Tichys Einblick
Rauswurf des Finanzministers

Die Machtmaschine Olaf Scholz überrollt Christian Lindner

Olaf Scholz ist als Kanzler der würdige Nachfolger Angela Merkels: inhaltlich ein Ausfall und eine Katastrophe für das Land. Aber eine Machtmaschine, die über andere hinwegrollt – so wie über Christian Lindner, der es ihm aber auch leicht gemacht hat.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Christian Lindner erfüllt alle Kriterien eines tragischen Helden: Er kann dem Zuschauer leidtun, ist aber auch an seinem Schicksal eindeutig selbst schuld. Und er steht gefangen zwischen zwei Wertesystemen, zwischen denen er sich nicht konsequent entscheiden konnte. Als Heroe wäre er eindeutig aufgetreten. Er hätte erklärt, so geht es nicht weiter mit der Ampel, entweder erfüllt ihr bis dann und dann meine Forderungen oder meine FDP verlässt die Regierung. Hätte-hätte-Fahrradkette, Lindner ist kein Heroe.

Lindner ist ein tragischer Held. Er konnte sich nicht entscheiden zwischen nicht schlecht regieren und gar nicht regieren. Also hat er beides versucht. Ein Papier verfasst, angeblich aber nicht veröffentlicht, aber es hat doch seinen Weg zu staatlichen und staatsnahen Journalisten gefunden. Er hat darüber geschrieben, Schaden könne von Deutschland nur mit den wirtschaftspolitischen Vorschlägen des Papiers abgewendet werden – aber dann relativiert: Es sei ja nur ein Vorschlag, Schaden von Deutschland abwenden zu wollen, vielleicht hätten SPD und Grüne eventuell andere Ideen. Um es kurz zu machen: Christian Lindner hat geeiert.

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Clausewitz sagt, im Krieg seien Tempo und Überraschung entscheidende Faktoren. Das lässt sich eins zu eins auf die Politik übertragen. Lindner hat SPD und Grünen einen Angriff angekündigt und dann fünf Tage Zeit gelassen zu reagieren. Clausewitz hat Recht behalten und Lindners Verzicht auf Tempo und Überraschung rächt sich nun. Der Kanzler hat ihn aus der Bundesregierung geworfen. Ihn. Nicht die FDP. Er hat den scheidenden Finanzminister isoliert, als „kleinkariert“ gebrandmarkt und ihm vorgeworfen, mit Lindner sei „ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich“.

Lindner wollte sich als starken Mann aufbauen, um so seine FDP in den nächsten Wahlkampf führen zu können. Nun hat Scholz ihn vorgeführt. Die schwache Replik des FDP-Chefs: Scholz habe gezeigt, dass er keine Kraft habe. Drei Jahre hätte Lindner Zeit gehabt, diesen Vorwurf zu äußern. Drei Jahre wäre dieser Vorwurf berechtigt gewesen und hätte entsprechend Eindruck gemacht. Ein einziges Mal beweist Scholz aber, dass er Kraft hat und genau in dem Moment wirft Lindner ihm das Fehlen dieser Kraft vor – von Timing hat der FDP-Chef wirklich gar keine Ahnung.

Nachdem Lindner sein Ultimatum gestellt hat, passierte fünf Tage nichts außer ein paar Geheimtreffen im Kanzleramt. Dessen Fenster sind sonst blickgeschützt. Aus gutem Grund. So bieten die Menschen darin kein Ziel für mögliche terroristische Angriffe. Für die Geheimtreffen haben Scholz und Lindner auf diesen Schutz verzichtet, sich nach Sonnenuntergang an ein gut ausgeleuchtetes Fenster gesetzt, sodass alle Fotografen festhalten konnten, wie geheim diese Treffen waren. Kurzum: Fünf Tage ist nichts außer Schmierentheater passiert. Weil Lindner etwas angekündigt hat, auf das nichts folgte, hat TE das Bild geprägt: Er steht auf dem Zehnmeterturm, traut sich aber nicht zu springen.

