Mainz. Nicht nur der Spiegel hat seit Jahren verfälschte Nachrichten veröffentlicht. Diesen Trend sieht der renommierte Medienforscher Matthias Kepplinger in der gesamten Medienbranche, inklusive der führenden Talksendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. „Der Einfluss von Vorurteilen auf die aktuelle Berichterstattung ist weder auf den Spiegel beschränkt noch auf Reportagen. Es handelt sich um einen verbreiteten Mangel deutscher Medien, der die Anmoderation von Nachrichten und Berichten prägt, die Auswahl und Beschriftung von Bildern lenkt sowie Interviews zu Verhören macht – mit Anschuldigungen in Frageform“, stellt Kepplinger in einem Gastbeitrag für das Monatsmagazin Tichys Einblick des früheren WirtschaftsWoche-Chefredakteurs Roland Tichy fest.
Kepplinger sieht einen „Mangel an kritischer Distanz zu medientypischen Meinungen und der Einfluss solcher Vorurteile auf die wertende Präsentation von Problemen“. Der Medienforscher sieht einen verbreiteten Anspruch auf Deutungshoheit bei den Medien. Dabei beobachtet Kepplinger eine „reflexartige Flucht in eine Opferrolle, auch bei sachlicher Kritik verbunden mit der Verdächtigung von Medienkritik als Angriff auf „die“ Medien oder „die“ Pressefreiheit. Den Kern des Skandals bilden also nicht die vielen Fälschungen von Relotius, sondern die Mängel des Systems, das ihn gefördert, gefeiert und geschützt hat.“
Der Medienwissenschaftler kritisiert, dass Journalisten im Gegensatz zu Wissenschaftlern aber kaum bereit sind, Kollegen zu kritisieren. „Dieser Mangel an Kollegenkritik ist typisch für Journalisten und unterscheidet sie von Wissenschaftlern“, schreibt Kepplinger. „Bei einer Befragung von 130 Journalisten und 160 Wissenschaftlern zur Notwendigkeit namentlicher Kritik in der Tagespresse am fachlichen Fehlverhalten von Kollegen waren nur ein Prozent der Journalisten und 37 Prozent der Wissenschaftler für eine namentliche Kritik an dem Kollegen.“
Dabei sind Fälschungen wie durch Spiegel-Redakteur Claas Relotius gar nicht nötig, um gewünschte Ergebnisse zu bekommen. „Wie man auch ohne erfundene Fakten die Präsentation und Bewertung von Problemen verzerren kann, demonstrierten die Talkshows „Anne Will“, „Menschen bei Maischberger“, „Günther Jauch“, „Hart aber fair“ (alle ARD) und „Maybrit Illner“ (ZDF) über Migration von Anfang Juni bis Anfang September 2015“, erklärt Kepplinger. „Die Talkmasterinnen und -master machten schon am Beginn der meisten Sendungen deutlich, dass sie eine erhebliche Zuwanderung für sachlich richtig und moralisch geboten hielten. Ihre Gäste waren handverlesen.“ Die meisten Gäste hätten sich „entschieden für eine erhebliche Zuwanderung“ ausgesprochen. „Die wenigen Gegner wurden oft unterbrochen, ihre Aussagen missbilligt oder infrage gestellt“, so Kepplinger.
Den gesamten Beitrag von Matthias Kepplinger lesen Sie in der neuen Ausgabe von Tichys Einblick 02-2019 >>>