Was nutzt die beste Story, wenn die Nachdenkarbeit dahinter einfach fehlt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) hatte Ende 2017 ein Paradebeispiel dafür abgeliefert. Die Geschichte über den Augen-Scan allein ist gut. Der Mann der FAZ in Amman war in einem jordanischen Flüchtlingslager nahe der syrischen Grenze. Camp Za’atari beherbergt rund 80.000 Migranten und wird von den Vereinten Nationen betrieben, welche die Arbeiten dort an verschiedene NGOs und örtliche Helfer delegiert haben: Die international und von viel deutschem Geld subventionierte Essensausgabe kommt vom Welternährungsprogramm (WFP).
Die FAZ berichtete in der Story mit dem Titel „Wo Flüchtlinge mit einem Augenblick bezahlen“ über ein neues Bezahlsystem in den Supermärkten, die das Essen an die „Flüchtlinge” ausgeben. Bezahlt wird nicht mit Geld oder Gutscheinen, sondern per Iris-Scan, Augen-Scan. Was noch vor wenigen Jahren nach Science-Fiction geklungen hätte, kennt jeder iPhone X Besitzer. Bei Apple funktioniert diese Individualisierung allerdings noch per Biometrie, der Iris-Scan wäre hier noch eindeutiger, genauer.
Die viel größere Story hinter der Story hat sich die FAZ allerdings durch die Lappen gehen lassen. Die Nachdenkarbeit beim Aufschreiben dieser interessanten Vor-Ort-Investigation war endlich. Denn viel interessanter ist doch ein ganz anderer Aspekt: Ganz wie nebenbei wird hier jeder potentielle Migrant, der nach Europa immigrieren könnte, einwandfrei identifiziert. In jedem Lager weltweit, dass mit diesem System zukünftig arbeitet. Die Maßnahme gegen Betrug im Wanderungslager-Discounter wird zur Maßnahme gegen Betrug in jenem europäischen Land, wo zukünftig Asyl beantragt werden könnte. Was bedeutet: Weggeworfene Pässe sind völlig uninteressant, sollen sie sie wegwerfen. Multiple Identitäten werden deutlich erschwert, dann, wenn das System korrekt arbeitet: Augen-Scan.
Also vorausgesetzt natürlich, diese Iris-Scan-Technik wird aus den Discountern hinter den sieben Bergen irgendwann auch in den deutschen und europäischen Amtsstuben angekommen sein. Dann, wenn Anwälte und NGOs vor deutschen Gerichten scheitern mit dem erwartbarem Einwand gegen den Augen-Scan, hier würden elementare Datenschutz- und Menschenrechte verletzt. Pikanterie am Rande: Selbstverständlich wäre dieses System dann auch am Einheimischen eine Alternative. Flughäfen wären am Augen-Scan ebenso interessiert wie Strafverfolgungsbehörden – und unser Sozial- und Gesundheitssystem? So wird der europäische Bürger das eine wohl nicht ohne das andere bekommen: Sicherheit vor Sozialbetrug und illegaler Migration versus langfristige Selbstaufgabe angestammter Schutzrechte. Ein Anpassungsprozess mit ungewissem Ausgang.