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Nun hat Scholz Lindner runtergeschubst. Nach fünf Tagen Schmierentheater möchten ihm die Zuschauer zurufen: „Bravo.“ Damit hat Scholz sein machtpolitisches Gespür bewiesen. Um das zu belegen, muss fehlende sprachliche Präzision korrigiert werden: Oben steht: „Nachdem Lindner sein Ultimatum gestellt hat …“ Das ist falsch. Richtig müsste es heißen: „Nachdem Lindner sein Ultimatum gestellt hat, was dann aber nur ein Vorschlag gewesen war, der ohnehin nur für den internen Gebrauch bestimmt war, jetzt aber öffentlich wurde und daher …“ Scholz’ Botschaft lautet: Ich habe Christian Lindner entlassen. Während Lindners Botschaft auf so vielen Umwegen daherkommt, dass kaum noch einer Start und Ziel nachvollziehen kann, ist Scholz eindeutig. Wer das will, der kann dem Kanzler leicht folgen. Wer Christian Lindner folgen will, braucht eine Landkarte für all die Um- und Schleichwege, die er gegangen ist.

Lindner wollte mit seinem Papier eine politische Agenda verkaufen, hat sich aber um seine Glaubwürdigkeit gebracht, als er nicht richtig zu der gestanden und sie selbst als „nur ein Vorschlag“ abgetan hat. Scholz hat seine Botschaften mit einem Schlag rausgehauen und da stehen sie nun. Machtpolitisch brillant. Inhaltlich eine Katastrophe. Der Kanzler will mehr von dem, was bisher nicht funktioniert hat. eine Investitionsprämie für alle und ein „Paket“ speziell für die Automobilindustrie. Wie bei den Corona-Hilfen, den Entlastungspaketen oder dem „Doppelwumms“ will Scholz Dutzende von Milliarden rauswerfen, in der Hoffnung, irgendwie werde das die Wirtschaft schon beleben. Auch wenn es bei den besagten Paketen und Wummsen nachweislich eben nicht funktioniert hat.

Dafür wird Scholz die „Schuldenbremse“ aushebeln. Eine halbwegs solide Haushaltsführung. Der einzige Erfolg, mit dem die FDP in der Koalition annähernd punkten konnte. Der Kanzler will mit einem „Überschreitungsbeschluss“ die Verfassung umgehen, den er mit einer „Notsituation“ rechtfertigt. Als Begründung dafür muss der Krieg in der Ukraine herhalten.

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Die Sozialausgaben, etwa fürs Bürgergeld, steigen weiter, weil der Krieg in der Ukraine nach zweieinhalb Jahren eine Notsituation in Deutschland schafft. Die grünnahen NGOs bekommen weiter ungebremst staatliches Geld, weil der Krieg in der Ukraine nach zweieinhalb Jahren eine Notsituation in Deutschland schafft. „Wirtschaftsminister“ Robert Habeck (Grüne) und Scholz hauen zig Milliarden an Subventionen raus, um dann mal zu sehen, was sie daraus gelernt haben, weil der Krieg in der Ukraine nach zweieinhalb Jahren eine Notsituation in Deutschland schafft. Scholz gönnt sich neue Stühle für 4000 Euro das Stück, Radwege in Peru und Klimaschutzprojekte in China, weil der Krieg in der Ukraine nach zweieinhalb Jahren eine Notsituation in Deutschland schafft.

Inhaltlich ist das eine Katastrophe. Deutschland verschuldet sich über beide Ohren und schafft damit nicht einmal Werte, die bleiben und eine Refinanzierung ermöglichen. Machtpolitisch ist das indes klug. Scholz bindet die Kritiker in den eigenen Reihen an sich ebenso wie den Koalitionspartner Grüne, Scholz spielt im halben Jahr vor der vorgezogenen Wahl den Spendieronkel und bleibt Kanzler – oder auch nicht. Aber dann hat er alles Geld rausgehauen und seinen Nachfolger um jeden Handlungsspielraum gebracht. Scholz macht es wie seine Vorgängerin und ehemalige Chefin Angela Merkel. Wenn er schon in die Geschichte eingeht als schlechtester Kanzler der Bundesrepublik, dann soll es seinem Nachfolger noch übler ergehen.

In seiner Rede zu Lindners Entlassung hat Scholz immer wieder die USA bemüht. Wobei ihm eine Ironie entgangen ist. Der Kanzler geht genau den Weg von Kamala Harris. Die steht für eine Regierung, die machtpolitisch brillant war, aber inhaltlich eine derartige Katastrophe, dass sie vor dem Volk durchgefallen ist. Eine Regierung, die bis zuletzt versucht hat, sich durchzumogeln. Die es etwa so lange als Hass und Hetze abgetan hat, Joe Bidens gesundheitliche Eignung in Frage zu stellen, bis die Antwort während des TV-Duells offensichtlich wurde. Scholz glaubt, das besser zu können als die amerikanischen Demokraten. Das wird er im März beweisen müssen.

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