Tichys Einblick
Harris-Hymnen und Swift-Stellungnahmen:

Der mediale Einklang nach dem Harris-Trump-Duell geht weiter

Medien berichten nach dem TV-Duell des US-Präsidentschaftswahlkampfs unisono vom Bild des „Wüterichs“ Trump und einer überlegen lachenden Kamala Harris. Damit ist deutlich: Die mediale Wahlkampagne wird ungemindert fortgesetzt und Trump muss seine Strategie anpassen.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Brandon / Collage: TE

Wer ein wenig Medienerfahrung hat, hätte heute morgen vor dem Öffnen der Nachrichtenseiten im Internet Wetten auf die Berichterstattung abschließen können. Das erste Fernsehduell von Kamala Harris und Donald Trump wurde zur Fortsetzung der Harris-Kampagne der letzten Wochen gekürt. Da darf es wenig überraschen, dass selbst das zuvor so zurückhaltende Wahlkampfteam von Harris nun sogar ein zweites Duell ansetzen möchte.

Die Umfrage des Fernsehsenders CNN ergab in einer ersten Umfrage, dass 67 Prozent der Zuseher Harris als Siegerin des TV-Duells sahen. Dabei war es vor allem die Tatsache, dass Harris sich besser als erwartet präsentierte, denn ihre tatsächliche Sachpolitik, die zu diesem Urteil führte. Die meisten Zuseher waren der Meinung, dass Trump in den Kernthemen Wirtschaft und Migration inhaltlich gepunktet hatte. Angesichts der Nähe von CNN zur demokratischen Partei bietet sich der Vergleich mit den konservativen Fox News an, die zwar ebenfalls Harris einen Achtungserfolg zubilligten, diesen aber vor allem im Versäumnis von Trump sahen, seine Kernthemen Wirtschaft und Migration „auf eine dem Wähler verständliche Art und Weise“ zu vermitteln.

Mit seiner markanten und aggressiven Rhetorik bot Trump an diesem Abend zwar den gewohnten Unterhaltungswert, doch dürfte er damit wenig potenzielle Wechselwähler angesprochen haben, zumal den bekannten Trump-ismen im mittlerweile dritten Präsidialwahlkampf der Neuigkeitsfaktor fehlt. So sehr diese zwar eingefleischte Trump-Fans amüsierten, boten sie auch den Medien entscheidende Angriffsflächen, um ihre Narrative von einem Trump außer Rand und Band fortzuspinnen.

Berichterstattung aus einem Guss

Der Tenor setzte sich vorhersehbar in der deutschen Medienlandschaft fort. Der Spiegel titelte seinen Leitartikel „Die Coole und der Wüterich“ und sagte damit alles, was man dem Wahlvolk vermitteln wollte. Ebenfalls offenbarte sich beim Spiegel die zweite Konstante der Berichterstattung über das TV-Duell. Denn die Verlautbarung nach dem Fernsehduell von Taylor Swift – die bereits seit Monaten eine Konstante in der Berichterstattung über den US-Wahlkampf darstellte –, sie würde Kamala Harris wählen, durfte zwar niemanden überraschen, gereichte aber fast allen Medien zur parallelen Zweitmeldung über den fortgesetzten Siegeszug von Harris. Überraschend an dieser Meldung war eher die Tatsache, dass Swift ihre Entscheidung mit ihrer Sorge um KI-Manipulationen durch die Republikaner begründete, ein Nebenschauplatz, der im Rahmen der Berichterstattung noch für einige hochgezogene Augenbrauen sorgen würde.

Als hätten sich die bundesdeutschen Leitmedien abgestimmt, oder zumindest aus derselben Schublade geschöpft, liest es sich auch andernorts fast wie beim Spiegel. Die Süddeutsche Zeitung gönnt sich gleich zwei spöttische Kommentare. „Es ist einfach nur noch peinlich“ lautet zum Beispiel der Titel der Berichterstattung aus der „demokratischen Hochburg Manhattan“ – Objektivität garantiert. In diesem Text arbeitet sich die Süddeutsche besonders an Trumps Behauptung, Migranten würden Katzen und Hunde essen, ab und diffamiert diese als lächerlich. Allerdings tauchten in den letzten Jahren – auch in Europa – wiederholt unbestätigte Videos auf, die solche Praktiken zumindest als möglich erscheinen lassen.

Vor allem aber erweist sich die Empörung der Medien mal wieder als vollkommen humorlos, denn Trump spielte bereits in der Vergangenheit bewusst mit Memes und so zirkulierten bereits vor dem TV-Duell reihenweise (leicht erkennbare) KI-Bilder im Internet, auf denen Trump Katzen und andere Haustiere vor dem Zugriff durch Migranten beschützte. Anstatt aber auf diesen anarchischen Humor mit einer passenden Replik zu antworten, nutzen der Medienapparat und Taylor Swift diese eindeutig humoristischen Bilder für eine weitere Regulierungs- und Verbotsoffensive.

Dem Spott und Hohn noch nicht genug, legte die Süddeutsche mit ein weiteren Kommentaren nach:„In Harris hat Trump seine Meisterin gefunden. Aber das Rennen bleibt knapp“, „Harris drängt Trump in die Defensive“ und sogar ein Liveblog zu „Taylor Swift unterstützt Kamala Harris“. Die Lehre aus solcher Berichterstattung kann nur sein, dass man wohl sogar Joe Bidens Auftritt im ersten TV-Duell hätte zurechtschreiben können, wenn man nur an ihm festhalten hätte wollen.

