Zum dritten Mal innerhalb kürzester Zeit rufen die deutschen Landkreise nach dem Bund in Sachen Flucht und Asylmigration. Immer mehr fraglich wird nur, ob sich die Kreise und Kommunen noch einmal mit ein paar mickrigen Bundesimmobilien oder stolzen Geldzahlungen vom Bund zufriedengeben werden.
Laut Reinhard Sager, Landrat in Ostholstein und Vorsitzender der Landkreistages, werden an mehr als einer Stelle im Land bereits Migranten in Zelten untergebracht. Und natürlich ist keineswegs Sommer. In Berlin wurden inzwischen 1.600 Betten im Doppelstocksystem in Zelten am Flughafen Tegel aufgestellt. In Tempelhof gibt es noch einmal 800 Schlafplätze von dieser Sorte. Bald sollen 1.700 in Tegel dazukommen, bevor der Flughafen angeblich schon ab März 2023 (!) zum Hochschulstandort umgebaut wird.
Spätestens dann müssen die Migranten weichen und ins normale Stadtleben eingegliedert sein. Utopisches Denken à la Berlin in Rot-Grün-Rot. Aber derzeit soll niemand erzählen, dass dies eine menschenwürdige Unterbringung von Ukrainern ist. Und außerdem sollte es nicht mehr heißen, dass Flüchtlinge und Migranten keinen Druck auf den Wohnungsmarkt ausüben.
Im Zeltlager Tegel gibt es nur dünne Trennwände zwischen den Abteilen – man hört jedes Flüstern, jeden Huster um einen herum. Es soll unmöglich sein, auch nur etwas guten Schlaf zu bekommen. Am Kopf- und Fußende jeden Bettes endet die Privatheit. „Wir versuchen menschlich zu bleiben, trotz der unmenschlichen Bedingungen, unter denen wir leben“, sagt eine Ukrainerin dem Tagesspiegel. Doch es gibt erstaunlich wenig Streit unter den Ukrainerinnen, das gemeinsame Schicksal schweißt vielleicht zusammen.
Eine Prophezeiung bewahrheitet sich so. Es war nicht schwer, die schwierigen Lebensbedingungen in provisorischen Zelten auf einer alten Landebahn vorauszusehen. Nicht viel anders kann das sein als in provisorischen Lagern in anderen Ländern. Deutschland ist nicht durch gutes Wollen schon bevorzugt in der Moral. Auch hier gibt es eine physische Grenze der Aufnahmebereitschaft, das bemerken immer mehr Kommunen – und sagen es.
Main-Taunus-Kreis fordert „Steuerung und Begrenzung des Zuzugs“
Der Landrat des Main-Taunus-Kreises, Michael Cyriax, hat nun zusammen mit Kreisausschuss und Bürgermeister einen „dringenden Appell“ an den Bund und das Land Hessen gerichtet. Es brauche nun „Reformen bei der Flüchtlingszuweisung“, schrieb Cyriax in einem Facebook-Beitrag. Die Belastungen seien kaum noch durch die Kommunen zu tragen. Es fehle „an Flächen und Raum für die Unterbringung der Migranten“, auch an Betreuungsmöglichkeiten, Kindergarten- und Schulplätzen. Der Main-Taunus-Kreis plädiert für „eine bessere Steuerung und Begrenzung des Zuzugs“ nach Deutschland. Cyriax hebt hervor, dass man angesichts von „Arbeiterlosigkeit“ sehr wohl eine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt brauche. Aber „Rückführungen von ausreiseverpflichteten Personen“ müssten „deutlich verstärkt werden“.
Im Main-Taunus-Kreis leben laut Cyriax etwa so viele Migranten, wie die kleinste der Gemeinden Liederbach Einwohner hat, derzeit sind es demnach 8.666 Migranten. 2.600 davon seien Kinder und Jugendliche, die naturgemäß besonderen Aufwand machen. Der Main-Taunus-Kreis sei der flächenmäßig kleinste Landkreis Deutschlands, jedoch mit der zweithöchsten Bevölkerungsdichte. Die Unterbringung in Turn- und Stadthallen möchte Cyriax nicht erwägen, das sei „keine Option“. Bisher habe man noch alle „Ankommenden“ menschenwürdig unterbringen können. Aber nun geht der begrenzte und begehrte Wohnraum in dem Kreis zwischen Frankfurt und Wiesbaden zur Neige. Alle Verantwortungsträger des Kreises haben laut Cyriax den Appell unterzeichnet.
Erst vor zwei Wochen hatte auch CDU-Ministerpräsident Boris Rhein einen ähnlichen Appell an den Bund formuliert und damit insbesondere auf das Bundesinnenministerium gezielt. In der Tat ist das Verhalten von Nancy Faeser (SPD), die 2024 gerne selbst in die Wiesbadener Staatskanzlei einziehen würde, in diesem für sie zentralen Politikfeld erratisch. Sie beklagt, dass ein mehrfach auffällig gewordener Araber aus dem Gazastreifen – der Messermörder von Brokstedt – nicht abgeschoben wurde, weigert sich aber zugleich, Abschiebungen nach Afghanistan oder Syrien auch nur zu bedenken. Von einer Rückführungsoffensive, wie im Koalitionsvertrag versprochen, darf geschwiegen werden. Sie ist weiterhin inexistent. Doch genau sie fordert Boris Rhein. Daneben müsse das Innenministerium „die Grenzen sichern“.
