Gestern Abend begann das Treffen der Außenminister der EU in Slowenien, das am Freitag fortgesetzt wird. Außenminister Heiko Maas hat in dem Rahmen den Taliban in Aussicht gestellt, dass Deutschland die Zahlung der Entwicklungshilfe an Afghanistan wieder aufnimmt. Im Klartext heißt das, dass dieser Außenminister den Taliban Geld anbietet, also solches, das deutsche Steuerzahler erwirtschaftet haben. In Slowenien versucht er – als wäre er nicht der deutsche, sondern der afghanische Außenminister – seine Kollegen zu Zahlungen und zum Entgegenkommen den Taliban gegenüber zu überzeugen.
Natürlich will der hehre Außenminister nur den „Menschen“ helfen. Schließlich werden „die meisten Menschen…aufgrund der geschlossenen Grenzen Afghanistan nicht verlassen können.“ Wollen denn die „meisten Menschen“ überhaupt Afghanistan verlassen? Wenn die meisten Menschen Afghanistan verlassen wollen, wieso konnten die Taliban so schnell die Macht übernehmen?
Aber gut, auf Fragen, die nicht die Erziehung der männlichen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes oder den Kampf gegen rechts in Deutschland betreffen, sollte man vom deutschen Außenminister keine konsistenten Antworten erwarten. Zumal der deutsche Außenminister vor kurzem den Eindruck erweckte, der letzte Mensch in Deutschland zu sein, der vom Einmarsch der Taliban in Kabul erfuhr.
Und weil die Afghanen Afghanistan verlassen wollen, aber nicht können, „muss man den Menschen in Afghanistan jetzt helfen, und dafür muss man auch mit den Taliban sprechen.“ Und das macht man wiederum, indem deutsches Steuergeld die Taliban finanziert. Dem Vernehmen nach drängt Maas seine Kollegen zur Eile, schließlich gäbe es jetzt „in Afghanistan eine neue Realität – ob uns das gefällt oder nicht. Und wir haben jetzt keine Zeit mehr, die Wunden zu lecken.“ Die markigsten Sprüche gelingen dem Außenminister allerdings nur im Appeasement. Wohin Appeasement führt, hat die europäische Geschichte gezeigt.
Maas begründet seine hastige Initiative damit, dass man China und Russland nicht die Taliban überlassen dürfe.
Was bei geschlossenen Augen vernünftig aussieht, ist ein Witz. Denn Heiko Maas will Bedingungen für die Finanztransfers stellen, die im Folgenden bestehen: Die afghanische Regierung dürfe nicht nur aus Taliban bestehen. Die Taliban würden vermutlich kein Problem damit haben, einen Minister zur Aufrechterhaltung der afghanischen Volkstänze zu berufen, der nicht den Taliban angehört. Grundlegende Menschen- und Frauenrechte müssen garantiert werden und natürlich darf Afghanistan zu keinem „neuen Hort für Terrorismus“ werden. Das erste wird der Außenminister sicher von Berlin aus kontrollieren können. Wie er allerdings das zweite verhindern könnte, wenn es die Taliban wollten, wird das Geheimnis des Heiko Maas bleiben. Mehr noch, wenn die Taliban wollen, dass Afghanistan zu einem „neuen Hort für Terrorismus“ wird, könnte die deutsche Entwicklungshilfe einen völlig neuen Sinn bekommen.
Aber die grundlegende Frage, die im Auswärtigen Amt und im Kabinett ihm niemand zu stellen wagt, lautet: Wieso glaubt Heiko Maas, sich in der Position zu befinden, den Taliban Bedingungen stellen zu können? Wenn die neuen Machthaber in Kabul finanzielle Unterstützung von China und Russland bekommen – und zwar ohne politische Bedingungen, warum sollen sie deutsche Hilfe mit Bedingungen annehmen?
Josep Borrell, der spanische Sozialist und EU-Außenbeauftragte, der verdeutlicht, dass die EU keinen Außenbeauftragten benötigt, sprang erwartungsgemäß Maas zur Seite. Der Außenminister Luxemburgs, Asselborn, ebenfalls. Aber Asselborn führt stets das große Wort, wenn Deutschland zahlen oder Migranten aufnehmen soll. Es steht zu wünschen, dass Asselborn einmal über Luxemburgs Rolle als Steueroase spricht, statt im hohen Ton der Menschlichkeit immer neue Forderungen zu stellen.
So blieb der Part der Vernunft dem österreichischen Außenminister Alexander Schallenberg vorbehalten, der gegen die Aufnahme afghanischer Migranten votierte. Zu recht warnte er: „Ich glaube (…), dass wir vorsichtig sein müssen, was für Signale wir in die Region schicken“. Er erklärte, dass die Taliban keinen Vertrauens-, sondern einen Misstrauensvorschuss besäßen und warnte: „Es ist ein Unterschied, ob wir auf technischer Ebene Gespräche haben mit ihnen oder ob wir sie als legitime Vertretung des Staates Afghanistan anerkennen.“
Ernst sollte der deutsche Außenminister auch die Forderungen der baltischen Staaten und Polens nehmen, den Versuchen des weißrussischen Diktators Lukaschenko, entgegen zu treten, Migranten aus Ländern wie dem Irak oder Afghanistan nach Europa durchzuschleusen, um sich für die Sanktionen der EU zu rächen. Die meisten dieser Migranten kommen irgendwann in Deutschland an. Aber vielleicht will Heiko Maas das auch. Auch wenn es den Borells, den Asselborns und den Maasens nicht passen sollte, Europa benötigt dringend einen wirksamen und effizienten Schutz der Außengrenzen.
Es wäre überfällig, dass Heiko Maas wenigstens zum Ende seiner Amtszeit, die Realität anerkennt.