Wie Biden vom Staatsmann zur Lachnummer wurde

Apropos Joe Biden: Die Zeit machte vor, wie schnell man die eigenen Lobeshymnen auf den noch vor wenigen Monaten gepriesenen US-Präsidenten vergessen kann. „Die Bidenisierung des Donald Trump“ lautet die Überschrift, die Trump als zum alten Eisen zugehörig erklären möchte. Ein weiterer Beitrag analysiert: „Sie findet ihre Rolle, er verliert die Fassung“. Ob einer von beiden irgendwas davon tat, ist unwichtig, es zählt wie immer das Narrativ. Und natürlich die obligate Meldung, dass Taylor Swift nun auch für Kamala Harris stimmen wolle. Denn so sehr sich manch kritischer Medienkonsument fragt, ob solche Kampagnen tatsächlich Wirkung erzielen, so muss man bei genauerem Hinsehen und entsprechender Desillusionierung feststellen: Ein wenig hilft es scheinbar noch immer!

Bei der Welt gibt man sich entsprechend dem fluiden Profil zwischen den Fronten zwar etwas weniger bestimmt, kürt aber ebenfalls Harris zur Siegerin und spottet, dass Trump „eine Kaskade von Umfragen“ gepostet habe, die ihn zum Sieger erklärt hätten. Und natürlich bekommt auch hier das Taylor-Swift-Bekenntnis einen eigenen Meldungsblock.

Auch in der Tagesschau begann die „Analyse“ mit drei Absätzen, die Harris „Klasse und Manieren“ attestierten, während Trump seine „Wut kaum verbergen konnte“. Unerwähnt blieb dabei natürlich, dass Trump sich wie immer nicht nur seiner Kontrahentin gegenüber sah, sondern mit den Moderatoren von ABC noch zwei weitere Gegenspieler hatte, die es mittlerweile kaum noch nötig erachten, ihre Parteinahme für die Demokraten zu kaschieren.

Ebenso durfte sich Pascal Siggelkow, der Faktenerfinder vom Dienst der Tagesschau an der Haustier-Debatte abarbeiten und auch die Tagesschau kam natürlich nicht an Taylor Swift vorbei. Und selbst beim Focus präsentiert sich die Berichterstattung nicht viel anders. „Als Trump wilde Lügen erzählt, lacht Harris – dann holt sie zum Gegenschlag aus“ – Das liest sich fast wie die Überschrift einer Clickbait-Seite auf Facebook im Jahr 2018. Wobei das mittlerweile den Focus ganz treffend beschreibt.

Trump muss seinen inneren Staatsmann wiederfinden

Dass man die Debatte auch anders erfahren konnte, merkt man in der ausländischen Presse. Der italienische Libero Quotidiano zelebriert Trumps Rhetorik, mit der er Harris in Anlehnung an ihre eigenen Worte in die Schranken wies. Doch das öffentliche Klima in Italien ist ein anderes als in Deutschland oder den USA. Und vor allem in diesen Ländern werden die medialen Kampagnen, die mit ihrer ohrenbetäubenden Omnipräsenz als eigenständige politische Kraft agieren, weiter versuchen, Kamala Harris allein durch Aufrechterhaltung des medialen Narrativs ins Amt zu hieven.

Als Trump zum ersten Mal kandidierte, wurde er ins Lächerliche gezogen und überraschte alle mit seinem Sieg. Bei seiner zweiten Kandidatur hatte er eine erfolgreiche Legislatur im Rücken, deren Früchte ihm aber von Corona zunichte gemacht wurden. Nun beim dritten Anlauf scheinen die Medien entschlossener denn je, ihre eigene Macht unter Beweis zu stellen und gegen alle Erfahrungen der letzten beiden Legislaturperioden mit Kamala Harris, die bis vor wenigen Monaten noch als eine der unbeliebtesten Politikerin des Landes galt, eine Kandidatin ins Weiße Haus zu schreiben, die unter normalen Umständen Trump nur wenig entgegenzusetzen hätte.

Der tatsächliche Wahlkampf lautet also weniger Trump gegen Harris, sondern Trump gegen den polit-medialen Komplex. Die TV-Debatte hat gezeigt, dass Letzterer sich mittlerweile auf Trump eingestellt bzw. dass die Unverfrorenheit Trumps mittlerweile an Frische verloren hat. Trump ist zwar der Kandidat, der die Wünsche der Wähler nach wirtschaftlichem Wandel und kontrollierter Immigration am ehesten erfüllen kann, aber er läuft Gefahr mit seiner Präsentation als forscher Außenseiter die ausschlaggebenden Unentschlossenen zu verlieren, denn die Medien und ihre Erfüllungsgehilfen beherrschen das Spiel der Meinungsmanipulation in Perfektion.

Will Trump bestehen, muss er seine staatsmännische Seite wiederfinden und mit Sachlichkeit punkten. Dann wird ihm der Sieg nur schwer zu nehmen sein. Im Überschwang der Narrative nach dem ersten TV-Duell ließ sich das Team von Kamala Harris sogar dazu hinreißen, ein zweites TV-Duell im Oktober anzubieten. Spätestens diese Chance wird Trump nutzen müssen, um Harris den Wind aus den Segeln zu nehmen. Selbst wenn die Medien ihm feindselig gesinnt bleiben, die entscheidenden Wähler wird er damit erreichen können.


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