Olaf Scholz müsse die „ungesteuerte Migration“ zur Chefsache machen und sich – nach zwei Bund-Länder-Gipfeln im letzten Herbst – erneut mit Ländern und Kommunen besprechen, so Rhein. Bei solchen Gesprächen kann es aber nur um Geld, Immobilien, letztlich um Ermöglichung und Billigung illegaler Einreisen gehen. Denn selbst die Ländervertreter haben bei solchen Gesprächen nie eine starke Stellung, sondern betteln nur um ein paar Bundeskröten. Wollen die Länder etwa um Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien bitten? Nur zu.
Immer mehr Gemeinden bezweifeln alte Gewissheiten
Andere Frage: Könnte jene Machtverteilung nun zu wanken beginnen, da Kreise und Kommunen sich massenhaft an der Belastungsgrenze sehen? Die sei vielerorts bereits überschritten, so wiederum der Ostholsteiner Reinhard Sager laut Handelsblatt. Die schwierige Situation stelle „auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Frage“, sei Sprengstoff für denselben. Die Kommunen könnten vor der Handlungsunfähigkeit stehen, so Sager zur FAZ.
Das konnte man im mecklenburgischen Grevesmühlen sehen, wo aufgebrachte Bürger seit Wochen gegen ein geplantes „Asylantenheim“ protestieren. Nahe dem 500-Seelen-Ort soll eine Unterkunft für 400 Migranten entstehen. Bürger demonstrierten nicht nur vor dem Kreistag, einige sollen sogar versucht haben, das Gebäude zu betreten, woran sie durch Polizei gehindert wurden. Sind solche Sitzungen nicht häufig öffentlich? Worin besteht dann das grundlegende Crimen der bald als Extremisten bezeichneten bzw. in deren Nähe gerückten Bürger? Die grüne Landesvorsitzende Katharina Horn gab die Antwort: „Geflüchtete Menschen brauchen Schutz vor Krieg und Verfolgung. Unsere Aufgabe ist es, sie aufzunehmen, eine würdige Unterbringung zur Verfügung zu stellen und für ihre physische und psychische Sicherheit zu garantieren.“ So einfach ist es, in diesem Fall haben Bürgerinteressen zurückzustehen und werden eben wahlweise als „rechts“ oder „extrem“ diffamiert.
In Greuthof, einem kleinen Ort bei Heilbronn, sieht es ähnlich aus: 114 Einwohner freuen sich keineswegs auf die 70 „Flüchtlinge“, die dort bald einquartiert werden sollen. Angeblich liegen bereits Anzeigen gegen das Landratsamt vor. Das Vorhaben sei „nicht sozialverträglich“. Laut Presseberichten soll der Umbau eines leerstehenden Pflegeheims zum Migrantenheim mit 800.000 Euro zu Buche schlagen. Was könnten die Greuthofer alles mit diesem Haushaltsposten anstellen?
Olaf Scholz erwartet 90 Millionen Menschen in Deutschland
Auch Nancy Faeser bleibt derweil bei jener Position, die ihr offenbar am teuersten ist: „Wir sind dem internationalen Recht verpflichtet.“ Mit anderen Worten: Nicht nur die Ukraine hat unseren Beistand und die bedingungslose Aufnahme von Kriegsflüchtlingen verdient. Das soll auch für den – unwesentlich weiter entfernteren – Rest des Planeten gelten. In weiten Teilen der Welt seien Menschen auf der Flucht vor Krieg und Terror, so Faeser. Die Bundesministerin zeigt hier Spuren eines Helferkomplexes von alt-skandinavischer Art (inzwischen wissen selbst die Schweden es besser). Tatsächlich ist es ihre eigene dunkle Agenda, die Faeser wohl ohne Erbarmen durchziehen wird – mag es dem Land dabei ergehen, wie es eben kommt.
Was der Main-Taunus-Kreis wirklich mit seinem Appell erreichen will und kann, bleibt einstweilen undeutlich. Der Kreis selbst setzt natürlich die Anstrengungen zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen und Migranten fort – er kann kaum anders. Eventuell gibt es etwas mehr Geld, doch das zaubert den Platz in der enger werdenden Region nicht herbei. Ein Jahr nach seinem Antritt als Bundeskanzler hat Olaf Scholz in einem Bürgerdialog eine Bevölkerung von 90 Millionen Menschen in Deutschland innerhalb der nächsten Jahre: „Wir haben weit über 80 Millionen Einwohner, das geht aber weiter hoch.“
Die Grundlage dieser Ansage sind Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis), das ja eigentlich eher für das Ist zuständig ist als für das Soll. Es ist ein weiteres Politikfeld, in dem der Kanzler die Zügel ohne Not aus der Hand gibt – oder in dem er uns, norddeutsch gesprochen, einen Appel für ein Ei vormachen will. Noch ein SPD-Politiker mit dunkler Agenda. Der Zuwachs soll demnach die Rente sichern. Derzeit frisst er aber die Sozialkassen der Deutschen und ihre Steuern auf. Es ist nicht sicher, dass das angesichts der von der Ampel ermutigten Armuts- und Bettelmigration jemals anders werden wird. Die Grünen sind nicht besser, fordern eher noch mehr frische „Goldstücke“ für Deutschland als die Genossen (oder gleich viele). Und auch die Liberalen sind keine verlässlichen Fahrensleute, wo es um die Vermeidung illegaler Migration geht. Trotzdem gibt es eine gewisse Chance, dass sich die Temperatur im Kessel langsam erhöht und damit auch andere Politikvarianten hochspült – ob mit dieser Regierung oder einer anderen.