Nein, es liegt kein Fluch über Asperg. Das sagte nun auch parteilose Bürgermeister Christian Eiberger. Aber merkwürdig ist es schon: Am Karsamstag hatte es eine Schießerei auf einem Schotterparkplatz in der Kleinstadt von 13.700 Einwohnern gegeben. Ein 18-Jähriger wurde durch die Schüsse getötet, ein anderer verletzt. Vier Verdächtige kamen in Untersuchungshaft. Doch ein fünfter Verdächtiger kam erst verspätet ins Visier der Ermittler. Er hatte sich ins Ausland abgesetzt und wurde nun am Flughafen Stuttgart festgenommen. Insgesamt eine Tat mit Clan- oder Mafia-Geruch.
Zur gleichen Zeit erging das Urteil im Fall Tabitha E. Die 17-Jährige war im vergangenen Juli zum Opfer eines heimtückischen Mordes geworden, wie nun erwiesen ist. Der 36-jährige Syrer Naim A. hatte die Nähe zu ihr gesucht. Laut Richterspruch tötete er die 17-Jährige „aus Machtstreben“. Anscheinend suchte der Syrer immer wieder Beziehungen zu minderjährigen Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren. In Tabithas Fall glaubte er, dass sie ihm gehöre. Als sie ihn nicht mehr sehen wollte, wurde dies Tabitha zum Verhängnis. Der Syrer glaubte, so das Gericht, an eine Liebesbeziehung, die es nie gegeben habe.
„Wunschdenken“ sei das gewesen, aber schuldfähig war der Täter immerhin. Den Mord habe er aus niedrigen Beweggründen begangen. Eine besondere Schwere der Schuld sei aber nicht gegeben. Die lebenslängliche Haftstrafe von mindestens 15 Jahren wird daher nicht in Sicherheitsverwahrung übergehen.
Verbrechen, die zu unsagbarem Schmerz führen
Auch andere Mädchen soll der Verurteilte so herumgefahren, ihnen Geschenke gemacht haben. Tabitha habe er darüber hinaus auch überwacht. Sie sollte ihre Standortanzeige im Mobiltelephon aktivieren. Und zu guter, schlechter Letzt hatte Tabitha auch noch eine wirkliche Beziehung begonnen. Das brachte das Fass vielleicht zum Überlaufen.
Die ganze Beschreibung der Tatumstände weist mit vielen Fingern darauf hin, wie hier zwei Kulturen und auch Rechtsverständnisse aufeinanderstoßen. Die Leichtigkeit mit der der Syrer 15- bis 17-jährige Mädchen finden und herumfahren konnte, überrascht dabei zum Teil, illustriert andererseits aber die Freizügigkeit unserer Gesellschaft, die recht gut zu den Machtansprüchen des Mannes passte. Fünf Tage wurde nach Tabitha gesucht. Sie wurde schließlich mit Würgemalen am Hals an einem Flußufer in der Nähe gefunden.
Die Presse hat diesen Fall nicht mit vergleichbarer Intensität behandelt wie etwa den Mädchenmord von Freudenberg, wo zwei Schulfreundinnen einen grausamen Mord begingen. Möglicherweise spielte auch im Fall Luise ein ethnisches Motiv eine Rolle, auch wenn es nicht in allen Medien behandelt wurde (siehe aber hier). Die Eltern Luises haben im April eine zweite Traueranzeige aufgegeben, in der sie sich unter anderem bei den Einsatzkräften bedanken und Werte wie Respekt, Zusammenhalt und Füreinander-Dasein ansprechen. Daneben schildern sie die unmittelbaren Folgen der Tat, wenn sie die tote Luise selbst ansprechen: „Wir vermissen dich heute genauso wie am Tage deines Todes. Unser Haus – so still. Dein Platz – für immer leer. Luises brutaler Tod hat zu unsagbarem Schmerz geführt.“ Nicht anders dürfte es im Fall Tabitha E. sein. Doch man erkennt, wie die Gesellschaft jede Möglichkeit nutzt, um möglichst normal weiterleben zu können. Das ist im Wortsinn eine Überlebensinstinkt.
Wie der Zusammenhalt beeinträchtigt wird
Und doch gab es in Asperg eine Kontroverse darüber, wie ein weißes Holzkreuz zu sehen ist, das an die ermordete Bürgerin der Stadt erinnern sollte. In den sozialen Medien machten Posts die Runde, die den parteilosen Bürgermeister beim Wegtragen dieses Gedenkkreuzes zeigten. Nun geht eine Fachstelle zur Überwachung der „extremen Rechten“ davon aus, dass die gesamte Kampagne (samt Kreuz?) von Identitären vorbereitet worden sei, um „Stimmung zu machen gegen Migrant*innen und Vertreter*innen des demokratischen Staates“. Man sieht in jedem Fall: Vergleichbare Taten haben das Potential, den Zusammenhalt der Bürgergesellschaft zu stören und zu beeinträchtigen.
Jüngst sorgte auch das Urteil im Ludwigshafener Fall eines Somaliers, der zwei Handwerker auf offener Straße ermordet hat, für einiges Unverständnis. Der Richter ging – entgegen dem ursprünglichen Gutachten – dann doch von einem plötzlichen paranoiden Schizophrenie-Schub des Somaliers aus, der zu seinen Messertaten geführt habe. Der Freispruch sei „unausweichlich“ gewesen. Der Somalier Liban M. (26), der ausdrücklich deutschen Männern schaden wollte, wird in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Seine arglosen Opfer waren ihm am Tag der Tat erstmals und vollkommen zufällig vor dem Haus seiner Ex-Freundin begegnet.
Der dritte Teil des nicht über Asperg hängenden „Fluchs“ lässt sich unschwer mit den anderen beiden verbinden. Die Stadt Asperg ist zwar „Sicherer Hafen“ und Mitglied beim entschieden ultralinken Verein Seebrücke e.V., würde aber auf den Bau einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für neueintreffende Asylbewerber gerne verzichten. Gerade haben die Asperger sich dem Gemeinderat des benachbarten Tamm angeschlossen: Die neue LEA des Landes Baden-Württemberg soll nicht auf einer Wiese vor den Toren der beiden Städte gebaut werden. Das beschloss der Asperger Gemeinderat. Die Fläche gehört tatsächlich zum angrenzenden Ludwigsburg, dient aber den Aspergern und Tammern als Naherholungsfläche. Daneben haben beide Stadtgemeinden offenbar auch etwas gegen ein größeres Asylbewerberheim so nahe an ihrem Wohnort.