für Demonstrationen für Demokratie, Vielfalt und Toleranz.“
Die Sparkassenstiftung übernimmt also einfach die Erzählung, für die Correctiv von Anfang an nie irgendeinen faktischen Beleg lieferte.
Allerdings: Nachdem schon die „Süddeutsche“ für ihre Beiträge über ein angeblich von Hubert Aiwanger verfasstes antisemitisches Flugblatt mit dem „Stern“-Preis geehrt wurde und Grünen-Chefin Ricarda Lang einen Tag nach dem tiefen Sturz ihrer Partei bei der EU-Wahl den Preis des „Politik Award“ in der Kategorie „Aufsteigerin des Jahres“ abräumte, geht auch der Preis an Correctiv für die hervorragend wahrgenommene „Kontroll- und Kritikfunktion“ in Ordnung.
Worum ging es nun in dem oben erwähnten jüngsten Urteil des Landgerichts Hamburg? Zunächst hatte Plattform-Gründer Schraven bei einem anderen Verfahren erklärt, bei den entscheidenden Aussagen des Corectiv-Textes, mit dem dann eine wochenlange politisch-mediale Großkampagne begründet wurde, handle es sich um reine „Wertungen“.
Später behauptete Correctiv-Gründer Schraven dann in einem Interview mit der FAZ, das Landgericht Hamburg hätte die im Correctiv-Bericht enthaltenen Darstellungen als „prozessuale Wahrheit“ bestätigt. In Wirklichkeit befasste sich das Gericht damals gar nicht mit der Gesamtdarstellung von „Correctiv“ zu dem angeblichen Geheimtreffen, sondern mit Randaspekten.
Gegen Schravens Behauptung in der FAZ klagte der Jurist Ulrich Vosgerau in Hamburg, und bekam Recht: das Gericht verbot Schraven die Falschbehauptung. Nach einer Mitteilung des Rechtsanwalts Carsten Brennecke von der Kanzlei Höcker, der die Klage vertrat, erkannte „Correctiv“ das Urteil jetzt an. Es ist damit, wie schon erwähnt, rechtskräftig.
Interessant ist nun die Frage, wer am 8. Oktober in Leipzig die Laudatio auf Correctiv hält. Es würde sich anbieten, den mehrfach preisgekrönten früheren SPIEGEL-Mitarbeiter Claas Relotius damit zu beauftragen. Zeit dafür hätte er bestimmt.